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Patientin in Polen nimmt «Pille danach» – Polizei kommt in die Klinik

Patientin in Polen nimmt «Pille danach» – plötzlich steht die Polizei in der Klinik

19.07.2023, 18:30
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Ein Polizeieinsatz in der Notaufnahme eines Krankenhauses wegen einer Patientin, die die «Pille danach» genommen hatte, hat in Polen für Aufruhr gesorgt. Der Menschenrechtsbeauftragte Marcin Wiacek verlange von dem Chef der zuständigen Polizeidirektion in Krakau eine Aufklärung des Vorfalls, wie Wiaceks Sprecherin am Mittwoch in Warschau sagte.

Die Patientin, von der nur der Vorname Joanna bekannt ist, hatte am 27. April ihre Psychiaterin angerufen und gesagt, dass sie die «Pille danach» genommen habe, wie der Sender TVN24 am Dienstag berichtete. Die Frau sagte demnach, sie fühle sich körperlich und psychisch schlecht, habe aber keine Selbstmordgedanken. Die Ärztin schickte daraufhin einen Krankenwagen und eine Polizeistreife zu ihrer Wohnung.

Die Patientin wurde in die Notaufnahme eines Krankenhauses gebracht. Die Polizei blieb dabei. «Die Polizistinnen sagten mir, ich solle mich ausziehen, Kniebeugen machen und husten. Ich zog mich aus, aber nicht meine Unterhose, weil ich immer noch blutete. Es war erniedrigend und demütigend für mich», erzählte die Frau TVN24.

Ein Arzt aus der Notaufnahme berichtete dem Sender, vier männliche Polizeibeamte hätten um die verängstigte Frau herumgestanden und den Medizinern die Arbeit erschwert. Ausserdem habe die Polizei das Laptop der Frau konfisziert. Als Arzt und Patientin fragten, warum das notwendig sei, hätten die Polizisten erklärt, dieser müsse für das «Protokoll der Festnahme» sichergestellt werden.

Die Bezirksstaatsanwaltschaft Krakau ermittelt wegen Beihilfe zum Selbstmord und Beihilfe zum illegalen Schwangerschaftsabbruch. Im Jahr 2021 war in Polen nach einem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts ein verschärftes Abtreibungsrecht in Kraft getreten. Seitdem dürfen Frauen auch dann keine Abtreibung vornehmen, wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen aufweist.

In einer Stellungsnahme der Polizei hiess es am Mittwoch, die Psychiaterin habe bei ihrem Anruf in der Einsatzzentrale davon gesprochen, dass ihre Patientin möglicherweise Selbstmord begehen wolle und eine unbekannte Substanz eingenommen habe. Die Frau habe den Beamten gegenüber angegeben, die Mittel im Internet gekauft zu haben, aber Informationen zu weiteren Details verweigert. (sda/dpa)

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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HokusPokus
19.07.2023 19:15registriert April 2020
Ich finde des Begriff "Pille danach" etwas irreführend. In Deutschland ist damit ein Präparat gemeint, welches eine mögliche Einnistung noch verhindern soll. Demnach ist dies keine Abtreibungspille und würde auch nicht so wirken, würde eine SS schon vorliegen. Deshalb ist das auch nicht illegal. Ist in dem Artikel jetzt gemeint das sie eine Abtreibungspille eingenommen hat ? Wird mit "Pille danach" ein anderes Präparat bezeichnet als das ich denke oder hab ich den Text gerade einfach total missverstanden? Wäre für Erklärungen dankbar.
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Lordkanzler-von-Kensington
19.07.2023 20:53registriert September 2020
Geht es um "die Pille danach", ergo Verhinderung einer Schwangerschaft? oder Geht es um "eine medikamentöse Abtreibung", ergo Abbruch einer Schwangerschaft. Nur zum Verständnis und evtuellem juristischen Verteidigungsaufbau in Polen.
Für mich quasi nicht relevant, was es nun war....mMn hat die Frau ein Entscheidungsrecht über ihren Körper, Punkt + Period. Das ein Land innerhalb Europas + der EU eine Gesetzgebung und Umsetzung á la "Handmaids Tale" aufweist, ist mehr als gruselig, indiskutabel + beschämend. 4 männliche Beamte, die den Arzt behindern & die Frau muss quasi nackt sein...??? NOPE.
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Hoagie
19.07.2023 21:20registriert Oktober 2018
Abtreibungen werden mit oder ohne diesem steinzeitlichen Gesetz durchgeführt. Es wäre sehr viel besser, wenn sich eine Frau nicht irgendwas aus dem Internet bestellen müsste, sondern das Ganze mit professioneller und seriöser ärztlicher Begleitung stattfindet.
Dass da offenbar noch 4 männliche Polizisten eine Frau zum ausziehen zwingen und dabei anglotzen ist aber auch mit diesem Gesetz ein absoluter Skandal, ich hoffe zumindest das gibt für die Beamten ein übles Nachspiel.
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