Die Ukraine hat bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs gleich an zwei Fronten zu kämpfen: im wörtlichen Sinn im Osten und Süden des Landes und im übertragenen Sinn bei der Munitionsbeschaffung.
Im Osten der Ukraine gehen zurzeit vor allem von der russischen Armee Offensivoperationen aus. Die ukrainische Armee fokussiert sich derweil darauf, ihre Stellungen zu halten. Besonders wo die ukrainische Region Luhansk an die Region Charkiw grenzt, wird intensiv gekämpft. Vor ein paar Tagen gab die Ukraine bekannt, dass sich ihre Truppen beim Dorf Krochmalne in der Region Charkiw zurückgezogen haben, um sich strategisch neu zu positionieren. Doch die Russen greifen weiter an.
Laut dem ukrainischen Generalstab seien 13 Angriffe in der Nähe von Krochmalne abgewehrt worden, und zwar nordwestlich bei Tabajiwka und südlich bei Stelmachiwka, das bereits in der Region Luhansk liegt.
Zur Situation bei Krochmalne sagte ein Sprecher der ukrainischen Armee, die russischen Truppen setzten auf eine grosse Anzahl Artillerieangriffe bei ihrem Versuch vorzurücken, wie CNN berichtet.
Nachdem die Front im Osten und Süden der Ukraine in den letzten Monaten eher statisch war, steht nun auch in der Gegend um Bachmut in der Region Donezk die ukrainische Armee zunehmend unter Druck. Russland versucht dort bei den zu weiten Teilen zerstörten Dörfern Klischtschijiwka und Andrijiwka vorzustossen. Die beiden Dörfer gehören zum östlichsten Teil des Gebiets, das von ukrainischen Truppen in der Gegenoffensive letztes Jahr zurückerobert werden konnte.
Besonders die russischen Drohnen machen der ukrainischen Verteidigung zu schaffen. Die russische Armee verfügt über mehr Drohnen als die Ukraine, darunter auch solche, die in der Nacht verwendet werden können.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sieht seine Armee gegen die Ukraine in der Offensive. Vor ranghohen Militärs berichtete er von angeblichen Geländegewinnen.
«Unsere Einheiten dringen vor, weiten die Zone unter ihrer Kontrolle aus, verbessern ihre Position an vorderster Linie», sagte der Minister am Freitag bei einer Sitzung in Moskau. Die russische Armee habe die Dörfer Tabajiwka und Krochmalne im ostukrainischen Gebiet Charkiw sowie das Dorf Wessele nahe Bachmut im Donbass erobert, sagte Schoigu.
Ganz eindeutig war die Gefechtslage in diesen Dörfchen mit nur wenigen Häusern aber nicht. Tabajiwka sei schwer umkämpft, aber weiter in ukrainischer Hand, sagte in Kiew der Militärsprecher für den dortigen Frontabschnitt am Freitag im Fernsehen. «Es gibt Artillerieduelle.»
Schoigu zeigte sich zuversichtlich: «Nach dem Scheitern der Gegenoffensive des Feindes haben die russischen Streitkräfte die strategische Initiative an der gesamten Frontlinie.» Die Ukraine hingegen werfe ihre letzten Reserven in den Kampf und mobilisiere mit Zwang, «um keinen Zusammenbruch der Verteidigung zuzulassen».
Es sind dramatische Worte, mit denen sich der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow an die westlichen Verbündeten wendet. Die Ukraine kann nur 2000 Artilleriegeschosse pro Tag abfeuern – mehr lassen die Reserven nicht zu. Das Problem dabei: Russland hat dreimal so viel zur Verfügung, wie Bloomberg berichtet.
Dabei bräuchten die ukrainischen Truppen eine Million Artilleriegranaten für ihren Einsatz an der etwa 1500 Kilometer langen Front. Die EU versprach bereits im März 2023, die benötigte Munition zu liefern, doch es kommt zu Verzögerungen. Bis zur ursprünglich angestrebten Deadline Ende März 2024 werden die EU-Länder wohl erst etwa die Hälfte der versprochenen Munition liefern können. Bis Ende Jahr sollen dann noch bis zu 600'000 weitere Artilleriegranaten geliefert werden.
Umjerow ist derweil klar:
Die Situation werde für die Ukraine täglich schlimmer, so Umjerow. Die USA haben das Problem erkannt. Celeste Wallander, Staatssekretärin für Internationale Sicherheitsfragen im US-Verteidigungsministerium, sagte gegenüber Reportern, dem Pentagon sei bewusst, dass die ukrainische Armee nicht über die benötigten Munitionsvorräte verfüge.
Gleichzeitig investiert Russland in die eigene Produktion von Artilleriemunition. Martin Herem, der Befehlshaber der Verteidigungsstreitkräfte Estlands, sieht Russland in der Lage, jährlich mehrere Millionen Artilleriegranaten zu produzieren.
Für die ukrainischen Soldaten an der Front hat der Munitionsmangel direkte Auswirkungen. Bereits letztes Jahr mussten sie mit der Munition haushalten. Dadurch können sie nicht mehr alle eigentlich möglichen Gefechtsoperationen durchführen. Konkret weigere sich etwa ein ukrainischer Soldat, kleinere Formationen von russischen Soldaten anzugreifen – das sei die Munition nicht wert.
Doch die Ukraine wendet sich nicht nur an ihre Verbündeten für neue Munition. Auch die einheimische Produktion wurde in den vergangenen Monaten gestärkt.
Zu meinen, dass RU im Vorteil wäre, ist einfach nur ziemlich kurzsichtig und diese Story wird dem gesamten, grossen Bild nicht gerecht.
Tatsache ist: Die UA hat im ersten Jahr den Feind zurückgeschlagen und grosse Gebiete befreit. Der zweite Winter ist bald vorbei und die Flugabwehr funktioniert. Im zweiten Jahr wurde die RU-Marine nahezu ausgeschaltet. Und mit den Jets wird die UA im dritten Jahr auch in der Luft ihre Souveränität zurückgewinnen.