Der Europarat will ein Sondertribunal einrichten, um über Russlands «Aggression» gegen die Ukraine zu urteilen, und einen Mechanismus zur Entschädigung für zugefügte Schäden zu starten. Das soll verhindern, dass «die Straflosigkeit siegt», sagt Alain Berset, Generalsekretär des Europarats.
Zu Beginn der Woche wurden die rechtlichen Grundlagen für ein zukünftiges Sondergericht bei einem Treffen von Juristen aus rund vierzig Ländern, der Europäischen Union und dem Europarat gelegt. Dieses Gericht wird die Aufgabe haben, die Verbrechen der russischen Aggression zu verhandeln, jedoch nicht die Kriegsverbrechen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs fallen.
Die Ukraine plädiert seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 für die Einrichtung eines Sondergerichts, das Moskau für seine «Gräueltaten» vor Gericht stellen soll.
Es gibt weitere Mechanismen zur Bewertung von Menschenrechtsverletzungen durch Russland in der Ukraine. Besonders der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann Verstösse prüfen, die bis zum 16. September 2022 begangen wurden – sechs Monate nach Russlands Ausschluss aus dem Europarat, der für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in Europa verantwortlich ist.
Mit einem «quasi fertigen Text» hofft der ehemalige Schweizer Bundesrat, der im September die Leitung der internationalen Organisation mit 46 Mitgliedstaaten übernommen hat, bis Ende des Jahres die Zustimmung der Staaten zur Schaffung dieses Tribunals zu erhalten – ein «ambitioniertes» Ziel, wie er selbst einräumt. Dieses künftige Tribunal ist Teil eines «Gesamtpakets», das derzeit aufgebaut wird.
Ein Schadensregister wurde bereits eröffnet. Es ermöglicht Ukrainern, Anträge auf Entschädigung für Schäden einzureichen, die sie seit dem Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 erlitten haben. Das Register erfasst Forderungen auf Wiedergutmachung für die Zerstörung privaten Eigentums oder den Verlust eines Angehörigen. «Wir arbeiten daran, es auf weitere Kategorien auszuweiten», erklärt der ehemalige Bundesrat. Das im April in Den Haag eröffnete Register verfügt über ein Büro in der Ukraine, um Erklärungen entgegenzunehmen.
Das ist die dritte Stufe der Rakete: die Schaffung dieses neuen Systems, damit die Opfer entschädigt werden.
Es stellt sich allerdings die Frage der Finanzierung.
«Seit zwei Jahren führen wir Diskussionen über die eingefrorenen russischen Vermögenswerte», berichtet er. Diese Gespräche sind «sehr kompliziert», da die Staaten unterschiedliche Positionen vertreten – einige befürworten die Nutzung staatlicher russischer Vermögenswerte, andere wollen auch Vermögenswerte staatlicher Unternehmen oder sogar privater Unternehmen einbeziehen.
Für Alain Berset ist der Europarat «bereit, in dieser Angelegenheit sehr schnell voranzukommen». Allerdings schränkt er ein: «Doch wir können nicht voraussagen, wie lange die Verhandlungen zwischen den 46 Mitgliedstaaten dauern werden.»