Russland hat das Abkommen zur Getreideausfuhr aus der Ukraine über das Schwarze Meer gestoppt. Erst wenn alle Forderungen für die Ausfuhr russischen Getreides erfüllt seien, kehre Moskau wieder zur Erfüllung der Vereinbarung zurück.
Damit kommt der Transport von Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide, vor allem Mais und Weizen, über den Seeweg zum Erliegen, obwohl die Ausfuhren vor allem für ärmere Länder wichtig sind.
Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine drohten in vielen Teilen der Welt Hungersnöte und Preissteigerungen von Getreide. Dass das langfristig abgewendet werden konnte, ist einem Abkommen zwischen Moskau und Kiew zu verdanken, das unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei erreicht werden konnte: der sogenannten «Schwarzmeer-Getreide-Initiative».
Die Ukraine konnte seit August 2022 so trotz des russischen Angriffskriegs 33 Millionen Tonnen Getreide exportieren. Doch das könnte sich nun ändern: Russland hat angekündigt, das Abkommen noch vor seinem Ablaufen Montagmitternacht zu stoppen und nicht zu verlängern.
Das sind die weitreichenden Folgen:
Die Vereinbarung vom 22. Juli 2022 sollte den mit Getreide beladenen Schiffen aus drei Schwarzmeer-Häfen der Ukraine trotz des russischen Angriffskrieges eine sichere Passage durch den Bosporus gewährleisten. Die Schiffe fuhren entlang eines 310 Seemeilen langen und drei Seemeilen breiten Korridors. Ein Koordinierungszentrum in Istanbul war mit den Partnern des Abkommens besetzt, um die Fahrten zu kontrollieren: mit Vertretern der Kriegsgegner sowie der Türkei und der UN. Inspektionen sollten sicherstellen, dass Schiffe keine Waffen geladen haben.
Das erste Schiff fuhr Anfang August 2022. Bereits zuvor waren die Agrarexporte wegen des Kriegs monatelang blockiert gewesen. Am Sonntag machte sich nun im Hafen Odessa möglicherweise eines der letzten Schiffe auf den Weg, der Frachter «TQ Samsun». Er ist nach UN-Angaben mit mehr als 15'000 Tonnen Raps beladen.
Russland und die Ukraine sind beide grosse Getreideexporteure, die mit den Ausfuhren Milliarden verdienen. Für die durch den Krieg weiter verarmte Ukraine gehen ohne den Export wichtige Einnahmen für den Staatshaushalt verloren. Aber auch für die Bauern in dem Land geht es um ihre Existenz.
Die Ukraine will zudem auch ihre Rolle als Garant für die globale Ernährungssicherheit weiter wahrnehmen. Sie gilt als «Kornkammer der Welt». Das Getreide liefert sie teils auch über den Bahnverkehr. Damit aber können bei weitem nicht so viele Mengen transportiert werden, wie per Schiff. Angesichts des Krieges werden die Bahngleise zudem etwa für das Militär benötigt.
Die deutsche Botschafterin im UN-Menschenrechtsrat, Katharina Stasch, nennt den Export des Getreides «eine Frage von Leben und Tod». Denn viele Länder in Afrika sind von Lieferungen aus der Ukraine abhängig. In sieben Ländern am Horn von Afrika wüssten nach mancherorts jahrelanger Dürre 60 Millionen Menschen nicht immer, wo die nächste Mahlzeit herkommen soll, berichten die Vereinten Nationen.
«Wenn die Getreideinitiative nicht verlängert wird, würde das Ostafrika absolut hart treffen», sagte Dominique Ferretti vom Nothilfe-Büro des Welternährungsprogramms (WFP) Ende Juni. Mit der Ankündigung Moskaus, das Getreideabkommen vorerst zu stoppen, könnte das nun Wirklichkeit werden.
