«Deutschland ausspioniert – Vertrauen verspielt?» hatte Maybrit Illner ihre Sendung zum sogenannten Taurus-Leck überschrieben, also dem russischen Lauschangriff auf eine vertrauliche Schaltkonferenz von vier Bundeswehr-Offizieren.
Darin war es um Einsatzszenarien für den Marschflugkörper gegangen, den die Ukraine sich seit langem wünscht, Kanzler Olaf Scholz aber nicht liefern will. Weil ein General sich von einem Hotel in Singapur über eine nicht sichere Datenleitung in das Gespräch eingewählt hatte, konnte die Unterredung abgehört werden.
«Wirklich Neues gab es nicht», ordnete zunächst der Militärexperte Carlo Masala den Inhalt des 38-minütigen von Russland veröffentlichten Mitschnitts ein. Bis auf «ein paar technische Details» sei nichts gesagt worden, «was man nicht schon wusste».
Das Bekannte sei aber eben von «autoritativen Sprechern» geäussert worden, was ein anderes Gewicht habe als etwa Presseberichte. Er sprach von einem «Glücksfall» für die Abhörer und von einem «Zufallsfund».
So einfach wollte Roderich Kiesewetter den Vorfall nicht abtun. Nicht Pech, sondern eine «grundsätzliche Laxheit» sei für die Panne verantwortlich, so der CDU-Aussenpolitiker. Er forderte ein «anderes Sicherheitsverständnis».
Mit der Veröffentlichung habe Russland am Tag der Beisetzung des Kremlkritikers Alexej Nawalny zum einen ablenken und zum anderen Misstrauen zwischen Deutschland und seinen Nachbarstaaten säen wollen, was zunächst auch gelungen sei.
Die Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung vermutete, dass Wladimir Putin vor allem «die deutsche Öffentlichkeit» habe erreichen wollen, um die kontroverse Debatte über Taurus-Lieferungen weiter anzuheizen.
Um die jüngsten, von Berlin abgelehnten Bodentruppen-Vorstösse des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu deuten, war der deutsch-französische Publizist und ehemalige Grünen-Spitzenpolitiker Daniel Cohn-Bendit zugeschaltet.
Ob der Aufruf, «nicht feige zu sein», auf Olaf Scholz gemünzt gewesen sei, wollte die Moderatorin von dem langjährigen grünen EU-Abgeordneten wissen – aber der interpretierte Macrons neue Härte eher als selbstkritische Abkehr von seiner einstigen Warnung, Russland nicht zu demütigen. Während Cohn-Bendit leidenschaftlich für eine Taurus-Lieferung warb, kam dem einstigen Scholz-Kritiker Kevin Kühnert die Rolle des Kanzler-Verteidigers zu.
.@danycohnbendit : Der ganze Nachschub, den die Russen brauchen für eine Offensive, kommt von der #Krim und kommt aus #Russland durch diese Brücke. Der #Taurus wäre bis jetzt bekannt die beste Waffe für die #Ukraine diese Brücke anzugreifen. #illner
— maybrit illner (@maybritillner) March 7, 2024
Der SPD-Generalsekretär verwies darauf, dass Deutschland zweitgrösster Ukraine-Unterstützer sei. Er widersprach der Einschätzung, Scholz habe mit seinen Äusserungen zur Zielsteuerung der Marschflugkörper, die Deutschland nicht so machen könne wie Briten und Franzosen, Alliierte desavouiert. Der Kanzler habe vielmehr seine Argumente dargelegt, was vielfach gefordert worden sei. «Wir machen den Flurschaden gerade grösser, als er ist», sagte Kühnert mit Blick auf den gestrigen betont harmonischen Besuch des britischen Aussenministers David Cameron in Berlin.
Verständnis für die «Irritationen» äusserte dagegen Carlo Masala, der zudem der Kanzler-Argumentation widersprach, die Taurus seien nur mit Beteiligung deutscher Soldaten einsetzbar. Er beklagte «innereuropäische Kämpfe» und «ein katastrophales Bild der Unentschlossenheit und Divergenz».
Gar «ein Desaster» nannte Roderich Kiesewetter die Kommunikation des Kanzlers. Sie zeige, dass er kein Vertrauen in die Ukraine habe, und führe dazu, dass Russland sich «zurücklehnen» könne. Als er dem Regierungschef Führungsschwäche und «unterlassene Hilfeleistung» vorwarf, kam es zum heftigen Schlagabtausch mit Kühnert.
.@CarloMasala1: Man kann die #Taurus auch einsetzen, ohne das deutsche Soldaten involviert sind und das geht aus den #Leaks hervor und da sollte man glaub ich der Expertise der Luftwaffe, die über dieses Wirksystem verfügt, vertrauen. #illner
— maybrit illner (@maybritillner) March 7, 2024
Gleich zweimal verwies der SPD-General auf den Amtseid des Kanzlers, der ihn verpflichtet, Schaden vom deutschen Volk zu wenden. Bei der «Folgenabschätzung» einer Taurus-Lieferung sei Olaf Scholz eben zu seiner ablehnenden Entscheidung gekommen. Und dann brach es regelrecht aus Kühnert heraus: «Dafür kann man ihn kritisieren, man kann es anders sehen, man kann dazu aufrufen, ihn nicht noch mal zu wählen, wenn man das falsch findet – aber man sollte respektieren, dass der Bundeskanzler im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz und in der Verantwortung, in der er steht, eine Entscheidung getroffen hat. Punkt.»