Knapp ein Jahr ist die Annexion der Krim her – und Wladimir Putin hat nun durchblicken lassen, dass die ohnehin höchst angespannte Situation im Frühjahr 2014 durchaus noch weiter hätte eskalieren können. So stand Russland angeblich kurz davor, sein Atomwaffenarsenal für den Fall eines Militärangriffs des Westens in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Das sagte der russische Präsident laut Äusserungen, die am Sonntagabend im russischen Fernsehsender Rossia 1 schriftlich gezeigt wurden. «Wir waren bereit, es zu tun», sagte Putin demnach. Die russische Führung sei willens gewesen, sich der «schlimmsten Wendung zu stellen, welche die Ereignisse hätten nehmen können».
Die russischen Streitkräfte hatten laut Putin damals auf der Krim Raketenabwehrsysteme vom Typ «Bastion» positioniert, die im Falle eines Angriffs durch ein US-Kriegsschiff im Schwarzen Meer einsatzbereit gewesen wären. Es sei zu diesem Zeitpunkt unklar gewesen, ob der Westen militärisch in den Konflikt eingreifen würde.
Er habe die Haltung Russlands, wonach die Krim «historisches Gebiet» Russlands sei und dort Russen lebten, seinen westlichen Kollegen mitgeteilt, sagte Putin weiter. «Das war eine ehrliche und offene Haltung. Und ich glaube, niemand wollte einen Weltkrieg auslösen.»
Die Äusserungen wurden am Sonntagabend vor der Ausstrahlung eines Dokumentarfilms über die Annexion der Krim durch Russland gezeigt. Nach dem Sturz der prorussischen Regierung in Kiew hatte am 27. Februar 2014 ein prorussisches Kommando die Kontrolle über das Regionalparlament der Schwarzmeerhalbinsel übernommen. Im März annektierte Russland das Gebiet nach einem Referendum.
Putin rechtfertigt Militäraktion auf der Krim
In der Fernsehsendung schildert Putin das Eingreifen als Reaktion auf die Bedrohung der russischstämmigen Zivilbevölkerung. Nur so sei ein «Blutbad» zu verhindern gewesen. «Wir waren gezwungen, Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Bewohner der Krim ihren Willen frei ausdrücken können», so der russische Staatschef.
Er sei sich sicher, dass sich ohne dieses Vorgehen «ein ähnliches Szenario abgespielt» hätte «wie heute im Donbass» in der Ostukraine. Dort wurden bei Kämpfen zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Soldaten seit April 2014 fast 6000 Menschen getötet.
Um die angespannte Lage im Osten des Landes wird es auch beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am Montag in Berlin gehen. Poroschenko wird zunächst von Bundespräsident Joachim Gauck mit militärischen Ehren im Schloss Bellevue empfangen. Im Anschluss trifft er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen.
jok/AFP/AP