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Israel greift syrischen Generalstab an – Live-Sendung unterbrochen

US-Aussenminister weckt Hoffnung auf Ende der Gewalt in Syrien

16.07.2025, 11:3016.07.2025, 21:45
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Israels Armee hat eigenen Angaben nach den Eingang zum Militärhauptquartier der syrischen Führung im Raum Damaskus angegriffen.

Verteidigungsminister Israel Katz veröffentlichte auf der Social-Media-Plattform X ein Video, das zeigt, wie eine syrische Fernsehsendung direkt von einem israelischen Angriff in der Nähe unterbrochen wird. Katz kommentierte das Video mit:

«Die schmerzhaften Schläge haben begonnen.»

Hochrangige Ziele bombardiert

Das israelische Militär hat in der Nähe des syrischen Präsidentenpalastes in Damaskus angegriffen. In der Umgebung des Gebäudes habe es ein «militärisches Ziel» gegeben, sagte ein israelischer Militärvertreter, nannte aber keine Details.

Der regierungsnahe Fernsehsender Syria TV berichtete, Kampfflugzeuge hätten den Angriff ausgeführt. Das Gebäude in der syrischen Hauptstadt ist der offizielle Sitz von Präsident Ahmed al-Scharaa.

Fast zeitgleich bombardierte Israels Armee das Gelände, auf dem das Verteidigungsministerium und das militärische Hauptquartier Syriens liegen. Israel bestätigte dort einen Luftangriff – kurz darauf kam es zu weiteren schweren Explosionen.

Die syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete, bei den israelischen Angriffen in Damaskus seien 13 Menschen verletzt worden.

Wo al-Scharaa, die syrischen Minister und weitere ranghohe Regierungsmitglieder sich zum Zeitpunkt der Angriffe aufhielten, ist unklar. Die im Ausland ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, über ihren Zustand sei nichts bekannt. Syrische Medien berichteten, dass bald eine öffentliche Stellungnahme al-Scharaas geplant sei.

Die Beobachtungsstelle bestätigte, dass Israel mehrere Ziele in Damaskus angegriffen habe und sich dabei auf «Kommandozentren» konzentriere.

Das israelische Militär setzte den Angriff in Zusammenhang mit den Ereignissen in Südsyrien: Man beobachte das Vorgehen der Führung des Nachbarlandes gegen drusische Zivilisten in der Region, hiess es.

Israel will die religiöse Minderheit eigenen Angaben zufolge angesichts des Gewaltausbruchs im Süden des Nachbarlandes unterstützen. Viele Drusen dienen in Israel freiwillig in der Armee – der jüdische Staat sieht sie als Verbündete.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, Angehörige der drusischen Minderheit seien durch Regierungstruppen und die mit ihnen verbündeten Kämpfer hingerichtet worden.

Verteidigungsminister droht Damaskus

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz drohte auf der Social-Media-Plattform X der syrischen Übergangsregierung.

«Die Warnsignale in Damaskus sind vorbei – jetzt werden schmerzhafte Schläge folgen.»
Israel Katz

Die israelischen Streitkräfte würden in Suwaida mit voller Kraft weiter operieren, um die Kräfte, die die Drusen angegriffen haben, «bis zu ihrem vollständigen Rückzug zu vernichten». Er wandte sich ausserdem an die Drusen in Israel:

«Unsere drusischen Brüder in Israel – ihr könnt euch auf die IDF verlassen, dass sie eure Brüder in Syrien schützen. Premierminister Netanjahu und ich als Verteidigungsminister haben dieses Versprechen gegeben – und wir werden es halten.»

Türkei verurteilt israelischen Angriff auf Damaskus

Israels Angriffe auf Damaskus untergraben aus Sicht der Türkei die Friedensbemühungen in dem ehemaligen Bürgerkriegsland Syrien. Sie stellten einen «Sabotageakt gegen die Bemühungen Syriens um Frieden, Stabilität und Sicherheit dar», teilte das Aussenministerium in Ankara mit.

Das syrische Volk habe eine historische Chance auf Frieden, alle Beteiligten müssten die Bemühungen der syrischen Regierung dahingehend unterstützen.

