Die Sanktionen des Westens gegen Russland haben den Handlungsspielraum von Wladimir Putin erheblich eingeschränkt. Dennoch kann er noch einige Güter exportieren, um Geld für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine in die Staatskassen fliessen zu lassen. Dabei spielt russisches Öl eine grosse Rolle. Es ist eine der Haupteinnahmequellen des Landes. Doch damit könnte bald Schluss sein.
In den arabischen Ländern mehrt sich der Unmut über das russische Billigöl, berichtet der «Business Insider». Saudi-Arabien, wichtigstes Mitglied der OPEC, versucht schon länger, den Ölpreis bei über 100 Dollar pro Barrel zu halten. Kronprinz Mohammed bin Salman – Spitzname MBS – braucht die Einnahmen, um seine Megaprojekte des Projekts 2023 zu finanzieren. Deswegen forderte er in den vergangenen Monaten die Mitglieder der Organisation der Erdöl produzierenden Länder auf, die Produktion zu drosseln – bislang mit wenig Erfolg. Der Ölpreis dümpelt bei 80 Dollar. Einer der Gründe liegt in der Überproduktion von russischem Öl. Moskau habe zum Beispiel im Juli weit mehr Öl gefördert, als es die Quoten eigentlich vorsehen, sagte die Firma S&P Global Rankings, die sich die öffentlich verfügbaren Daten angesehen hat.
Russland ist auf das Ölgeld angewiesen, es macht etwa 40 Prozent der Staatseinnahmen aus. Doch Saudi-Arabien könnte bald der Geduldsfaden reissen. «Saudi-Arabien hat die Nase voll», sagte Simon Henderson, Direktor des Bernstein-Programms für Golf- und Energiepolitik am Washington Institute, gegenüber dem «Business Insider». Laut einem Bericht der «Financial Times» erwägt der saudische Herrscher MBS, sich auf einen Preiskampf einzulassen – und damit Russland in die Knie zu zwingen. Denn wenn der Scheich die Ölhähne öffnet, könnte der Preis auf 50 Dollar sinken – und das würde ein empfindliches Loch ins russische Budget reissen.
Das russische Wirtschaftsministerium hat seine Prognosen für die Exportverkäufe von Öl und Gas, den wichtigsten Quellen für Haushaltseinnahmen, für das Jahr 2024 aufgrund positiverer Preisaussichten um 17,4 Milliarden Dollar auf 239,7 Milliarden angehoben, wie aus einem von Reuters eingesehenen Dokument hervorgeht.
Der amerikanische Experte für Ölpreisentwicklungen, Simon Henderson vom Washington Institut, sieht die Gefahr, dass sich der Preiskrieg von 2020 wiederholt. Damals lagen Saudi-Arabien und Russland im Clinch, Riad überflutete den Markt mit Öl aus seinen Reserven. Damals sank der Preis kurzzeitig auf 20 Dollar pro Barrel.
Mit solchen Preisen hätte Russland ein grosses Problem. «Da Russland sein Öl bereits zu reduzierten Preisen und mit höheren Produktionskosten verkauft, könnte ein Niedrigpreisumfeld auf den Ölmärkten seine Fähigkeit beeinträchtigen, den Krieg in der Ukraine zu finanzieren», schrieb Luke Cooper, Forschungsstipendiat an der London School of Economics, für das IPS Journal.
In seinen Voraussagen hat Russland bereits angekündigt, die Produktion im kommenden Jahr zurückzufahren. Die Produktion soll weiter auf 518,6 Millionen Tonnen sinken, was einem Rückgang um 11,4 Millionen Tonnen gegenüber der vorherigen Prognose entspricht. Unklar ist, ob dies auf Druck der Saudis geschieht oder Russland Schwierigkeiten bei der Ölproduktion hat. Denn anders als die arabischen Staaten, die das schwarze Gold recht einfach aus dem Wüstenboden holen, ist die Produktion in Russlands« Sibirien» erheblich aufwendiger und erhöht die Produktionskosten. Sinkt dann der Preis, könnte Putin bald kaum noch Profite machen.
Das Mitgefühl für Putin wird sich in engen Grenzen halten; er will's ja so.