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Ralph on the Road

Kamala Harris oder Donald Trump: Wem geben die Latinos ihre Stimme?

Wir haben in Miami nachgefragt:

Video: watson/ralph steiner, lucas zollinger
Ralph on the Road

«Sie wählen Trump, obwohl Harris besser für sie wäre» – zu Besuch bei den Latinos in Miami

Auch zwei Wochen vor der Wahl kämpft Kamala Harris um die Unterstützung der für die Demokraten eminent wichtigen Latino-Wählerschaft. Für einige ist sie die einzig wählbare Kandidatin, andere sehen in ihr eine Kommunistin. Die Reportage aus Miami.
20.10.2024, 05:1704.11.2024, 03:28
ralph steiner, miami
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«Es ist viel zu viel Drama, eine Freakshow. Deshalb halte ich mich aus der Politik raus und gehe nicht wählen», sagt Kellnerin Bella. Aufgrund besserer Arbeitsbedingungen ist sie von Dodge City im US-Bundesstaat Kansas nach Florida gezogen.

Als ich Bella in Miami Beach, unweit der wogenden Wellen des Meeres und unter im Wind wiegenden Palmen, auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl anspreche, scheint es ihr direkt abzulöschen. Sie bezeichnet Donald Trump als Clown und Kamala Harris als Transsexuelle, die ausschaue, «als hätte sie mal einen Adamsapfel gehabt».

Kellnerin Bella, hier gut gelaunt, kann mit Kamala Harris noch weniger anfangen als mit Donald Trump.
Kellnerin Bella, hier gut gelaunt, kann mit Kamala Harris noch weniger anfangen als mit Donald Trump.bild: watson

Müsste die Kellnerin jedoch jemanden wählen, wäre dies «definitiv der Clown, definitiv Donald Trump». Der Republikaner habe in der Vergangenheit wiederholt Erfolge verbuchen können und er schaffe Arbeitsplätze. «Kamala Harris hingegen schert sich einen Dreck um gar nichts», so die Meinung von Bella.

Trumps Narrative

Auch der aus Ecuador stammende Santiago verspürt keine Lust mehr auf die amerikanische Politik und lässt das Wählen bleiben. Der Verkäufer begründet dies unter anderem mit dem Mehrheitswahlsystem der USA:

«Man kann nur aus zwei Parteien auswählen, das ist nicht sehr demokratisch.»
Santiago aus Miami ist von der US-Politik enttäuscht und findet die Auswahl aus nur zwei Parteien nicht demokratisch. Er geht nicht wählen.
Für Verkäufer Santiago ist die Wahl eine abgekartete Sache.bild: watson

Wen würde er wählen, wenn er sich entscheiden müsste? Santiago lacht:

«Ist das nicht offensichtlich? Natürlich Donald Trump, er ist der einzige Kandidat, dessen Wahl für mich Sinn ergibt.»

Dass es der Republikaner tatsächlich ein zweites Mal ins Weisse Haus schafft, daran glaubt der Verkäufer jedoch nicht – und bedient sich Trumps Narrativen. «Die ganze Sache ist doch manipuliert.» Santiago verweist auf die letzte Wahl:

«Damals sah es so aus, als würde Trump gewinnen. Dann stoppten sie die Wahl und es dauerte drei Monate, bis die Stimmen ausgezählt waren. Es ist ein abgekartetes Spiel. Nicht wir entscheiden, sondern jemand anderes. Deswegen gehe ich nicht wählen.»

Dabei seien die Herausforderungen in den Vereinigten Staaten gross, so Santiago. Die Inflation stelle ein riesiges Problem dar, alles sei doppelt so teuer wie vor zwei Jahren, die Löhne jedoch gleich geblieben. «Mir geht es so weit okay, ich habe einen guten Job. Aber ich kenne viele Leute, die hier in Miami Mühe haben, durchzukommen.»