Zwar war China das Hauptempfängerland der durch die Initiative ermöglichten Exporte, aber auch die ärmsten Länder haben profitiert, berechnete die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad). Der Anteil der ärmsten Länder an den ukrainischen Weizen-Lieferungen sei höher gewesen als vor dem Krieg, sagte Unctad-Ökonom Carlos Razo der Deutschen Presse-Agentur. In diesem Jahr seien es 24 Prozent des gesamten ukrainischen Weizenexports gewesen, während es im gleichen Zeitraum 2021 rund 22 und im Jahr davor 17 Prozent gewesen seien.
Insgesamt sind nach seinen Angaben seit Beginn der Getreideinitiative 1.9 Millionen Tonnen Weizen und 26'000 Tonnen Sonnenblumenöl an die ärmsten Länder geliefert worden. Beliefert wurden aber statt 15 Länder wie vor dem Krieg nur neun Länder. Zum Beispiel seien keine Exporte mehr an Mauretanien, Mosambik und Myanmar gegangen. «Kein Weizen, der nötig ist, um Hunger in den ärmsten Ländern zu bekämpfen, ist nach China gegangen», sagte Razo.
Mit dem Stopp der Initiative könnten die Getreidepreise nun auch im Rest der Welt wieder steigen, fürchtet der Chefökonom der UN-Agrarorganisation FAO, Máximo Torero Cullen. Der Export von Millionen Tonnen Getreide führte zu einem Rückgang der weltweiten Lebensmittelpreise – die nach UN-Angaben von Anfang Juli nun um 23 Prozent unter den Rekordwerten von März 2022 liegen.
Russland bestand von Anfang an darauf, dass für seine Mitarbeit im Gegenzug westliche Sanktionen gelockert werden, durch die Moskau seine eigenen Getreide- und Düngemittelexporte behindert sieht.
Zu den russischen Bedingungen gehört die ungehinderte Lieferung von Ammoniak nach Europa über die Ukraine sowie die Anbindung der russischen Agrarbank an das SWIFT-System, von dem sie aufgrund der Sanktionen abgekoppelt wurde.
Moskau sieht hier die UN in der Pflicht, Druck auf den Westen auszuüben – und drohte immer wieder mit einem Ausstieg aus dem Abkommen.
Die EU schlug zuletzt die Gründung einer Tochter der Agrarbank zur Abwicklung von Finanzgeschäften vor. Eine Sprecherin des russischen Aussenministeriums aber warf der EU daraufhin vor, dass es sich dabei um einen «bewusst nicht umsetzbaren Plan» handele. Die Gründung einer solchen Bank und ihr Anschluss an das internationale Bankenkommunikationsnetzwerk Swift dauere Monate. Für die von Russland geforderte Aufhebung der Sanktionen gegen die Landwirtschaftsbank wäre allerdings die Zustimmung der EU-Staaten nötig, was ebenfalls als undurchsetzbar gilt.
Russische Banken können wegen der Trennung vom Swift-Kommunikationsnetzwerk der Banken nur noch schwer Finanzgeschäfte abwickeln. Auch die Versicherung von Schiffen und Frachten gilt als schwierig. «Unter diesen Bedingungen ist es offensichtlich, dass es keine Grundlage gibt für eine Fortsetzung der Schwarzmeer-Initiative, die am 17. Juli ausläuft», sagte Sacharowa.
Präsident Wladimir Putin sagte am Donnerstag im Staatsfernsehen, man denke noch über das weitere Vorgehen nach. Es gebe etwa die Möglichkeit, die Beteiligung Russlands an dem Abkommen so lange auszusetzen, bis die Versprechungen, die Moskau im Rahmen der Vereinbarung gegeben worden seien, auch tatsächlich erfüllt würden – eine Überlegung, die der Kremlchef nun umgesetzt hat. (dpa/reuters/mam/cho)
Wie tief will der Kreml noch sinken?
Lösung 2. Die Türkei garantiert freien Schiffsverkehr im schwarzen Meer und begleitet jeden Frachter vom Hafen bis zum Bosporus und zurück, notfalls in Konvois. Der Erdogan sagte doch auf der letzten NATO Konferenz, dass er dies machen wolle, wenigstens für Handelsschiffe welche die Ukraine anlaufen. Jetzt darf er liefern.
Könnte sich Puttler einen Fehlschuss leisten?!?