International
Russland

Wie Putin die Arktis kontrollieren will

Wie Putin die Arktis kontrollieren will

Russlands Stärke hängt an seinen Gasgeschäften – und an der geopolitischen Dominanz des Landes. Ausgerechnet in der Arktis intensiviert Putin jetzt seinen Geltungskampf.
21.07.2023, 18:2721.07.2023, 18:27
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Vielerorts hat der Kreml einen Fuss in der Tür: In zahlreichen afrikanischen Ländern, in Zentralasien und in den ehemaligen Sowjetrepubliken mischt Russlands Präsident im Stillen mit. Nun will der Kreml auch seine Stellung in der Arktis behaupten. Denn dort entsteht mit neuen Schifffahrtswegen auch neues Konfliktpotential.

Ein milliardenschweres Flüssiggas-Terminal (LNG) Russlands soll dort nun Fakten schaffen: Am Donnerstag hat Putin in der Region Murmansk den ersten Abschnitt des grossen Flüssiggas-Projekts Arctic LNG 2 eröffnet. Es ist das zweite LNG-Projekt in der Region und befindet sich auf der Halbinsel Gydan, nur rund 30 Kilometer entfernt von einer ersten riesigen LNG-Anlage. Diese steht auf der Halbinsel Jamal und wurde 2017 in Betrieb genommen.

epa10758803 Russian President Vladimir Putin (C) attends a ceremony to send the first liquefied natural gas (LNG) production line using gravity-based structures as part of the Arctic LNG 2 project at  ...
Putin nimmt an einer Zeremonie teil, bei der die erste Produktionslinie für verflüssigtes Erdgas (LNG) in der Region Murmansk, Russland, 20. Juli 2023.Bild: keystone

Bei der im Fernsehen übertragenen Eröffnungszeremonie bat ein Mitglied der Betreibergesellschaft um Putins «Genehmigung für den Beginn der Transporteinsätze auf See». Der Kreml-Chef antwortete daraufhin schlicht «Genehmigung erteilt» und legte einen Hebel um. An der Zeremonie nahm auch der Vorsitzende des Erdgaskonzerns Nowatek, Leonid Michelson, teil.

Die Kosten für das Projekt, bei dem Gas aus Russland in Form von Flüssiggas mit Tankern durch die arktischen Gewässer transportiert werden soll, belaufen sich Schätzungen zufolge auf 21 Milliarden Dollar (18.7 Milliarden Euro). Geplant sind Produktionskapazitäten von 19.8 Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr mithilfe von drei Fertigungsanlagen.

Bis 2022 war der französische Energiekonzern Total an dem Projekt Arctic LNG 2 beteiligt gewesen, nach Beginn der russischen Militäroffensive in der Ukraine zog sich Total jedoch zurück. Inzwischen kontrolliert die russische Firma Nowatek 60 Prozent des Projekts, weitere Partnerunternehmen stammen aus China und Japan.

Möglich ist das neue Projekt überhaupt nur aus einem einzigen Grund: Das Meereis, das bisher grosse Teile des Arktischen Ozeans bedeckt hat, schmilzt und das sehr schnell. Durch die Erderhitzung verliert die Eisfläche laut der Naturschutzorganisation WWF 13 Prozent pro Jahrzehnt. Auch die arktischen Gletscher verlieren rapide an Eis.

Dadurch sind neue saisonale Schifffahrtswege entstanden. Wo vorher quasi kein Durchkommen war, ist es nun beispielsweise möglich, die Nordostpassage zumindest im Sommer zu befahren. Auch sind in den arktischen Gebieten dadurch mehr Möglichkeiten zur Förderung natürlicher Rohstoffe geschaffen worden. Verschiedene Nationen, darunter Russland, wetteifern nun, um die militärische und kommerzielle Kontrolle über das Gebiet zu erlangen.

Russland dominiert seit zwei Jahrzehnten diesen Kampf, und hat laut dem US-Magazin «Politico» seine Flotte nuklearfähiger Eisbrecher, Schiffe und U-Boote ausgebaut. Auch neue Anlagen für Bergbau und Ölbohrungen sollen entlang der etwa 24'140 Kilometer langen arktischen Küste Russlands entstanden sein. Dazu kommt nun der verstärkte Versuch, die Kontrolle über die neue Seeroute zu erlangen.

Arctic LNG 2 ist eines der wichtigsten Vorhaben Putins, um eine nördliche Schifffahrtsroute zwischen Asien und Europa zu schaffen. Moskau hofft, dass die Route durch die Nordostpassage im Laufe der Zeit mit dem Suezkanal als Transportweg für Öl und Gas mithalten kann.

In Zukunft könnte eine Schifffahrt von Shanghai nach Hamburg über diese Route in 15 Tagen möglich sein. Durch den Suezkanal brauchen Schiffe von Shanghai nach Hamburg aktuell 25 Tage. Durch einen schnelleren Transportweg könnte Russland das Flüssiggas in China günstiger anbieten.

Verwendete Quellen:

  • Nachrichtenagentur AFP
  • wiwo.de: "Putins Griff nach der Arktis"
  • politico.com: "A Battle for the Arctic Is Underway. And the U.S. Is Already Behind." (englisch)
  • t-online.de: "Der nächste grosse Knall droht im Norden"
  • worldwildlife.org: "Six ways loss of Arctic ice impacts everyone" (englisch)

Weitere interessante Artikel:

()

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Schweizer Forschungsstation in Grönland ist besorgt
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
15 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
banda69
21.07.2023 19:10registriert Januar 2020
Ein Grund mehr erneuerbare Energien zu fördern.

Aber eben. Die SVP hat und wird sich dagegen sträuben und sich lieber weiterhin in die Abhägigkeit des Kriegsverbrechers Putin begeben und mitverdienen. Und ja. SVP ist, wenn Geld und Gier vor Mensch und Umwelt kommen.
6716
Melden
Zum Kommentar
avatar
Liebu
21.07.2023 19:15registriert Oktober 2020
Auch die arktischen Gletscher verlieren rapide an Eis.
Dadurch sind neue saisonale Schifffahrtswege entstanden. Wo vorher quasi kein Durchkommen war, ist es nun beispielsweise möglich, die Nordostpassage zumindest im Sommer zu befahren. Auch sind in den arktischen Gebieten dadurch mehr Möglichkeiten zur Förderung natürlicher Rohstoffe geschaffen worden.

Irgendwie Irrsinn.
Fossile Energieträger die den Klimawandel befeuern, machen durch diesen noch mehr Förderung und Handel desselben möglich.
Ich hoffe sehr, dass man dies verhindern kann und alles im ewigen Packeis eingefroren wird.
242
Melden
Zum Kommentar
avatar
Vitai Lampada
21.07.2023 19:17registriert Dezember 2022
Bald muss er seine Fernost Provinz an China zurückgeben, nach 150 Jahren Besetzung. Da ist eine neue Route nach Osten wohl erforderlich.
Sonst muss er am Ende Sibirien an China verkaufen, wie 1867 Alaska an die USA.
In der Saatskasse herrscht Ebbe und die vielen neuen Wittwenrenten müssen auch finanziert sein...
244
Melden
Zum Kommentar
15
Serienmörder «Twitter-Killer» in Japan hingerichtet

In Japan ist erstmals seit knapp drei Jahren die Todesstrafe vollstreckt worden. Am Morgen (Ortszeit) wurde ein «Twitter-Killer» genannter Serienmörder in einer Haftanstalt in Tokio hingerichtet, wie Japans Justizminister Keisuke Suzuki bestätigte.

Zur Story