Zustimmung für Harris «gefährlich niedrig»

Bella und Santiago gehören zum Wählersegment der Latinos, das bei der Präsidentschaftswahl eine Schlüsselrolle innehat und in Florida sehr zahlreich vertreten ist. 27 Prozent der Bewohner des Sunshine State (23 Mio. Einwohner) haben lateinamerikanische Wurzeln, in Miami, ganz im Süden Floridas, sind es sogar über 70 Prozent. Dies zeigt sich an jeder Ecke.

Wir haben in Miami nachgefragt:

Video: watson/ralph steiner, lucas zollinger

Bereits der Taxifahrer, der uns vom Flughafen ins Hotel fährt, spricht ausschliesslich Spanisch. Jede zweite Person, die ich an der Strandpromenade auf die Wahl am 5. November anspreche, winkt ab. «Mein Englisch ist viel zu schlecht, als dass ich mich mit dir über Politik unterhalten könnte, tut mir leid.»

Wie viele von Ihnen wählen gehen werden – wenn sie denn dürfen –, ist offen. Was Nachwahlbefragungen und Umfragedaten jedoch zeigen: Der Support für Kamala Harris ist «gefährlich niedrig», wie die «New York Times» schreibt.

Democratic presidential nominee Vice President Kamala Harris speaks at a campaign rally the Oakland Expo Center in Waterford Township, Mich., Friday, Oct. 18, 2024. (AP Photo/Susan Walsh)
Kamala Harri ...
Vizepräsidentin Kamala Harris ist auf die Stimmen der Latino-Wählerschaft angewiesen.Bild: keystone

Während 2016 noch 68 Prozent der Latinos die demokratische Kandidatur unterstützten, waren es vor vier Jahren bei Joe Bidens Sieg 62 Prozent. Gemäss Umfragen liegt der Wert aktuell bei nur noch 56 Prozent, Trump hingegen könne bei den Latinos seine 36 Prozent von 2020 halten.

Von Sozialisten und Wahlbetrug

Auch dank der Stimme von George. Der Latino ist in Miami Beach in der Finanzbranche tätig und überzeugter Trump-Anhänger:

«Donald Trump ist der beste Präsident, den wir hatten, seit Ronald Reagan.»

George fährt fort: «Trump weiss in Wirtschaftsfragen, was er tut.» Als er im Amt war, sei alles besser gewesen, «anders als jetzt, wo die Sozialisten das Land regieren».

George lebt in Miami Beach und ist überzeugter Anhänger von Donald Trump. Kamala Harris sei eine Sozialistin.
George ist überzeugter Trump-Wähler.bild: watson

Kamala Harris bezeichnet er als Schwindlerin, drei Viertel des Landes würden sie nicht als Präsidentin wollen. Auch das Interview bei Fox News sei eine Katastrophe gewesen. Dass Harris für ihren Auftritt bei Trumps Haussender selbst aus konservativen Kreisen positives Feedback erhielt, tut George als «Propaganda» ab.

Für die Wahl prognostiziert George einen Erdrutschsieg für Trump, «ausser sie begehen wieder Wahlbetrug, wie beim letzten Mal».

Das kommunistische Erbe

Auch wenn es bei weitem nicht die Mehrheit ist: Wieso erhält Donald Trump trotz aller despektierlicher Aussagen bei den Latinos so viel Zuspruch, während Kamala Harris um gefühlt jede Stimme kämpfen muss?

Christine liefert eine Erklärung. Die Staatskunde-Lehrerin aus Miami Beach hat lateinamerikanische Wurzeln, ihr Grossvater diente in der kubanischen Armee, er und auch ihre Mutter seien vom Kommunismus stark geprägt worden:

«Deswegen sind sie gegen alles, was mit Kommunismus oder Sozialismus zu tun hat, auch wenn Kamala Harris als Präsidentin besser für sie wäre.»

Viele Latinos pflegten dieses Denken, so Christine. Sie selbst sei als unabhängige Wählerin registriert, habe jedoch konservative Werte und in der Vergangenheit republikanisch gewählt. Das hat sich geändert: «Trump repräsentiert die echten republikanisch-konservativen Werte nicht. Er ist eine Gefahr für die Demokratie. Deswegen wähle ich nun Kamala Harris.»

