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Wahlen in Russland: Putin gewinnt mit 87 Prozent der Stimmen

Putin mit 87 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt – die Wahlen in Russland im Überblick

Am Sonntag war der letzte Tag, an dem in Russland gewählt wurde. Wie erwartet gewann Amtsinhaber Wladimir Putin deutlich – sowohl im In- als auch im Ausland kam es zu Protesten. Die Ereignisse im Überblick.
17.03.2024, 19:1818.03.2024, 08:51
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Wie sieht das Resultat aus?

Nach einer von Manipulationsvorwürfen begleiteten Präsidentenwahl hat Russlands Wahlkommission Kremlchef Wladimir Putin ein Rekordergebnis von vorläufig rund 87 Prozent der Stimmen zugesprochen. Nach Auszählung von knapp 50 Prozent der abgegebenen Stimmen lag Putin bei einem Anteil von 87,34 Prozent, wie russische Medien aus der Zentralen Wahlkommission berichteten. Damit legte der 71 Jahre alte Putin um mehr als zehn Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl von 2018 (76,7 Prozent) zu. Es gilt als das beste ihm je zuerkannte Ergebnis, mit dem er seine fünfte Amtszeit antritt.

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Gewinnt wenig überraschend deutlich: Wladimir Putin.Bild: keystone

Die Wahlbeteiligung wurde mit über 74 Prozent angegeben – ebenfalls ein Rekord. Es war der höchste Wert bei einer russischen Präsidentenwahl. Kritiker wiesen jedoch darauf hin, dass er nur durch Repressionen, Zwang und Betrug erreicht wurde.

Warum gilt das Resultat als umstritten?

Unabhängige Beobachter wiesen auf systematischen Betrug hin, der hinter diesem hohen Wert für Putin stecke. So wurden seit dem ersten Wahltag am Freitag massenhaft Fälle dokumentiert, in denen etwa Angestellte staatlicher Firmen zur Stimmabgabe gedrängt wurden und teils sogar Beweisfotos von ihrem ausgefüllten Wahlschein machen mussten.

Kritiker beklagten zudem, dass insbesondere das Online-Verfahren leicht manipulierbar sei. Beobachter dokumentierten auch das massenhafte Stopfen von vorab ausgefüllten Stimmzetteln in die Urnen.

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Auch Wladimir Putin gab seine Stimme online ab.Bild: keystone

Wie unruhig lief die Wahl ab?

Bei der vielfach als unfrei kritisierten Präsidentenwahl in Russland kam es zu diversen Zwischenfällen. So zündete etwa eine Frau Medienberichten zufolge in einem Wahllokal Feuerwerkskörper und verletzte sich dabei selbst schwer. Die 64-Jährige aus der Stadt Perm habe die Explosion auf der Toilette des Gebäudes herbeigeführt und sich dabei selbst eine Hand abgerissen, berichtete der Telegram-Kanal Baza am Sonntagabend.

Die regionalen Behörden bestätigten einen Notfall in dem Wahllokal und teilten mit, dass die Frau ins Krankenhaus gebracht worden sei. Es ist nicht bekannt, ob weitere Personen verletzt wurden.

In den sozialen Medien kursieren zudem absurde Bilder aus den Wahllokalen Russlands. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein bewaffneter Soldat in die Wahlkabinen stürmt, um zu schauen, was dort gerade passiert. In einem anderen Video ist zu sehen, wie eine Frau von einem Polizisten festgehalten wird, weil sie grüne Farbe dabeihatte.

Das Portal Ovd-Info berichtet auf Twitter, dass bei den Protesten in Russland dutzende Menschen festgenommen wurden. Insgesamt zählte die Organisation Ovd-Info bis zum frühen Sonntagnachmittag landesweit über 70 Festnahmen – rund 30 davon in der Stadt Kasan. Auch Menschen in Moskau und St. Petersburg waren betroffen. Viele von ihnen wollten sich demnach um Sonntag um exakt 12 Uhr Ortszeit vor ihren Wahllokalen in langen Schlangen anstellen, um so ihren Unmut über die vom Machtapparat geplante und von der Opposition als undemokratisch eingestufte Wiederwahl Putins zu zeigen.

