Der Tod eines aserbaidschanischen Brüderpaars in russischem Polizeigewahrsam belastet die Beziehungen zwischen Baku und Moskau. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, wurden die beiden Aserbaidschaner im Zusammenhang mit Ermittlungen zu mehreren Mordfällen in den 2000er in der Region Jekaterinburg verhaftet.
Laut der russischen Polizei erlitt einer der beiden Brüder während der Vernehmung einen Herzinfarkt, zur Todesursache des anderen Bruders machten die Behörden keine Angabe. Dieser Darstellung widerspricht das aserbaidschanische Gesundheitsministerium vehement. Dem zufolge, seien die beiden Brüder an den Folgen von mehreren schweren Verletzungen gestorben, das habe eine in Aserbaidschan durchgeführte Autopsie ergeben.
Beide Brüder wiesen dem Bericht heftige Verletzungen wie gebrochene Rippen, Prellungen im Genitalbereich, Risse in der Lunge und innere Blutungen auf. Als Ursache kämmen laut eines Beamten des Gesundheitsministers nur heftige Schläge mit einem stumpfen Gegenstand infrage.
Als Reaktion kündigte die Regierung in Baku an, alle anstehenden Kulturveranstaltungen mit russischer Beteiligung abzusagen. Weiterhin startete Aserbaidschan eigene Verhaftungen. Zunächst durchsuchte die aserbaidschanische Polizei die Redaktionsräume der prorussischen Nachrichtenseite Sputnik-Azerbaijan und nahm mehrere Mitarbeiter, unter anderem den Chefredakteur, fest. Der Nachrichtenseite wurde schon im Februar dieses Jahres die Lizenz entzogen, sie stellte aber ihren Betrieb nicht ein. Den Mitarbeitern wird unter anderem Betrug, illegale Geschäftstätigkeit und Geldwäsche vorgeworfen.
Anfang dieser Woche wurden dann acht weitere russischstämmige Männer in Baku verhaftet. Ihnen wird Drogenschmuggel und Cyberkriminalität vorgeworfen. Auf Bildern aus dem Gerichtssaal, wo sie dem Haftrichter vorgeführt wurden, haben viele der Männer Verletzungen im Gesicht.
Moskau reagierte, indem sie den aserbaidschanischen Botschafter einbestellte und das Vorgehen der Regierung verurteilte. Dies seien «bewusste Schritte zur Zerstörung der bilateralen Beziehungen». Man hoffe, dass die verhafteten Journalisten umgehend freigelassen würden und «direkte Kommunikation“ die »äusserst emotionale Reaktion" Bakus ersetzen möge.
Obwohl beide Länder formal miteinander verbündet sind und sowohl in wirtschaftlichen als auch in militärischen Fragen eng zusammenarbeiten, ist die Beziehung zwischen Baku und Moskau schon seit mehreren Jahren angespannt. So besetzte Aserbaidschan 2023 die umstrittene Provinz Bergkarabach und vertrieb alle Armenier, obwohl Russland 2020 «Friedenstruppen» in die Region entsandte, um genau einen solchen Fall zu verhindern. Trotzdem hielt sich Moskau in seiner Reaktion merklich zurück.
Grund dafür dürfte sein, dass das Land aufgrund der westlichen Sanktionen mehr und mehr isoliert ist und es sich nicht leisten kann, die Beziehungen zu seinen verbleibenden Handelspartnern zu gefährden. Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs liefert Russland deutlich mehr Öl und Gas an Aserbaidschan. Dies erlaubt der Regierung in Baku, das eigene Gas zu verkaufen – zum Beispiel an Deutschland – und den heimischen Bedarf mit billigem Gas aus Russland zu decken. Ferner ist Aserbaidschan aufgrund seiner geografischen Lage enorm wichtig für den Handel zwischen dem Iran und Russland.
Dass Russland bei den Friedensverhandlungen zwischen Aserbaidschan und Armenien auf Wunsch beider Länder keinerlei Rolle gespielt hat, deuten Experten als Zeichen für den schwindenden Einfluss Moskau im südlichen Kaukasus. Es hat den Anschein, als würde Aserbaidschan die schwierige Lage Russland ausnutzen, um dessen Einfluss immer weiter zurückzudrängen. Zeichen dafür ist auch, dass Baku wiederholt – wenn auch verhalten – Sympathie gegenüber der von Russland angegriffenen Ukraine gezeigt hat.
Doch es ist vor allem ein Ereignis, das die Beziehungen beider Länder in den letzten Jahren belastet hat, nämlich der Absturz einer Maschine der staatlichen Fluglinie Azerbaijan-Airlines in der russischen Teilrepublik Tschetschenien Ende 2024. Hierbei starben 38 Menschen.
Russland erklärte, das Flugzeug sei im Landanflug auf den Flughafen Grosny von einem Vogel getroffen worden, doch die aserbaidschanische Regierung geht davon aus, dass das Flugzeug von einer russischen Boden-Luft-Rakete getroffen wurde. Dafür spricht, dass es an dem Tag die Ukraine die Region mit Drohnen angegriffen hatte.
Die Regierung in Baku betonte zwar, dass sie von einem Versehen ausgehe, aber trotzdem eine öffentliche Entschuldigung von Moskau erwarte. Als diese ausblieb, erklärte der Präsident von Aserbaidschan, nicht an der diesjährigen Parade zum Tag des Sieges über Hitlerdeutschland teilzunehmen, welche Putin jedes Jahr am 9. Mai abhalten lässt.