Christine ist Staatskunde-Lehrerin an einer Highschool. Obwohl sie als unabhängig registriert ist und konservativ denkt, wählt sie Kamala Harris. Trump schade der Demokratie.
Staatskunde-Lehrerin Christine hat Wurzeln in Kuba.bild: watson

Die vom Kommunismus geprägte Gegenwart. Sie zeigt sich exemplarisch in Little Havana, eine halbe Autostunde westlich von Miami Beach. Im berühmten Stadtviertel, benannt nach Kubas Hauptstadt Havanna, leben zahlreiche Exilkubaner, es ist ein Zentrum für lateinamerikanische Kunst, Kultur und Geschichte.

Mehrere Denkmäler erinnern unter anderem an die Gefallenen während der kubanischen Revolution und die bei der Invasion in der Schweinebucht verstorbenen Exilkubaner.

Eines der Denkmäler in Little Havana, Miami.
Eines der Denkmäler in Little Havana, Miami.bild: watson

Kamala Harris als beste Option

Ich komme in Little Havana mit einem älteren Mann ins Gespräch, der, obwohl bereits pensioniert, an einem Stand Kokosnüsse verkauft. Er stammt ursprünglich aus Panama und ist vor 26 Jahren in die USA eingewandert.

Auch er zeigt, angesprochen auf die anstehende Präsidentschaftswahl, Anzeichen von Politikmüdigkeit:

«Viele Politiker erzählen dir alles, damit sie deine Stimme erhalten. Wenn sie an der Macht sind, vergessen sie ihre Versprechen jedoch wieder. Ich vertraue der Politik nicht.»
Dieser Rentner stammt aus Panama und lebt seit 26 Jahren in den USA. Er wählt Kamala Harris.
Trotz Skepsis wählt dieser Mann Kamala Harris.bild: watson

Von den beiden aktuellen Kandidaturen ist der Rentner nur bedingt überzeugt. Er werde jedoch Kamala Harris wählen, «sie ist meine beste Option». Der Mann bleibt allerdings skeptisch, was die Wahrscheinlichkeit betrifft, dass Harris die in seinen Augen drängendsten Probleme seiner Gemeinschaft – Gesundheit und Mietkosten – zu lösen vermag.

Die Sicherheit der Kinder

Ein paar Häuserblocks weiter treffe ich auf Jessica und ihre Familie. Sie ist die Einzige, die Englisch spricht. Auch Jessica wird ihre Stimme Kamala Harris geben:

«Ich habe Vertrauen darin, dass sie unser Land vorwärtsbringen wird. Im Gegensatz zu Donald Trump, den ich definitiv nicht unterstütze.»

Die Latina lebt mit ihrer Familie in Kalifornien, gemeinsam verbringen sie die Ferien in Florida. Ein Besuch in Little Havana gehört dazu. Jessica hat früher mit der Behörde von Kamala Harris zusammengearbeitet und leitet aktuell ein Masterprogramm an einer Universität.

Jessica lebt mit ihrer Familie in Kalifornien und ist in Florida in den Ferien. Sie hat einst mit Kamala Harris zusammengearbeitet und wird sie am 5. November wählen.
Jessica unterstützt bei dieser Wahl Kamala Harris.bild: watson

Was sind die grössten Herausforderungen der USA? Jessica antwortet sofort und erwähnt die Waffengewalt an öffentlichen Orten und in Schulen. Ihr sei die Popularität des zweiten Zusatzartikels der Verfassung bewusst, der es der Regierung untersagt, das Recht auf Waffen einzuschränken. Aber:

«Die Sicherheit unserer Kinder ist eines der wichtigsten Themen, dies wird bei der Wahl eine Rolle spielen.»

