In Russland ist offenbar ein weiterer Kommandeur entlassen worden – wohl, weil er sich über die Zustände in der Armee beschwert hat. Nachdem es vor einigen Tagen den bei seinen Truppen beliebten Generalmajor Iwan Popow getroffen hatte, wurde jetzt angeblich auch der Kommandeur der 106. Luftlandedivision abgesetzt, berichten britische Medien und russische Blogger. Generalmajor Wladimir Seliverstow war mit seinen Einheiten unter anderem in Bachmut im Einsatz. Die Hintergründe sind noch unklar, eine offizielle Bestätigung steht noch aus.
Russische Militärblogger vermuten, dass Seliverstow sich vor seine Soldaten gestellt habe. Er sei, berichtet der Militärblogger «Milinfolive» auf Telegram, bereits bei Angriffen auf Kiew nicht mit Entscheidungen der Militärführung einverstanden gewesen. Nach dessen Angaben soll der Generalmajor einst mit dem Orden «Verdienste um das Vaterland» ausgezeichnet worden sein.
Wie das amerikanische «Institut for the Studies of War» in seiner Analyse berichtet, habe es bereits im April erste Anzeichen von Beschwerden aus den Luftlandetruppen gegeben. Verwandte der Soldaten hätten sich an Präsident Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Schoigu gewandt. «Die Meldungen über die Bedingungen (...) könnten Seliverstow dazu veranlasst haben, sich beim russischen Militärkommando zu beschweren, was zu seiner Entlassung geführt haben könnte», vermuten die Analysten des US-Thinktanks.
Die Massnahme könnte Teil einer Säuberungsaktion des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seines Verteidigungsministers Sergej Schoigu sein. Sie sei Zeichen für die Korrosion der russischen Befehlskette, so die Analysten. Zuletzt war Generalmajor Iwan Popow seines Postens enthoben worden, weil er am Generalstab vorbei sein Anliegen direkt dem russischen Präsidenten vorgetragen haben soll. Er beklagte in einer geleakten Audionachricht, dass die Truppen nicht häufig genug an der Front ausgewechselt werden und es schwere Verluste gebe. Unklar ist, ob neben Seliverstow auch Alexander Kornew aus dem Amt entfernt wurde. Er ist Kommandeur einer Elitetruppe, die ebenfalls zu den Luftlandetruppen gehört.
Auch der berüchtigte «General Armageddon», Sergej Surowikin, ist seit 20 Tagen nicht mehr gesehen worden – er soll ein Prigoschin-Verbündeter sein. Ein weiteres Opfer war Generalmajor Nikolay Gostew – Kommandeur der 4. Luftwaffenarmee Russlands – der im Zuge der Gegenoffensive der Ukraine zumindest vorübergehend von seinem Posten entfernt wurde. Er soll sich nach offiziellen Stellungnahmen derzeit «ausruhen:»
Nach einem Bericht der britischen «Daily Mail» seien die Entlassungen Teil einer Säuberungswelle des russischen Verteidigungsministeriums, bei der wichtige Kommandeure gefeuert oder versetzt werden. Der 49-jährige Seliverstow soll einer der jüngsten Generäle sein, die die 106. Luftlandedivision geführt haben. Sogar die Unterstützung eines Putins-Bodyguards, der sich für den General eingesetzt haben soll, habe nichts geholfen, so die «Daily Mail».
Das ISW gelangte zu der Einschätzung, dass Popows Kritik ein Hinweis auf ein Verhaltensmuster ist, das sich innerhalb des russischen Kommandos in der Ukraine entwickelt habe. Kommandeure versuchten offenbar, die Autorität hochrangiger Offiziere infrage zu stellen. Sie setzten ihre wichtige Position an Schlüsselstellungen an der Front ein, um Unterstützung im Kreml zu bekommen – was sich aber als Trugschluss hinausstellt.
Nach Einschätzung des ISW seien die Probleme in der Ukraine und die Entscheidungen der obersten russischen Militärführung ein Grund, warum einige Kommandeure versuchten, ihre Vorgesetzten herauszufordern – und sich dabei vor ihre eigenen Einheiten stellen.
Ähnliche Kritik war auch von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin laut geworden, die schliesslich Ende Juni in einen Aufstand mündete. Er hatte seine Truppen Richtung Moskau marschieren lassen. Seine Hauptforderungen waren eine Absetzung von Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow gewesen. Beide sind aber noch immer im Amt.
Verwendete Quellen:
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