Auslöser für die Ausschreitungen in Schweden waren geplante Aktionen des schwedisch-dänischen Anwalts Rasmus Paludan. An mehreren Kundgebungen in Südschweden plante er, den Koran zu verbrennen. Der rechtsextreme Politiker will damit beweisen, dass die muslimische Gesellschaft inkompatibel mit dem westlichen Lebensstil ist.
Ähnliche Provokationen führte Paludan bereits in Dänemark durch. Im Jahr 2019 versuchte er so für seine islamfeindliche Partei «Stram Kurs» Stimmen zu gewinnen. Die Koran-Verbrennungen in Dänemark brachten Paludan zwar viel Aufmerksamkeit ein. Aber den Einzug ins dänische Parlament schaffte seine Partei mit 1,8 Prozent Stimmenanteil nicht.
In Dänemark ist Paludan wegen Rassismus verurteilt worden. Er behauptete etwa, dass Menschen aus Afrika weniger intelligent seien. In einem Video aus dem Jahr 2018 sagte er: «Der Feind ist der Islam und die Muslime. Das Beste wäre, wenn es keinen einzigen Muslim mehr auf dieser Erde gäbe. Dann hätten wir unser endgültiges Ziel erreicht.»
Nachdem der 40-Jährige den Einzug ins dänische Parlament verpasst hat, will er nun in Schweden Fuss fassen. Dort finden im September die Parlamentswahlen statt. Über das Osterwochenende plante er in mehreren schwedischen Städten Koran-Verbrennungen.
Der Startschuss fiel am Donnerstag in der Stadt Linköping. Paludan erhielt dort die Erlaubnis, einen Koran zu verbrennen. Zur Verbrennung kam es jedoch nie, stattdessen gab es erstmals Krawalle.
Am Freitag reiste Paludan nach Rinkeby, ein Einwandererviertel am Rande Stockholms. Dort warf er gemäss der schwedischen Tageszeitung «Dagens Nyheter» den Koran auf den Boden und zündete ihn an. Die Polizei beschützte Paludan vor aufgebrachten Gegendemonstranten.
Der 40-Jährige erhielt für mehrere Städte die polizeiliche Genehmigung, seine Aktionen durchzuführen, wie die schwedische Zeitung aftonbladet.se schreibt. Dazu gehören Linköping, Jönköping, Norrköpping, Malmö, Örebro und Stockholm.
Paludan führte jedoch nicht alle Aktionen wie geplant durch. Per Facebook liess er mitteilen, dass er seine Kundgebungen für Sonntag streiche. Die schwedischen Behörden seien «völlig unfähig, sich selbst und mich zu schützen.» Dennoch ist am Dienstag in den schwedischen Medien zu lesen, dass Paludan weitere Koran-Verbrennungen plant.
Die Aktionen Paludans lösten eine Welle der Gewalt aus. Am Montagmorgen teilte die Polizei mit, dass mindestens 26 Polizisten und 14 Beteiligte verletzt worden seien. Drei Menschen zogen sich Schussverletzungen zu, weil sich die Polizei nach eigenen Angaben mit Schüssen verteidigen musste.
Nachfolgend eine Übersicht zu den Ausschreitungen:
🚨 Riots in #Linkoping, Sweden pic.twitter.com/xR9TwbiLWC
— Breaking News 24/7 (@Worldsource24) April 14, 2022
Am Montagmorgen gab die schwedische Polizei an einer Pressekonferenz eine Einschätzung ab. Reichspolizeichef Anders Thornberg verurteilte die Krawalle und sagte: «Wir vermuten, dass die Beteiligten Verbindungen zu kriminellen Netzwerken haben.»
Thornberg meinte, es bestehe der dringende Verdacht, dass kriminelle Banden, die auch mit schwerer Waffengewalt in Verbindung gebracht werden, hinter den Ausschreitungen und der Gewalt an der Polizei stünden. «Hier geht es nicht darum, dass Menschen demonstrieren, weil sie ihrer Meinung Gehör verschaffen wollen», so Thornberg. «Das hat nichts mit Protesten zu tun, sondern ist ein unhaltbarer Angriff auf unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie.»
Die Polizei habe schon lange gesagt, dass die Kriminalitätslage in Schweden ernst sei, so der Reichspolizeichef. «Was wir in den vergangenen Tagen gesehen haben, sind ernste Symptome eines grösseren Problems in Schweden.»
Der Kommandochef der Polizei, Jonas Hysing, sagte: «Sehr viel deutet darauf hin, dass die Polizei die Zielscheibe war.» Hysing meinte, dass die Aufstände möglicherweise aus dem Ausland angestachelt wurden. «Wir wissen, dass es Informationen über die Aufstachelung zur Gewalt gegen die Polizei in den sozialen Medien gibt, die im Ausland inszeniert werden.»
Morgan Johansson, der schwedische Justizminister, verurteilte die Krawalle ebenfalls. Die Gewalttäter müssten bestraft werden. Gegenüber aftonbladet.se sagte er: «Natürlich ist dieser Rasmus Paludan ein rechtsextremer Dummkopf, dessen einziges Ziel es ist, Gewalt und Spaltungen voranzutreiben. Aber Schweden ist eine Demokratie und in einer Demokratie haben auch Narren Redefreiheit. Das muss man akzeptieren, das gehört zum Leben in einer Demokratie dazu.»
Die Koran-Verbrennungen sorgten über Schweden hinaus für Aufsehen. Mehrere Staaten mit hauptsächlich muslimischer Bevölkerung verurteilten die Provokationen Paludans. Kritisiert wurde aber auch Schweden, das die Verbrennungen genehmigte.
Das Königshaus von Saudi-Arabien bezeichnete die Aktionen als «Provokationen und Aufwiegelung gegen Muslime durch einige Extremisten in Schweden». Es sei wichtig, «gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um die Werte des Dialogs, der Toleranz und des Zusammenlebens zu verbreiten, Hass, Extremismus und Ausgrenzung abzulehnen und den Missbrauch aller Religionen und Heiligtümer zu verhindern.»
Das türkische Aussenministerium verurteilte «die bösartigen Angriffe auf unser heiliges Buch». «Es wird immer noch gezögert, islamfeindliche und rassistische Provokationen zu verhindern. Unter dem Deckmantel der freien Meinungsäusserung werden offen und öffentlich begangene Hassverbrechen toleriert.»
Die irakische Regierung rief die schwedischen Behörden dazu auf, die «provokativen» Aktionen zu unterbinden. «Diese Angelegenheit hat ernste Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Schweden und den Muslimen im Allgemeinen.»
Das iranische Aussenmisterium verurteilte die Aktionen ebenfalls aufs Schärfste. Es handle sich um «die absichtliche Wiederholung von islamfeindlichen blasphemischen Handlungen im heiligen Monat Ramadan, die die Sensibilität der Muslime in Schweden und in der ganzen Welt verletzen». Der Sprecher des Aussenministeriums, Saeed Khatibzadeh, forderte von Stockholm «sofortige, strenge und eindeutige Massnahmen gegen den Täter sowie praktische Massnahmen zur Verhinderung solcher Vorfälle.»