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Spionagevorwürfe: Russischer Geheimdienst nimmt US-Journalisten fest

Reporter Evan Gershkovich.
Reporter Evan Gershkovich.bild: privat

Russischer Geheimdienst nimmt US-Journalisten fest – wegen angeblicher Spionage

30.03.2023, 13:0530.03.2023, 16:55
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Der russische Geheimdienst FSB hat laut Staatsmedien einen Korrespondenten der renommierten US-Zeitung «Wall Street Journal» festgenommen. Ein Gericht in Moskau hat nun einen Haftbefehl wegen angeblicher Spionage erlassen. Die Untersuchungshaft sei zunächst bis 29. Mai angesetzt, teilte das Gericht am Donnerstag mit. Dem Journalisten drohen bis zu 20 Jahre Haft bei einer Verurteilung. Und die Strafjustiz in Russland gilt als politisch gesteuert, die meisten Anklagen enden mit einem Schuldspruch.

Medien hatten zuvor berichtet, der Reporter sei verschwunden.

Der 1991 geborene Reporter Evan Gershkovich werde der «Spionage im Interesse der amerikanischen Regierung» verdächtigt, teilte der Geheimdienst FSB am Donnerstag laut Staatsagentur Tass mit. Er wurde in Jekaterinburg im Ural festgenommen – wegen angeblicher Spionage gegen einen militärisch-technischen Komplex. Das Gebiet Swerdlowsk um Jekaterinburg gilt als eine der Hochburgen der russischen Rüstungsindustrie.

US-Amerikaner werden immer wieder in Russland wegen Spionage verdächtigt. Gershkovich wird allerdings der erste Journalist sein, der verhaftete wurde, obwohl er offiziell beim russischen Aussenministerium akkreditiert ist. Die russische Opposition sprach von einer «Geiselnahme». Das Team des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny teilte mit:

«Putin ist bereit, jede Methode anzuwenden, um Druck auf den Westen auszuüben.»

Kreml hält Spionagevorwürfe gegen US-Journalisten für bewiesen

Nach Darstellung des Kremls sind die Spionagevorwürfe gegen Gershkovich bewiesen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte am Donnerstag im staatlichen Rundfunk:

«Soweit uns bekannt ist, wurde er auf frischer Tat ertappt.»

Er hoffe nun, dass es keine Repressionen gegen russische Journalisten in den USA gebe, sagte Peskow auf Nachfrage. «Das dürfte zumindest nicht sein, weil es in dem Fall nicht um einen Verdacht geht, sondern darum, dass er auf frischer Tat ertappt wurde», sagte der Kremlsprecher.

Zuvor hatte schon Aussenamtssprecherin Maria Sacharowa den vom FSB erhobenen Vorwurf der Spionage gegen Gershkovich bestätigt. Sacharowa sagte, womit sich Gershkovich in Jekaterinburg befasst habe, habe nichts mit Journalismus zu tun. Auf Telegram behauptete sie weiter:

«Leider ist dies nicht der erste Fall, wo der Status eines ausländischen Korrespondenten, das Journalistenvisum und die Akkreditierung von Ausländern in unserem Land zur Verschleierung einer Tätigkeit genutzt werden, die kein Journalismus ist.»

«Wall Street Journal» steht hinter dem Reporter

Das «Wall Street Journal» hat derweilen alle Vorwürfe gegen seinen Reporter dementiert und dessen Freilassung gefordert. «Wir sind solidarisch mit Evan und seiner Familie», teilte die Zeitung mit. Die Menschenrechtsorganisation «Reporter ohne Grenzen» nannte die Festnahme «besorgniserregend». «Journalisten dürfen nicht zur Zielscheibe werden», forderte die Organisation. 2022 hat die russische Führung im Zuge ihres Angriffskriegs gegen die Ukraine die Meinungs- und Pressefreiheit im Land noch einmal deutlich eingeschränkt.

Russland hatte zuletzt im Zuge des Ukraine-Kriegs die Gangart gegen westliche Journalisten verschärft. Es drohen etwa auch Verfahren wegen Diskriminierung oder Rufschädigung der russischen Armee. Einige Korrespondenten und Medien hatten im vergangenen Jahr nach Kriegsbeginn zeitweilig die Arbeit eingestellt aus Angst vor Repressionen. Die Zahl der westlichen Journalisten ist geringer geworden, weil viele Medien keine Akkreditierungen erhalten für ihre Reporter.

Die russische Opposition sprach von einer «Geiselnahme». «Putin ist bereit, jede Methode anzuwenden, um Druck auf den Westen auszuüben», teilte das Team des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny mit. Kremlchef Wladimir Putin hatte in der Vergangenheit immer wieder inhaftierte russische Kriminelle in den USA durch einen Austausch mit in Moskau verurteilten Amerikanern freibekommen.

(yam/sda/dpa)

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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olmabrotwurschtmitbürli #wurstkäseszenario
30.03.2023 13:17registriert Juni 2017
Armer Tropf.

Vermutlich wollen die mal wieder einen öffentlichkeitswirksamen Geiselaustasch in den Medien.
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Yeah, right.
30.03.2023 13:27registriert April 2018
Wenn die Spezialoperation nicht nach Plan läuft, kreiert man ad hoc einen Nebenschauplatz. Eine miese Nummer mehr des Schurkenstaates.
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«Putin hat jetzt das gleiche Problem wie Hitler»
Unter enormen personellen und materiellen Verlusten hält Putin seine Offensive im Osten der Ukraine aufrecht und verzeichnet Geländegewinne. ETH-Militärökonom Marcus Keupp relativiert die russischen Vorstösse. Putin stehe vor den gleichen Problemen wie Hitler im Zweiten Weltkrieg.

Sie sagten in unserem letzten Gespräch, dass Russland den Krieg bis Ende Oktober 2023 strategisch verloren haben wird. Damals waren wir bei Kriegstag 603. Heute haben wir Kriegstag 800, bleiben Sie bei Ihrer Aussage?
Marcus Keupp: Zunächst gilt es, klarzumachen, was strategisch verloren heisst. Ich meine damit, dass die russische Produktions- bzw. Ersatzrate nicht mithalten kann mit der Abnutzungsrate. Wenn der Krieg so weitergeht, wird sich das russische Material so stark abnutzen, dass Russland sein Kriegsziel nicht erreichen kann: das Ende der Ukraine als eigenständiger Staat.

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