Die Türkei unterhält enge Beziehungen zur syrischen Übergangsregierung unter Präsident Ahmed al-Scharaa.

FILE - Turkish President Recep Tayyip Erdogan, right, shakes hands with Syria's interim President Ahmad al-Sharaa during a joint press conference following their meeting at the presidential palac ...
Verbündete: Syriens Übergangspräsident und der türkische Präsident.Bild: keystone

US-Aussenminister weckt Hoffnung auf Ende der Gewalt in Syrien

US-Aussenminister Marco Rubio hat sich nach den israelischen Angriffen auf die syrische Hauptstadt Damaskus besorgt gezeigt - allerdings auch Hoffnung auf eine baldige Deeskalation geäussert. «Wir wollen, dass die Kämpfe aufhören», sagte Rubio zunächst in Washington. Er betonte dabei, dass die USA «sehr besorgt» seien.

US-Aussenminister Marco Rubio stellt inzwischen ein baldiges Ende der Gewalt im Süden Syriens in Aussicht. Die USA hätten mit allen an den «Zusammenstössen» in Syrien beteiligten Parteien gesprochen, schrieb er auf der Plattform X. Man habe sich auf «konkrete Schritte geeinigt, die dieser beunruhigenden und entsetzlichen Situation» später am Mittwochabend ein Ende setzen sollten. Alle Parteien müssten dazu die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen einhalten. Das erwarteten die USA von ihnen, mahnte er. Mehr Details dazu nannte er nicht.

EU-Ratspräsident ruft zu Deeskalation auf

EU-Ratspräsident António Costa hat angesichts der Angriffe Israels auf die syrische Hauptstadt Damaskus äusserste Besorgnis bekundet. «Die Souveränität und territoriale Integrität Syriens müssen respektiert werden», schrieb Costa bei X.

«Ich rufe alle Parteien auf, auf Gewalt zu verzichten und zu deeskalieren.»

Verwirrung um angebliche Waffenruhe in Syrien

In Syrien gibt es weiter Bemühungen um eine Waffenruhe. Aus dem Innenministerium in der Hauptstadt Damaskus hiess es, die Konfliktparteien in Suwaida hätten sich auf eine Waffenruhe und die Errichtung von Kontrollpunkten in dem Ort geeinigt. Zugleich herrschte aber Verwirrung, ob die Waffenruhe zwischen drusischen Milizen, sunnitischen Beduinen und Regierungstruppen tatsächlich von allen Seiten akzeptiert wurde.

Aus der drusischen Führung gab es dazu widersprüchliche Angaben. Einer ihrer geistlichen Führer, Jusuf al-Dscharbu, veröffentlichte die Bedingungen der Waffenruhe. Demnach soll Suwaida voll in die Strukturen des syrischen Staats integriert werden und Damaskus Kontrolle über die gesamte Provinz erhalten. Auch Institutionen der Regierung und öffentliche Dienste sollen demnach wiederhergestellt werden. Die Regierungstruppen sollen sich zurückziehen und die Schnellstrasse nach Damaskus wieder geöffnet werden

Gleichzeitig widersprach der geistliche Drusenführer Hikmat al-Hidschri, der laut Berichten Israel nahesteht, dass solch eine Waffenruhe vereinbart worden sei. Er rief Kämpfer dazu auf, weiterhin Widerstand gegen «kriminelle Gangs» zu leisten, die in Suwaida Tod und Zerstörung anrichteten. Suwaida müsse «bedingungslos» von diesen Kräften befreit werden. Es gebe keine Verhandlungen und auch keine Einigung mit «bewaffneten Gangs, die sich selbst als Regierung bezeichnen».

Gewalt gegen Drusen

Trotz einer vorübergehenden Waffenruhe im südlichen Syrien kommt es dort weiter zu tödlicher Gewalt. Bei Kämpfen und durch Hinrichtungen in der Provinz Suwaida seien laut der Beobachtungsstelle seit Dienstag rund 150 Menschen getötet worden.

Damit seien seit Sonntag insgesamt mehr als 250 Menschen ums Leben gekommen, teilte die im Ausland ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.