Auch der von der Präsidentenwahl ausgeschlossene Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin hat sich an der friedlichen Protestaktion «Mittag gegen Putin» in der russischen Hauptstadt beteiligt. Im Moskauer Institut für Physik und Technik, wo ein Wahllokal ist, wurde er mit grossem Applaus von Studenten empfangen, wie ein von ihm am Sonntag bei Telegram veröffentlichtes Video zeigt. «Ich denke, ihr werdet noch die Chance haben, für mich zu stimmen», sagte er den Versammelten. Er kündigte die Veröffentlichung eigener Nachwahlbefragungen nach Schliessung der Wahllokale an.

Wo erzielte Putin das beste Ergebnis?

In der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus hat Präsident Wladimir Putin bei seiner Wiederwahl von der Wahlkommission den landesweiten Rekordwert von 98,99 Prozent der Stimmen zuerkannt bekommen. Die Wahlbeteiligung lag den Angaben vom Montag zufolge bei 97 Prozent. Damit übertrifft das frühere Kriegsgebiet, das unter Machthaber Ramsan Kadyrow traditionell hohe Wahlergebnisse für die politische Führung liefert, das Ergebnis von 2018 (91,44 Prozent) und liegt russlandweit vorn.

Auch in den übrigen Kaukasus-Republiken wurde dem Amtsinhaber mit zumeist gut 90 Prozent ein überdurchschnittliches Ergebnis zugeschrieben. Die Wahlkommission sprach Putin nach Auszählung fast aller Zettel mehr als 87 Prozent der Stimmen zu – so viele wie nie bei seinen vier Wahlen zuvor.

Das offiziell beste Ergebnis erzielte Putin in Tschetschenien 2012, als für ihn 99,76 Prozent angegeben wurden. Damals soll die Wahlbeteiligung sogar bei 99,61 Prozent gelegen haben. Allerdings gelten Abstimmungen in Tschetschenien insgesamt als fragwürdig – mehr noch als im übrigen Russland. Beobachter sprechen von Repression, Zwang und Betrug in der Region. Kadyrow gilt als Gewaltherrscher, dem schwerste Menschenrechtsverstösse und auch politische Auftragsmorde vorgeworfen werden. Er präsentiert sich zugleich als treuer Ergebener Putins.

Tschetschenien war in den 1990er Jahren eine von Russland abtrünnige Region. Putin liess 1999 als Premierminister russische Truppen in der Republik einmarschieren. Die Hauptstadt Grosny wurde beim Sturm schwer zerstört. Die Metropole ist inzwischen wieder aufgebaut.

Was lief in der Schweiz?

Am letzten Tag der russischen Präsidentschaftswahl haben am Sonntag in Bern rund tausend Russinnen und Russen gegen Amtsinhaber Wladimir Putin protestiert. Der Aufruf ging an «alle, die mit Putins Politik nicht einverstanden, gegen den Krieg und die Ungerechtigkeit sind».

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Demonstranten am 17. März in Bern.Bild: keystone

Auch vor dem russischen Generalkonsulat in Genf kam es zu Protesten gegen den Kreml-Chef Wladimir Putin. Die Schlange, in der sich viele junge Russen befanden, erstreckte sich geordnet über das Trottoir, wie eine Korrespondentin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Einige trugen Plakate gegen Putin und den Ukraine-Krieg. In Genf wurden fast 2000 Russen aus der Westschweiz zur Stimmabgabe erwartet.

Die meisten Menschen, die am Mittag anwesend waren, folgten dem Aufruf der Witwe des toten Oppositionellen Alexej Nawalny, zur gleichen Zeit am Mittag an die Urnen zu gehen.

Was machte Nawalnaja?

Apropos Nawalnaja: Die Nawalny-Wittwe, die in Deutschland lebt, nahm in Berlin ebenfalls an Protesten teil. Die Menschenrechtsaktivistin enthielt sich nicht der Wahl, sondern schrieb nach eigenen Angaben den Namen ihres gestorbenen Mannes auf den Stimmzettel.