Kein Land der Nazis und Faschisten

Dann gibt es noch die, die wählen möchten, es aber nicht dürfen. Rentnerin Terrylin ist in Mississippi aufgewachsen und lebt heute auf den Amerikanischen Jungferninseln in der Karibik. Diese östlich von Puerto Rico gelegenen Inseln sind amerikanisches Territorium, jedoch kein US-Bundesstaat. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben daher kein Wahlrecht.

Terrylin würde gerne wählen, darf aber nicht. Sie lebt auf den Amerikanischen Jungferninseln und hat daher kein Wahlrecht.
Rentnerin Terrylin würde gerne wählen, darf aber nicht.bild: watson

Mit einem Lachen im Gesicht erzählt mir Terrylin zunächst, wen sie sicher nicht wählen würde: Donald Trump. Sie sei jedoch auch mit den politischen Positionen von Joe Biden und denjenigen von Kamala Harris und Tim Walz nicht vollumfänglich einverstanden. Gerade in der Aussenpolitik habe es viele sehr fragwürdige Entscheide gegeben. «Für die Zukunft unseres Landes sind Harris und Walz aber mit Sicherheit die bessere Wahl.»

Trump sei für das Präsidentenamt viel zu alt und leide unter offensichtlichen geistigen Beeinträchtigungen. Er sei ein Narzisst und kümmere sich nicht um das Wohlergehen des Landes. Die Rentnerin macht sich Sorgen:

«Wir wollen kein Land, in dem Nazis leben. Wir wollen auch kein Land, in dem Faschisten leben. Wir wollen eine echte Demokratie.»

Terrylin appelliert an die Bürger der USA, wieder vermehrt eigenständig und kritisch zu denken, öfters zu einem Buch zu greifen, anderen Menschen zuzuhören. Dann könne es mit den Vereinigten Staaten gut kommen.

Die Gespräche mit der lateinamerikanischen Community zeigen vor allem eines: Viele Menschen sind frustriert, haben genug von der Art und Weise, wie in den USA derzeit Wahlkampf gemacht wird, und das Vertrauen in die Politik verloren. Zahlreiche weitere Personen haben sehr kritische Aussagen getätigt, wollen aber in diesem Artikel nicht genannt werden. Oder haben sogleich abgeblockt, als ich sagte, dass es um die Präsidentschaftswahl geht.

Ob sich an diesem Zustand nach dem 5. November etwas ändert, ist – unabhängig vom Wahlausgang – fraglich.

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215 Kommentare
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Glücklich
20.10.2024 07:28registriert August 2022
‚Donald Trump ist der beste Präsident, den wir hatten, seit Ronald Reagan.‘

Frage mich, auf welche Leistung er diese Aussage bezieht?

Innenpolitisch?
Gesundheitspolitik:
2019, Abschaffung Versicherungsobligatorium
Corona-Krise - Totalversagen

Migrationspolitik:
Mauer zum Teil bauen und gut ist? Tatsächlich deutliche Gewalt Zunahme

Aussenpolitik?
Er hat die Verbündeten allesamt verprellt, drohte mit dem Austritt aus der Nato, griff die EU in ihrer Einheit an
America First

Wirtschaft?
Handelskriege anzetteln
Deregulierung, auf Kosten Umwelt

usw..

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Nick Name
20.10.2024 07:41registriert Juli 2014
... zeigt leider exemplarisch, wie viel erreicht werden kann, wenn man einfach irgendwas überzeugt behauptet und das am besten immer wieder wiederholt … Traurige Sache.

Und bei den Jungferninseln hab ich gestutzt: «(…) amerikanisches Territorium, jedoch kein US-Bundesstaat. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben daher kein Wahlrecht.» Also Land, das US-Staatsterritorium ist, aber die dort lebenden Menschen dürfen nicht wählen?! Was ist denn das für eine Demokratie?
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Skunk42
20.10.2024 07:35registriert Februar 2022
Also entweder gewinnt Trump oder ein grosser Teil der Latinos meint die Wahl ist manipuliert.
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