Darunter seien rund 130 Angehörige der Truppen und anderer Sicherheitskräfte der Regierung in Damaskus und etwa 20 sunnitische Beduinen. Zudem seien rund 70 Anwohner der mehrheitlich von Drusen bewohnten Provinz getötet worden.

Truppen der Armee antworten weiterhin auf Beschuss im Ort Suwaida, teilte das Verteidigungsministerium in Damaskus mit. Ihr Ziel sei, Anwohner zu beschützen und eine sichere Rückkehr für diejenigen zu ermöglichen, die ihre Heimat wegen der tagelangen Gewalt verliessen. Zivilisten wurden aufgerufen, in ihren Häusern zu bleiben. Unter den Opfern sind der Beobachtungsstelle zufolge auch Frauen und Kinder.

A convoy of government forces drives toward Sweida city where clashes erupted between government troops and Druze militias as it passes through Mazraa village in southern Syria, Tuesday, July 15, 2025 ...
Regierungstruppen auf dem Weg nach Suwaida.Bild: keystone

Berichte von «Schnell-Hinrichtungen»

Die Opferzahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Angaben der Beobachtungsstelle mit Sitz in London, die den Konflikt in Syrien mit einem Netz aus Informanten verfolgt, gelten aber als in der Regel verlässlich. Das syrische Innenministerium berichtete am Montag zunächst von 30 Toten.

Die Beobachtungsstelle berichtete von «Schnell-Hinrichtungen» durch die Regierungstruppen und die mit ihnen verbündeten Kämpfer. Die Truppen hätten in mehreren Dörfern der Provinz Eigentum zerstört, gestohlen und Feuer gelegt. Aus Angst vor Beschuss und Diebstahl hätten die meisten Ladenbesitzer ihre Geschäfte geschlossen. Weil Strassen gesperrt seien, gebe es ernsthafte Sorgen über eine Knappheit an Lebensmitteln und auch Medikamenten.

Drusen überqueren Grenze

Angehörige der religiösen Minderheit der Drusen aus Israel haben die Grenze zu Syrien überquert, um andere Drusen nach dem Gewaltausbruch im Nachbarland zu unterstützen.

Zugleich gibt es Berichte, dass Drusen aus Syrien versuchen, nach Israel zu gelangen, um dort Schutz zu suchen. Laut der israelischen Zeitung «Haaretz» versucht Israels Militär, Hunderte Durchbrüche auf beiden Seiten der Grenze zu verhindern. Die Armee teilte mit, mehreren Zivilisten aus Israel sei der Grenzübertritt nach Syrien in der Gegend der Stadt Madschdal Schams, die in den von Israel annektierten Golanhöhen liegt, gelungen.

Das israelische Militär versucht eigenen Angaben nach, die Menschen sicher nach Israel zurückzubringen. Es handle sich bei dem Grenzübertritt um eine Straftat, die die Soldaten sowie die Öffentlichkeit gefährde. Bereits am Dienstag hatten Dutzende Drusen aus Israel die Grenze zu Syrien überquert. Das israelische Militär brachte sie Berichten zufolge zurück.

Israels Armee teilte ausserdem mit, «Dutzende Verdächtige» hätten zugleich versucht, aus dem Gebiet des Orts Hader in Syrien auf israelisch kontrolliertes Gebiet zu gelangen. Von der Syrischen Beobachtungsstelle mit Sitz in Grossbritannien erfuhr die Deutschen Presse-Agentur, sie habe Informationen darüber, dass es sich um syrische Drusen handle, die in Israel Schutz suchen wollten. Hader liegt nur wenige Kilometer Luftlinie von Madschdal Schams entfernt.

Premierminister Benjamin Netanjahu wandte sich mit einer Videobotschaft an Israels Drusen:

«Meine drusischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Lage in Suwaida, die Lage im Südwesten Syriens, ist sehr ernst. Die IDF handeln, die Luftwaffe handelt, auch andere Kräfte sind im Einsatz. Wir handeln, um unsere drusischen Brüder zu retten und um die Banden des Regimes zu zerschlagen.

