International
Ukraine

Ukraine: Russland verstärkt Angriffe und Munitionsmangel bei Ukrainern

epa11077095 Ukrainian servicemen from the 406th Artillery Brigade named after Khorunzhoy General Oleksii Almazov prepare an M777 howitzer before firing at an undisclosed location in the Zaporizhia reg ...
Ukrainische Artillerie im Süden der Ukraine, 14. Januar 2024.Bild: keystone

Die russische Offensive gewinnt an Fahrt – und der Ukraine geht die Munition aus

Russische Truppen erzielen in der Ostukraine Geländegewinne, während die Ukraine ihren Verbündeten die Dringlichkeit von Munitionslieferungen klarmacht.
02.02.2024, 20:0303.02.2024, 21:02
Mehr «International»

Die Ukraine hat bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs gleich an zwei Fronten zu kämpfen: im wörtlichen Sinn im Osten und Süden des Landes und im übertragenen Sinn bei der Munitionsbeschaffung.

Russland greift an

Im Osten der Ukraine gehen zurzeit vor allem von der russischen Armee Offensivoperationen aus. Die ukrainische Armee fokussiert sich derweil darauf, ihre Stellungen zu halten. Besonders wo die ukrainische Region Luhansk an die Region Charkiw grenzt, wird intensiv gekämpft. Vor ein paar Tagen gab die Ukraine bekannt, dass sich ihre Truppen beim Dorf Krochmalne in der Region Charkiw zurückgezogen haben, um sich strategisch neu zu positionieren. Doch die Russen greifen weiter an.

Laut dem ukrainischen Generalstab seien 13 Angriffe in der Nähe von Krochmalne abgewehrt worden, und zwar nordwestlich bei Tabajiwka und südlich bei Stelmachiwka, das bereits in der Region Luhansk liegt.

Zur Situation bei Krochmalne sagte ein Sprecher der ukrainischen Armee, die russischen Truppen setzten auf eine grosse Anzahl Artillerieangriffe bei ihrem Versuch vorzurücken, wie CNN berichtet.

Grafik Institute for the Study of War Frontverlauf Ukraine 1. Februar 2024
Ein Teil des Frontverlaufs auf einer Karte des Institute for the Study of War (ISW). Der Grossteil des hier rot eingefärbten, von Russland besetzten Gebiets liegt in der Region Luhansk. Die grünen Kreise zeigen Orte, wo während der letzten 24 Stunden besonders intensiv gekämpft wurde. Krochmalne liegt in der Nähe von Kupjansk.Bild: Screenshot ISW

Nachdem die Front im Osten und Süden der Ukraine in den letzten Monaten eher statisch war, steht nun auch in der Gegend um Bachmut in der Region Donezk die ukrainische Armee zunehmend unter Druck. Russland versucht dort bei den zu weiten Teilen zerstörten Dörfern Klischtschijiwka und Andrijiwka vorzustossen. Die beiden Dörfer gehören zum östlichsten Teil des Gebiets, das von ukrainischen Truppen in der Gegenoffensive letztes Jahr zurückerobert werden konnte.

Besonders die russischen Drohnen machen der ukrainischen Verteidigung zu schaffen. Die russische Armee verfügt über mehr Drohnen als die Ukraine, darunter auch solche, die in der Nacht verwendet werden können.

: Russian attack drone unit in special military operation zone JANUARY 25, 2024: A serviceman of an attack drone unit of the Zapad group of the Russian Armed Forces performs a combat mission on the Ku ...
Ein russischer Soldat einer Drohneneinheit nahe Kupjansk, Januar 2024.Bild: tass / www.imago-images.de

Schoigu sieht Russland im Vorteil

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sieht seine Armee gegen die Ukraine in der Offensive. Vor ranghohen Militärs berichtete er von angeblichen Geländegewinnen.

«Unsere Einheiten dringen vor, weiten die Zone unter ihrer Kontrolle aus, verbessern ihre Position an vorderster Linie», sagte der Minister am Freitag bei einer Sitzung in Moskau. Die russische Armee habe die Dörfer Tabajiwka und Krochmalne im ostukrainischen Gebiet Charkiw sowie das Dorf Wessele nahe Bachmut im Donbass erobert, sagte Schoigu.

Ganz eindeutig war die Gefechtslage in diesen Dörfchen mit nur wenigen Häusern aber nicht. Tabajiwka sei schwer umkämpft, aber weiter in ukrainischer Hand, sagte in Kiew der Militärsprecher für den dortigen Frontabschnitt am Freitag im Fernsehen. «Es gibt Artillerieduelle.»

Schoigu zeigte sich zuversichtlich: «Nach dem Scheitern der Gegenoffensive des Feindes haben die russischen Streitkräfte die strategische Initiative an der gesamten Frontlinie.» Die Ukraine hingegen werfe ihre letzten Reserven in den Kampf und mobilisiere mit Zwang, «um keinen Zusammenbruch der Verteidigung zuzulassen».