17.03.2024, Berlin: Julia Nawalnaja (M), Witwe von Alexey Nawalny, steht in einer Warteschlange vor der russischen Botschaft. An Protesten gegen den russischen Pr�sidenten Putin nahe der Botschaft sei ...
Julia Nawalnaja am 17. März in Berlin.Bild: keystone

Das sagte sie am Sonntag in Berlin, nachdem sie dort in der russischen Botschaft an der Wahl teilgenommen hatte. Nawalnaja hatte sich überraschend in die Warteschlange vor der Botschaft eingereiht und dann am frühen Abend das Gelände betreten. Kurz darauf verliess sie es wieder.

Nach Polizeiangaben beteiligten sich an der Demonstration in Berlin rund 800 Menschen. Die Demonstrantinnen und Demonstranten riefen «Sieg für die Ukraine! Freiheit für Russland!», «Nawalny ist ein Held Russlands» und «Putin ist illegitim». Zahlreiche Menschen schwenkten Fahnen in Weiss-Blau-Weiss, was die neuen Farben eines freien Russlands sein sollen, wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer sagten.

Was sagt Selenskyj zum Resultat?

In den okkupierten Teilen und auf der von Russland bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim stimmten Menschen ebenfalls bei der von Putin-Gegnern als Farce kritisierten Wahl ab. Die Ukraine und andere Länder weisen die unter Bruch des Völkerrechts organisierte Abstimmung als illegal und bedeutungslos zurück. Das Aussenministerium in Kiew forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach Putin «jede Legitimität» ab. «Diese Wahlfälschung hat keine Legitimität und kann keine haben», sagte Selenskyj in seiner in Kiew verbreiteten abendlichen Videoansprache. «Diese Figur (Putin) muss auf der Anklagebank in Den Haag landen – dafür müssen wir sorgen, jeder auf der Welt, der das Leben und den Anstand schätzt.» Wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen in der Ukraine gibt es einen Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag gegen Putin.

Wie sind die internationalen Reaktionen?

Es gab bereits erste Glückwünsche aus mehreren autoritär regierten Ländern. Gratulationen hätten die Staatschefs von Nicaragua, Tadschikistan und Venezuela übermittelt, teilte die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass am Montagmorgen mit. «Mit mehr als 87 Prozent (der Stimmen) hat Putin den Krieg gegen das Imperium des kollektiven Westens völlig gewonnen», zitierte sie dabei den venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro. Maduro, der Venezuela seit 2013 autoritär regiert und sich im Sommer wiederwählen lassen will, bezeichnete den Sieg des «älteren Bruders» als gutes Vorzeichen für die ganze Welt.

Auch Nicaraguas Präsident Daniel Ortega sprach von einem Triumph, der zur Stabilität und einer besseren Zukunft der Menschheit beitragen werde. Die Wahlen selbst seien vorbildlich und ruhig verlaufen, sagte Ortega demnach. Unabhängige Beobachter hingegen hatten bei der Abstimmung in Russland massive Manipulationen, Wählereinschüchterung und Druck der Obrigkeit bemängelt.

Tadschikistans Präsident Emomali Rachmon wiederum sprach von einem überzeugenden Sieg Putins. Er hoffe auf die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen, heisst es in einer Mitteilung des Pressedienstes von Rachmon. Der tadschikische Staatschef ist noch länger als Putin selbst im Amt und führt die zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik bereits seit Anfang der 1990er Jahre. (sda/dpa)

(dab/cmu/con/rbu mit Material der sda)

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169 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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750GT
17.03.2024 15:16registriert November 2016
Sehr gut möglich dass die Weltwoche bei der nächsten Ausgabe, Putin's "klaren Wahlsieg" gehörig abfeiert.
22514
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SJ_California
17.03.2024 14:43registriert März 2016
„Erste Ergebnisse sollte es noch am Sonntagabend geben, aussagekräftige erst an diesem Montag.“

Nein, aussagekräftige Ergebnisse wird es in Russland noch lange nicht geben!
1795
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Bob65
17.03.2024 14:21registriert Dezember 2020
Die Wiederwahl von Putin muss weltweit von allen Staaten aberkannt werden.
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