An diesem Samstag setzt der anglikanische Erzbischof von Canterbury in Londons Westminster Abbey dem 74-Jährigen Charles III. und seiner ein Jahr älteren Gattin Camilla die Kronen auf. Acht Monate nach dem Tod von Queen Elizabeth II. bietet die Monarchie den Menschen im Land und rund um den Globus wieder einen prunkvollen Anlass, die Briten haben zudem am Montag arbeitsfrei. Die Themen rund ums Feier-Wochenende:
Wie bei solchen Gelegenheiten üblich, gibt es ein Stelldichein für Führungspersonen aus aller Welt. Weil US-Präsident Joe Biden keine Lust auf die anstrengende Reise hatte, lässt er sich von seiner Frau Jill vertreten. Deshalb wird Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das wichtigste regierende Staatsoberhaupt in der Abbey sein. Aus der Schweiz reist Bundespräsident Alain Berset hin.
Abstand von der bisherigen royalen Etikette, wonach gekrönte Häupter solchen Anlässen fernbleiben, nehmen eine Reihe benachbarter Monarchen. Willem-Alexander der Niederlande bringt nicht nur Frau und Thronprinzessin, sondern auch seine Mutter, Ex-Königin Beatrix, mit. Angesagt haben sich auch die Könige von Norwegen, Schweden und Spanien.
Wenig anfangen mit der Monarchie kann Charles' jüngerer Sohn Harry, weshalb vorab wochenlang über seine Teilnahme spekuliert wurde. Dann hiess es aus Kalifornien: Er kommt! Und lässt seine auf der Insel überwiegend ungeliebte Gattin Meghan zu Hause, zumal der gemeinsame Sohn Archie an diesem Samstag seinen vierten Geburtstag feiert.
Charles selbst mit 55 Prozent, sein Thronfolger William sowie dessen Frau Kate mit um die 60 Prozent geniessen Zustimmungsraten, von denen britische Politiker seit Jahren nur träumen können. Der langfristige Trend hingegen wird im Palast mit einiger Sorge beobachtet. Das Sozialforschungsinstitut NatCen fragt seit 40 Jahren nach der Einstellung der Briten zum Königshaus. 1983 fanden fast zwei Drittel die Institution «sehr wichtig», in diesem Jahr waren es 29 Prozent. «Die Monarchie ist in ziemlichen Schwierigkeiten», freut sich Graham Smith von der Lobbygruppe Republic, die ihr Ziel im Namen trägt.
Andererseits deuten die Umfragen nicht gerade darauf hin, dass die Briten wirklich ernsthaft die Königsfamilie weghaben wollen. Mag sich auch jeder Vierte im Land als «Republikaner» bezeichnen - abschaffen wollten die Monarchie zuletzt gerade mal 14 Prozent, unter jüngeren Leuten unter 34 Jahren etwas über 20 Prozent.
Dafür wollen Graham Smith und seine Glaubensgenossen sorgen. Direkt an der königlichen Paraderoute vom Buckingham-Palast zur Westminster Abbey, in Londons zentralem Trafalgar Square wollen sich die Republikaner versammeln. Smith rechnet mit 2000 Teilnehmenden und sagte:
Charles sah sich in den vergangenen Monaten gelegentlich mit Protesten konfrontiert. Im nordenglischen York warf der Student Patrick Thelwell mindestens fünf Eier in Richtung des Monarchen, ehe er von zornigen Bürgern überwältigt und der Polizei übergeben wurde. Der Historiker Symon Hill wurde in Oxford festgenommen, weil er im September zufällig an der öffentlichen Akklamation des Königs vorbeiging und rief: «Wer hat ihn gewählt?»
Deutlich mehr als 100 Millionen Pfund, umgerechnet 112.6 Millionen Franken, lautet eine konservative Schätzung. Der monarchiekritische «Guardian» spricht sogar von 280 Millionen Franken und hält die ganze Angelegenheit für «komplett überflüssig». Hingegen verweisen Ökonomen mit schwer nachprüfbaren Zahlen auf den Nutzen für die Volkswirtschaft.
Gestützt auf eine repräsentative Umfrage stellt Professor Joshua Bamfield vom Zentrum für Einzelhandelsforschung im ostenglischen Norwich Zusatzeinnahmen für Hotels, Pubs und Geschäfte in Höhe von 1.6 Milliarden Franken in Aussicht. Zudem seien, so Bamfield, die soft benefits der Monarchie - «nennen Sie es Mythos oder Charisma» - im Grunde nicht zu beziffern.
Um 11.20 Uhr Schweizer Zeit beginnt die Prozession. König Charles und Königin Camilla fahren in einer mit Klimaanlage ausgestatteten Kutsche, dem Diamond Jubilee State Coach, vom Buckingham Palace zur Westminster Abbey.
Um 12 Uhr betritt das königliche Paar die Kirche. Die eigentliche Krönungszeremonie beginnt. Sie soll um die zwei Stunden dauern. Dazu gehört das Aufsetzen der Kronen durch den Erzbischof von Canterbury. Charles erhält die St. Edward's Crown, eine über 2 Kilogramm schwere Krone aus dem Jahr 1661, Camilla die kleinere und leichtere Queen Mary's Crown.
Ganz traditionell reisen der Monarch und seine Gattin um ca. 14 Uhr in der ungefederten, stark schwankenden Staatskutsche von 1762, dem Gold State Coach, zurück zum Palast. Auf dem Samt und Satin im Innern der Kutsche aus vergoldetem Holz sassen seit ihrer Fertigung sämtliche Monarchen anlässlich ihrer Krönung. Bei der Ankunft gibt es eine Militärparade, einen Empfang für geladene Gäste und schliesslich die traditionelle Winkgelegenheit auf dem Palastbalkon, beeinträchtigt von vorbeidonnernden Düsenjets.
Am Sonntag verlagert sich das Geschehen in die Strassen und Privathäuser der Briten. Die sollen gemeinsam den «Big Lunch» feiern, lautet die Anregung des Königshauses. Als Nahrungsanregung propagierten die Organisatoren vorab eine «Krönungsquiche», die sei einfach und kostengünstig herstellbar und leicht mit anderen zu teilen.
Abends steigt im Park von Schloss Windsor ein Popkonzert mit Grössen wie Lionel Richie, Take That und Schmalztenor Andrea Bocelli. Am Montag, den die Briten eigens freibekommen haben, sollen sie auf Wunsch ihres Königs ein wenig Zeit für Wohltätigkeitsorganisationen opfern. (aargauerzeitung.ch)