Kampf um die Munition

Es sind dramatische Worte, mit denen sich der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow an die westlichen Verbündeten wendet. Die Ukraine kann nur 2000 Artilleriegeschosse pro Tag abfeuern – mehr lassen die Reserven nicht zu. Das Problem dabei: Russland hat dreimal so viel zur Verfügung, wie Bloomberg berichtet.

Dabei bräuchten die ukrainischen Truppen eine Million Artilleriegranaten für ihren Einsatz an der etwa 1500 Kilometer langen Front. Die EU versprach bereits im März 2023, die benötigte Munition zu liefern, doch es kommt zu Verzögerungen. Bis zur ursprünglich angestrebten Deadline Ende März 2024 werden die EU-Länder wohl erst etwa die Hälfte der versprochenen Munition liefern können. Bis Ende Jahr sollen dann noch bis zu 600'000 weitere Artilleriegranaten geliefert werden.

FILE - Ukrainian Defense Minister Rustem Umerov rides in an APC during a visit to the front-line city of Kupiansk, Kharkiv region, Ukraine, Thursday, Nov. 30, 2023. A gloomy mood hangs over Ukraine?s  ...
Umjerow (r.) bei einem Frontbesuch in Kupjansk im November 2023.Bild: keystone

Umjerow ist derweil klar:

«In der Regel gewinnt die Seite, die die meiste Munition hat.»

Die Situation werde für die Ukraine täglich schlimmer, so Umjerow. Die USA haben das Problem erkannt. Celeste Wallander, Staatssekretärin für Internationale Sicherheitsfragen im US-Verteidigungsministerium, sagte gegenüber Reportern, dem Pentagon sei bewusst, dass die ukrainische Armee nicht über die benötigten Munitionsvorräte verfüge.

Gleichzeitig investiert Russland in die eigene Produktion von Artilleriemunition. Martin Herem, der Befehlshaber der Verteidigungsstreitkräfte Estlands, sieht Russland in der Lage, jährlich mehrere Millionen Artilleriegranaten zu produzieren.

Für die ukrainischen Soldaten an der Front hat der Munitionsmangel direkte Auswirkungen. Bereits letztes Jahr mussten sie mit der Munition haushalten. Dadurch können sie nicht mehr alle eigentlich möglichen Gefechtsoperationen durchführen. Konkret weigere sich etwa ein ukrainischer Soldat, kleinere Formationen von russischen Soldaten anzugreifen – das sei die Munition nicht wert.

Doch die Ukraine wendet sich nicht nur an ihre Verbündeten für neue Munition. Auch die einheimische Produktion wurde in den vergangenen Monaten gestärkt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese Bilder zeigen: Der Krieg verschont die Kinder nicht
1 / 17
Diese Bilder zeigen: Der Krieg verschont die Kinder nicht
quelle: keystone / emilio morenatti
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Putins Luxus-Palast an der NATO-Grenze – «Das detaillierteste Video aller Zeiten»
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
103 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
MinaQ
02.02.2024 20:11registriert März 2021
Ich zweifele immer mehr am ernsthaften Willen des Westens, die Ukraine tatsächlich zu unterstützen.
7112
Melden
Zum Kommentar
avatar
up4you
02.02.2024 21:06registriert März 2023
Auf die russische Propaganda sollte man nicht herein fallen...! Was jedoch nach wie vor nicht vergessen werden sollte, ist das die Ukraine unsere westlichen Werte verteidigt und man endlich erwachen sollte, dass Putin nie Ruhe geben wird und weitere Länder nach und nach versuchen wird zu unterwerfen... Sein erklärtes Ziel ist die Zerstörung aller demokratischen Werte/Länder...
8028
Melden
Zum Kommentar
avatar
MartinZH
02.02.2024 20:24registriert Mai 2019
Das ISW liefert wissenschaftl.-nüchtern eine Momentaufnahme. Und was Schoigu meint, ist soweit völlig unerheblich: Was will er auch anderes sagen?

Zu meinen, dass RU im Vorteil wäre, ist einfach nur ziemlich kurzsichtig und diese Story wird dem gesamten, grossen Bild nicht gerecht.

Tatsache ist: Die UA hat im ersten Jahr den Feind zurückgeschlagen und grosse Gebiete befreit. Der zweite Winter ist bald vorbei und die Flugabwehr funktioniert. Im zweiten Jahr wurde die RU-Marine nahezu ausgeschaltet. Und mit den Jets wird die UA im dritten Jahr auch in der Luft ihre Souveränität zurückgewinnen.
10761
Melden
Zum Kommentar
103
FBI-Direktor Wray will bald Amt niederlegen

Der Direktor der amerikanischen Bundespolizei FBI, Christopher Wray, will mit dem Ende der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden ebenfalls sein Amt niederlegen. Das teilte das US-Justizministerium in Washington mit.

Zur Story