Wieder einmal sei daran erinnert, dass Ökonomen sich selten einig sind. Zwei Ökonomen hätten drei Meinungen, lautet ein geläufiges Bonmot. Ebenfalls sei erwähnt, dass das «Wall Street Journal» eine konservative Wirtschaftszeitung ist, die NZZ der Amerikaner, gewissermassen. Daher ist es bemerkenswert, wenn ausgerechnet das «Wall Street Journal» die Resultate einer Umfrage veröffentlicht, in denen eine deutliche Mehrheit der Volkswirte vor einer zweiten Amtszeit von Donald Trump warnt.
Das «Wall Street Journal» hat in der Zeitspanne zwischen dem 4. und 8. Oktober 50 Ökonomen befragt und wollte wissen, was für Auswirkungen der Ausgang der Wahlen vom 5. November für die amerikanische Wirtschaft haben wird. Das Resultat ist glasklar:
Wie ist dieses Resultat zu erklären? Der Hauptgrund liegt in Trumps Obsession mit Strafzöllen. Immer wieder bezeichnet er sich stolz als «Taxman». Vor dem Economic Club of Chicago erklärte er kürzlich gar: «Für mich sind Zölle das schönste Wort im gesamten Wörterbuch.» Beim gleichen Anlass bewies er im Interview mit John Micklethwait, dem Chefredaktor von Bloomberg, auch, dass er das Konzept der Strafzölle bis heute noch nicht gerafft hat.
Damit das uns nicht ebenso geht, wenden wir uns an Paul Krugman. Dieser hat wegen seiner Arbeiten über die Auswirkungen des internationalen Handels den Nobelpreis erhalten. In seiner Kolumne in der «New York Times» erklärt er, worum es geht.
Historisch gesehen haben die USA bis ins 20. Jahrhundert Strafzölle dazu benutzt, ihre junge Wirtschaft vor der Konkurrenz, hauptsächlich vor der britischen, zu schützen. In den Dreissigerjahren begann der damalige Präsident Franklin Roosevelt, die Zollschranken allmählich abzubauen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Zusammenhang mit dem Abkommen von Bretton Woods nicht nur der Internationale Währungsfonds und die Weltbank gegründet, sondern auch das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) beschlossen. Im Rahmen dieses Abkommens wurden die Zölle rund um den Globus sukzessive abgebaut. 1995 ging das GATT in der Welthandelsorganisation WTO auf.
Der Abbau von Zollschranken war und ist ein zentrales Element der Globalisierung. Ohne die negativen Folgen dieser Entwicklung unter den Tisch wischen zu wollen, muss doch festgehalten werden, dass die Bilanz dieser Entwicklung extrem positiv ist, denn ohne diesen Abbau wäre der Wohlstand vieler Länder im 21. Jahrhundert nicht denkbar, und der Segen ist nicht nur den westlichen Industriegesellschaften zugutegekommen. In Asien konnten deswegen mehr als 400 Millionen Menschen der bittersten Armut entkommen.
Trump will jedoch das Strafzoll-Rad zurückdrehen. Sollte er wieder ins Weisse Haus einziehen, verspricht er, am ersten Tag einen allgemeinen Strafzoll in der Höhe von 10 Prozent zu erlassen. Manchmal sind es auch 20 Prozent, und für die Chinesen dürfen es auch 60 Prozent sein. Sollte dieses Szenario tatsächlich eintreffen, befürchtet Philip Marey, Chefökonom der Rabobank, das Schlimmste: «Sollten die Zölle so funktionieren, wie wir Ökonomen denken, dass sie es tun, dann müssen die Menschen mit einer hässlichen Überraschung rechnen.»
Strafzölle wirken gemäss der Lehre der Volkswirtschaft wie eine Mehrwertsteuer. Will heissen: Letztendlich werden sie auf den Konsumenten überwälzt. Nicht die Produzenten aus China, Deutschland oder auch der Schweiz müssen sie bezahlen, sondern der amerikanische Konsument. Das trifft nicht nur für fertige Produkte zu, sondern auch für einzelne Bestandteile, die in die USA eingeführt und dort endmontiert werden.
Dazu kommt, dass auch die einheimischen Produzenten die Gelegenheit beim Schopf packen und ihre Preise ebenfalls erhöhen werden. Mit einer über den Daumen gepeilten Rechnung kommt Krugman daher zum Schluss, dass die Trump’schen Strafzölle die durchschnittliche amerikanische Familie – vor allem der unteren Mittelschicht – jährlich rund 3200 Dollar kosten dürften.
Trump verspricht im Gegenzug, dass dank seiner Strafzölle noch mehr gut bezahlte Jobs in den USA entstehen würden. Auch dieses Versprechen steht auf wackligen Füssen, denn Strafzölle würden einen deutlich stärkeren Dollar zur Folge haben und damit die amerikanischen Exporte behindern. Das Resultat wäre gemäss Krugman paradox:
Wie gesagt, Trump wird diese ökonomischen Zusammenhänge in diesem Leben nicht mehr begreifen. Sollte er aber Präsident werden, kann er diese Voodoo-Ökonomie trotzdem umsetzen, denn in dieser Frage besitzt der Präsident eine fast uneingeschränkte Machtfülle.
Die von Trump geplanten Strafzölle sind nicht nur absurd, sie sind auch völlig unnötig. Alle bedeutenden Wirtschaftspublikationen dieser Welt haben mittlerweile längere Analysen veröffentlicht, die zeigen, dass sich die amerikanische Wirtschaft am besten von der Pandemie erholt hat und derzeit brummt wie einst im Mai.
In seiner jüngsten Ausgabe bekräftigt der «Economist» diesen Befund einmal mehr und zählt dabei folgende Fakten auf:
Für den «Economist» gibt es auch keine vernünftigen Gründe, weshalb sich das in absehbarer Zukunft ändern sollte. «Und was ist mit den Staatsschulden?», höre ich die notorischen Bedenkenträger bereits jammern. Wir müssen nicht einmal die Thesen der New Monetary Economics bemühen, um Entwarnung zu geben. Der «Economist» erledigt das für uns, und zwar wie folgt: