
Trotz des Kriegs in der Ukraine: In Moskau geht das Leben seinen gewohnten Gang.Bild: www.imago-images.de
Wie kriegsmüde ist die russische Bevölkerung? Eine Umfrage des letzten unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Russlands zeigt zwar, dass die Unterstützung für Präsident Wladimir Putin nach wie vor gross ist. Doch viele Russinnen und Russen wünschen sich mittlerweile auch ein baldiges Kriegsende.
14.02.2024, 15:3814.02.2024, 17:16
Bald zwei Jahre ist es her, seit Russland seinen Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet hat. Und noch ist kein Ende in Sicht: Unaufhörlich versuchen die russischen Truppen, mit Artilleriebeschuss, Luftangriffen und Bodentruppen weitere Gebiete der Ukraine unter ihre Kontrolle zu bringen. Während der Kreml die Aktionen mit dem ewig gleichen Narrativ zu rechtfertigen versucht, scheint sich in der russischen Bevölkerung doch eine gewisse Kriegsmüdigkeit breitzumachen.
Zumindest hinter vorgehaltener Hand, wie Erhebungen des «Lewada-Zentrums» zeigen. Dieses gilt als das einzige vom russischen Staat oder staatlichen Zuschüssen unabhängige Meinungsforschungsinstitut und hat im November und Dezember zwei Umfragen mit je rund 1600 Teilnehmern aus allen 50 Regionen des Landes durchgeführt.

Von der Meinung zum Verstehen – der Grundsatz des russischen «Lewada-Zentrums».bild: screenshot levada.ru Die Meinungsforscher wollten unter anderem wissen, wie sich das Leben für die russische Bevölkerung seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 verändert hat. In den letzten beiden Wochen wurden die Resultate der Umfragen veröffentlicht. Wir haben die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst:
Präsidentschaftswahlen
Mitte März will sich Russlands Präsident Wladimir Putin wiederwählen lassen. Da keine tatsächlichen Oppositionellen zur Wahl stehen, gilt dies ausserhalb Russlands als Scheinwahl und es ist so gut wie sicher, dass Putin die Wahl gewinnen wird. Auch die aktuelle Lewada-Umfrage lässt daran kaum einen Zweifel.
- Wahlbeteiligung: 67 Prozent der Befragten gaben an, dass sie wählen oder wahrscheinlich wählen werden.
- Gründe für Nicht-Wahl: 25 Prozent der Nicht-Wähler trauen dem System nicht. Weitere 24 Prozent glauben, dass alles bereits entschieden ist. 8 Prozent sehen keinen Kandidaten, den sie wählen könnten.
- Favorit: 58 Prozent gaben bei der Befragung Ende November an, Putin zu wählen, falls die Wahlen am kommenden Sonntag stattfinden würden. Niemand sonst erreichte die Marke von 2 Prozent. Zahlreiche Befragte zeigten sich allerdings unentschlossen und enthielten sich der Stimme.
- Fairness: 26 Prozent der Befragten glauben, dass die Wahl eher oder komplett unfair ablaufen wird. 65 Prozent glauben an eher oder komplett faire Wahlen.
- Person des Jahres 2023: 53 Prozent der Befragten stimmten bei der Frage nach der Person des Jahres für Kreml-Chef Wladimir Putin. Auf Rang 2 folgt Belarus-Präsident Alexander Lukaschenko mit 9 Prozent. Immerhin 2 Prozent der Stimmen heimste US-Präsident Joe Biden ein.
Ukrainekrieg
Seit fast zwei Jahren führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Eine britische Analyse der von Russinnen und Russen verwendeten Suchbegriffe im Internet ergab im Mai 2023, dass die «Begeisterung für den Krieg begrenzt ist» und dass die «stillschweigende Ablehnung» zugenommen habe. Die aktuelle Lewada-Umfrage kann diese Resultate zum Teil bestätigen:
- Kriegsinteresse: 47 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Geschehnisse in der Ukraine nicht genau oder überhaupt nicht verfolgen. Nur 18 Prozent informieren sich genau über die «militärische Spezialoperation» in der Ukraine. Je jünger die Befragten, desto weniger interessieren sie sich für den Krieg.
- Unterstützung: 74 Prozent der Befragten unterstützen das Vorgehen russischer Truppen in der Ukraine, 18 Prozent nicht. Damit blieb die Zustimmung für den Krieg seit März 2022 mehr oder wenig konstant. Am tiefsten ist die Unterstützung bei den 25- bis 34-Jährigen, am höchsten bei den über 64-Jährigen.
- Aussenpolitik: 73 Prozent der Befragten gaben an, dass sich das Verhältnis mit dem Westen und der NATO im Jahr 2023 verschlechtert hat.
- Weiterverlauf: 36 Prozent der Befragten wollen, dass der Krieg mit der Ukraine weitergeführt wird – ein so tiefer Wert wie seit der Teilmobilmachung im Oktober 2022 nicht mehr. 57 Prozent sprachen sich für den Start von Friedensverhandlungen aus. Dazu gehörten vor allem Frauen und unter 40-Jährige.

bild: screenshot levada.ru
- Kriegserfolg: Nur 11 Prozent der Befragten gaben an, dass die «militärische Spezialoperation» für sie ein voller Erfolg ist. 55 Prozent glauben immerhin, dass der Krieg eher erfolgreich verläuft.
- Gefühle: Auf die Frage, welche Gefühle der Krieg mit der Ukraine auslöse, war «Stolz für Russland» mit 45 Prozent die häufigste Antwort. Dahinter folgen «Angst» mit 32 Prozent, «Wut» und «Schock» mit je 10 Prozent.
Alltagsleben
Spätestens seit Beginn des Kriegs in der Ukraine prägt eine totalitäre Ideologie den Alltag in Russland. So zu tun, als wäre alles ganz normal, fällt aber auch den Russinnen und Russen immer schwerer, wie die Lewada-Umfrage zeigt:
- Lebensstandard: 36 Prozent der Befragten finden, dass das Leben für den Grossteil der Bevölkerung im Jahr 2023 schlechter geworden ist. 17 Prozent gaben an, dass der Lebensstandard besser geworden sei, 42 Prozent sagen, er sei gleich geblieben.
- Finanzielle Ungerechtigkeit: 25 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Gerechtigkeit bei der Verteilung des Wohlstands schlechter geworden ist. Fast die Hälfte glaubt, hier sei alles beim Alten geblieben. 13 Prozent sahen eine Verbesserung.
- Freie Meinungsäusserung: 25 Prozent der Befragten sehen bei der Möglichkeit, seine Meinung frei äussern zu können, im Jahr 2023 eine Verschlechterung, 16 Prozent bemerkten dagegen eine Verbesserung.

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- Zwischenmenschliche Beziehungen: 36 Prozent der Befragten sagten, dass sich das Verhältnis unterschiedlicher ethnischer Gruppen im Vielvölkerstaat Russland im Jahr 2023 verschlechtert hat. Eine Verbesserung sehen nur 15 Prozent.
- Konsum: 33 Prozent der Befragten gaben an, dass 2023 ein schwierigeres Jahr gewesen sei als 2022. Für nur 12 Prozent ist das Leben dagegen einfacher geworden. 53 Prozent fiel es schwerer, Lebensmittel bezahlen zu können. 35 Prozent hatten Mühe, sich neue Kleider leisten zu können.

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- Bedeutendstes Ereignis: 38 Prozent der Befragten gaben an, dass im Jahr 2023 die Teuerung das bedeutendste Ereignis in Russland gewesen ist. Dahinter folgen die erneute Präsidentschaftskandidatur von Wladimir Putin und die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine.
- Fazit: 45 Prozent der Befragten sind der Meinung, 2023 sei für Russland ein schwierigeres Jahr gewesen als 2022. Dennoch bewerteten nur 14 Prozent 2023 als schlechtes Jahr. Für rund zwei Drittel der Bevölkerung war es schlicht «durchschnittlich».
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