Und jetzt habe ich eine Bitte an euch: Ihr seid israelische Staatsbürger. Überschreitet nicht die Grenze. Ihr setzt euer Leben aufs Spiel. Ihr könnt ermordet oder entführt werden, und ihr behindert die Bemühungen der IDF. Darum bitte ich euch: Kehrt nach Hause zurück und lasst die IDF handeln.»

In einer offiziellen Erklärung der Gemeinde der religiösen Minderheit in Israel hiess es, alle Drusen sollten sich auf einen Grenzübertritt vorbereiten, um ihren «ermordeten Brüdern in Syrien zu helfen». Anführer der Drusen riefen zudem zu einem Generalstreik und einem Marsch auf die von Israel annektierten und an Südsyrien grenzenden Golanhöhen auf. Die Drusen in Israel machen Druck auf die dortige Führung, in den Konflikt im Nachbarland einzugreifen.

Familien flüchten in benachbarte Dörfer

Viele Menschen flüchteten aus der Gegend, um sich in Sicherheit zu bringen. Im Internet verbreitete Fotos und Videos zeigten Familien, die Suwaida in Richtung benachbarter Dörfer verliessen.

Angriffe sunnitischer Beduinen auf Angehörige der drusischen Minderheit waren am Sonntag ausgebrochen. Die Regierung in Damaskus schickte Truppen nach Suwaida im Versuch, im Land wie versprochen für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. In vergangenen Monaten kam es im Land mehrfach zu konfessionell motivierter Gewalt.

epa12240586 A vehicle ablaze amid ongoing clashes in the southern city of Sweida, 16 July 2025. Damascus deployed troops in the predominantly Druze province of Sweida after clashes between Druze fight ...
Die Gefechte in Suwaida gehen auch am Mittwoch weiter.Bild: keystone

Israel solidarisiert sich mit Drusen

Das Nachbarland Israel, das sich dem Schutz der Drusen verpflichtet fühlt, griff erneut Ziele in Syrien an. «Das syrische Regime muss die Drusen in Suwaida in Ruhe lassen und seine Truppen abziehen», teilte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz mit. Sein Land werde die Drusen «nicht im Stich lassen». Israels Militär werde seine Angriffe auf die syrischen Truppen noch verstärken, «wenn die Botschaft nicht ankommt».

Am Dienstag hatte sich die Lage nach Verkündung einer Waffenruhe zeitweise beruhigt. Syriens Verteidigungsminister Marhaf Abu Kasra sprach von einer «vollständigen Waffenruhe nach einer Einigung mit den Würdenträgern». Nach dem angekündigten Abzug der Regierungstruppen kam es aber zu neuer Gewalt und die Kämpfe dauerten auch heute an.

(rbu/hkl) mit Material von sda und dpa

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119 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kommissar Rizzo
16.07.2025 13:27registriert Mai 2021
*Bei Kämpfen und durch Hinrichtungen*

Ach so, dann sind die Schlächter von gestern doch nicht die Friedensengel von heute - trotz Anzugs und Krawatte. Wer hätte es gedacht...
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Kanzo
16.07.2025 12:15registriert Mai 2022
Die Drusen in Israel haben für die Unterstützung der Drusen in Syrien demonstriert und haben verkündet, dass sie selbst nach Syrien hineingehen, falls zu wenig Maßnahmen seitens Israel getroffen werden. Meine Frage ist, ob diese Geschehnisse von der fragwürdigen Regierung Syriens kommen oder ein dortiger Befehlshaber es eigenständig beschlossen hat.
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Mulumbi
16.07.2025 14:05registriert April 2024
Die Drusen Syriens müssen vor diesen islamistischen Schlächtern beschützt werden! Und sie sehen wie gut ihre Glaubensbrüder und Schwestern in Israel leben können.
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Syriens Präsident verurteilt Israels Angriffe auf Damaskus
Der syrische Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hat die israelischen Luftangriffe auf Damaskus scharf verurteilt. Israel versuche, sein Land in einen Krieg hineinzuziehen, sagte al-Scharaa in einer am Morgen übertragenen Ansprache an seine Landsleute.
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