International
Russland

Putins Agenten zündeln in Europas Hinterhöfen

In den vergangenen Monaten gab es in Europa mehrere Brandanschläge, die Russland zugeschrieben werden.
In den vergangenen Monaten gab es in Europa mehrere Brandanschläge, die Russland zugeschrieben werden. bild: IMAGO/Marius Schwarz/Sergei Guneyev/t-online

Putins Agenten zündeln in Europas Hinterhöfen

Eine neue russische Militärgeheimdienst-Abteilung soll für hybride Attacken in Westeuropa verantwortlich sein. Geleitet wird die Abteilung offenbar von berüchtigten Agenten.
17.02.2025, 21:50
Martin Küper / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Brandsätze in Flugzeugen, Sabotageakte, Mordanschläge: Für seine verdeckten Operationen in Westeuropa hat Russlands Militärgeheimdienst GRU 2023 offenbar eine eigenständige Abteilung gegründet, die Kompetenzen verschiedener Geheimdienste bündelt. Das berichtet das «Wall Street Journal» unter Berufung auf westliche und russische Sicherheitsbeamte.

General Andrej Awerjanow, Kommandeur der Einheit 29155.
Der frühere Vizechef des GRU, Generalmajor Andrej Awerjanow, soll die «Abteilung für besondere Aufgaben» leiten.Bild: Screenshot: YouTube

Angesiedelt ist die «Abteilung für besondere Aufgaben» demnach im Hauptquartier des GRU am Stadtrand von Moskau, in einem gläsernen Gebäudekomplex mit dem Spitznamen «Aquarium». Die nach ihren russischen Anfangsbuchstaben SSD abgekürzte Einheit soll auch eine Abteilung des Inlandsgeheimdienstes FSB absorbiert haben, die mutmasslich hinter dem gescheiterten Mordanschlag auf den Ex-Agenten Sergeij Skripal und seine Tochter in Grossbritannien 2018 steckte.

Spektakuläre Anschläge in Europa

Nach Angaben westlicher Geheimdienstexperten hat die SSD vor allem drei Aufgaben: Mordanschläge und Sabotageakte im Ausland, die Unterwanderung westlicher Unternehmen und Universitäten sowie die Anwerbung und Ausbildung von Agenten in der Ukraine, aber auch in russlandfreundlichen Ländern wie Serbien oder Entwicklungsländern ausserhalb Europas. Dem Bericht zufolge unterhält die SSD auch eine eigene Ausbildungsstätte für Eliteagenten.

Dem Bericht zufolge soll die «Abteilung für besondere Aufgaben» hinter mehreren spektakulären Aktionen in Europa stecken, darunter der geplante Mordanschlag auf Rheinmetall-Chef Armin Papperger, die Brandanschläge auf DHL-Frachtflugzeuge in Leipzig und in Birmingham sowie der mögliche Brandschlag auf den deutschen Waffenhersteller Diehl in Berlin. In letzterem Fall waren allerdings zuletzt die Ermittlungen eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft geht inzwischen nicht mehr davon aus, dass der Brand gelegt wurde.

Berüchtigte Agenten leiten die SSD

Die Führungsebene der SSD besteht dabei offenbar aus berüchtigten Agenten des GRU, die für westliche Geheimdienste keine Unbekannten sind: Geleitet wird die Abteilung laut «Wall Street Journal» von Generalmajor Andrej Awerjanow, dem früheren Vizechef des GRU. Awerjanow, ein Veteran von Russlands Kriegen gegen die Teilrepublik Tschetschenien, wird in Tschechien gesucht wegen eines Anschlags auf ein Munitionslager im Jahr 2014, bei dem zwei Menschen getötet wurden.

Auch beim russischen Einmarsch auf die ukrainische Halbinsel Krim 2014 soll Awerjanow sich hervorgetan haben. Kremlchef Putin verlieh ihm für seinen Einsatz den Titel eines «Helden Russlands», die höchste Ehrung des russischen Staates. Auch Awerjanows Stellvertreter an der Spitze der SSD gilt als berüchtigter Agent Moskaus.

So soll Generalleutnant Iwan Kasianenko den Mordanschlag auf die Skripals 2018 koordiniert haben. Nach dem Tod des Wagner-Gründers Jewgeni Prigoschin im August 2023 soll Kasianenko zudem die Operationen der Söldnertruppe in afrikanischen Ländern übernommen haben.

EU und USA haben Bedrohung erkannt

Der 1975 in Kasachstan geborene Kasianenko gilt laut «Wall Street Journal» auch als wichtiger Verbindungsoffizier zwischen Moskau und Teheran. Der Iran liefert seinem Verbündeten Russland grosse Mengen an Kamikazedrohnen und Raketen, im Gegenzug liefert Moskau militärisches Wissen und Technologie. Der Persisch-Sprecher Kasianenko organisiert den Transfer offenbar an führender Stelle.

Die EU und die USA haben die «Abteilung für besondere Aufgaben» offenbar erst kürzlich als Bedrohung wahrgenommen. Laut «Wall Street Journal» hat die EU im Dezember Sanktionen gegen eine nicht genau benannte Einheit des GRU verhängt wegen der Organisation von «Staatsstreichen, Mord- und Sprengstoffanschlägen sowie Cyberattacken» in Europa und andernorts. Die US-Regierung habe ebenfalls im Dezember Belohnungen in Höhe von zehn Millionen US-Dollar ausgeschrieben für Hinweise auf Agenten der SSD, die für Cyberattacken in der Ukraine verantwortlich sein sollen.

«Russland sieht sich im Krieg gegen den ‹kollektiven Westen›»

Die feindlichen Aktivitäten der SSD sollen im Sommer 2024 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht haben. Seitdem sei die Zahl der Anschläge durch die Abteilung rückläufig. Eine mögliche Erklärung könnte nach Ansicht westlicher Geheimdienstexperten darin bestehen, dass Moskau sich diplomatische Freiräume für Verhandlungen mit der neuen US-Regierung unter Donald Trump schaffen will. Regelmässige Attacken könnten dabei aus Sicht des Kreml wohl hinderlich sein. Entwarnung wollen westliche Beamte gleichwohl nicht geben.

Demnach sei es kein Zufall, dass die «Abteilung für besondere Aufgaben» immer wieder vor allem in Deutschland zuschlage. Russland betrachtet die Bundesrepublik offenbar als schwächstes Glied in der Nato wegen seiner früheren Abhängigkeit von russischem Gas, der Anfälligkeit der Deutschen für nukleare Drohungen des Kremls sowie der weitverbreiteten Sympathien für Moskau in Teilen der deutschen Politik und Bevölkerung.

«Russland sieht sich im Krieg gegen den 'kollektiven Westen' und verhält sich entsprechend», zitiert das «Wall Street Journal» den stellvertretenden Nato-Generalsekretär James Appathurai. «Als Antwort darauf müssen sich die USA und ihre Verbündeten gedanklich darauf einstellen, im Krieg zu sein. Wenn das nicht geschieht, wird es angesichts der russischen Aggression gefährlich.»

Verwendete Quellen:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Rechtsextremer Terror in Deutschland – die schlimmsten Taten
1 / 13
Rechtsextremer Terror in Deutschland – die schlimmsten Taten
Rechtsextremer Terror und Mordanschläge haben in Deutschland Tradition. In dieser Bildstrecke geht es um die schlimmsten Taten der vergangenen Jahrzehnte – bis heute.
quelle: ap
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Putin, Nato und der Zankapfel: Der Ukraine-Konflikt einfach erklärt
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
85 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
banda69
17.02.2025 22:21registriert Januar 2020
Und immer daran denken:

Die SVP hetzt gegen Europa, liegt Trump zu Füssen und hat Verstandnis für die Terror-Russen.

Und ja. Wer SVP wählt, schadet der Schweiz und der Freiheit und der Demokratie.
19529
Melden
Zum Kommentar
avatar
Frank N. N. Stein
17.02.2025 22:21registriert August 2022
Und die europäischen Länder unternehmen dagegen... gar nichts. Die Täter sind bekannt. Die Opfer sind bekannt. Es ist nicht so, dass man hier nicht gegensteuern könnte. Und vergessen wir nicht: Russland ist ein Entwicklungsland mit nicht einmal 150 Millionen Einwohnern. Kein Vergleich zur europäischen Bevölkerungs- und Wirtschaftsstärke.
1389
Melden
Zum Kommentar
avatar
So oder so
17.02.2025 22:03registriert Januar 2020
Ich glaube nicht das EU und USA die Bedrohung erkannt haben.
1147
Melden
Zum Kommentar
85
    Putins Top-Reporterin stirbt im Ukrainekrieg durch eine Landmine
    Anna Prokofjewa macht sich lange für Putins Regime stark. Leidenschaftlich verteidigte sie den Einmarsch in die Ukraine. Nun ist sie gestorben, nachdem sie auf eine Landmine getreten war. Damit hat die russische Propagandamaschinerie einen Treiber weniger.

    Es ist vollkommen klar: Wer sich in einem Regime verdient macht, muss in dem Regime nichts befürchten. Regierungskritische Journalisten haben es entsprechend schwer, regierungstreuen geht es hingegen gut. Sehr gut sogar.

    Zur Story