Herr Aslund, Donald Trump hat seine Antrittsrede als neuer US-Präsident gehalten. Haben Sie darin Botschaften an die Ukraine oder an Putin entdeckt?
Anders Aslund: Trump hat neben Amerika nur über ein einziges Land gesprochen: Panama. Er hat nicht über Russland oder die Ukraine gesprochen. Das ist ein gutes Zeichen.
Warum?
Zuvor hatte Trump gesagt, dass man den Ukrainern nicht erlauben darf, Ziele in Russland anzugreifen. Er war insgesamt eher hart in der Rhetorik gegenüber der Ukraine. Das hat er nun nicht wiederholt. Er scheint mir etwas offener gegenüber der Ukraine zu sein. Trump möchte Putin keinen Sieg schenken, denn das wäre nicht in seinem Interesse.
Sie kennen Russland sehr gut. Ist Putin aktuell eher in einer Position der Stärke oder der Schwäche?
Putin ist nicht sehr stark aktuell. Die Repression im Land ist so ausgeprägt wie seit Stalin nicht mehr. Daher ist es schwer zu sagen, was die Leute wirklich denken. Maximal ein Drittel der Russen, eher weniger, sind liberal eingestellt. Ebenfalls so viele sind sehr für Putin und für Militarismus. Ein grosser Teil der Bevölkerung ist in der Mitte und beschäftigt sich kaum mit Politik. Auch innerhalb der Elite gibt es Spaltungen. Die eine Gruppe ist für den Krieg, die andere offen dagegen.
Können diese Oligarchen Putin gefährlich werden?
Nicht direkt, aber es gibt grosse Konflikte zwischen den Oligarchen in Russland. Und Putin tut nichts, um das zu unterbinden. Die Konflikte sind nicht kontrolliert. Das haben wir bereits beim Putschversuch von Jewgeni Prigoschin erlebt.
Was bedeutet das für Putins Stellung in Russland?
Das bedeutet zunächst, dass Putins Macht ziemlich schwach ist. Putin kann plötzlich fallen. Wie Ceaușescu 1989 in Rumänien oder Assad in Syrien Ende vergangenen Jahres. Bei letzterem ging es nur wenige Tage, und niemand hatte es kommen sehen.
Putin hat über Jahrzehnte den Machtapparat Russlands komplett auf sich zugeschnitten. Sie sagen, dass dieser gar nicht so stabil ist, wie wir denken?
Ja. Das zeigen die Fälle Prigoschin und auch die Anschläge in Dagestan. Alle warten darauf, was Putin sagt – aber der sagt nichts.
Was würde in Russland passieren, wenn Putin tatsächlich stürzt?
Dann hätten wir eine Situation wie im August 1991. Das gesamte System würde kollabieren.
Damals wurde versucht, mit Boris Jelzin eine Demokratie aufzubauen, doch das hat nicht funktioniert. Ist so etwas überhaupt möglich in Russland?
Das kann funktionieren. Die Macht läge dann quasi auf der Strasse, und die Frage wäre, wer sich schnell organisieren kann.
Alexej Nawalny wurde getötet, es gibt keine starke oppositionelle Figur mehr in Russland, die das übernehmen könnte.
Das kann aber sehr plötzlich geschehen. Auch das haben wir kürzlich in Syrien gesehen mit einem neuen Anführer, den vorher kaum jemand kannte.
Noch sind wir aber nicht so weit. Zunächst dürften sich Trump und Putin zu Gesprächen zusammensetzen.
Ich glaube nicht, dass das so einfach gehen wird. Sie könnten zunächst telefonieren und Trump dabei Bedingungen formulieren, etwa das Schiessen in der Ukraine einzustellen. Putin wird sich nicht an solche Bedingungen halten. Als Konsequenz könnte Trump die Ukraine stärker, als es die USA bisher tun, unterstützen. Für Trump wäre es jedoch sehr wichtig, dass es keine Geschenke für die Ukrainer werden, sondern Kredite.
Das wäre das positive Szenario. Es könnte aber doch auch sein, dass Putin und Trump über die Köpfe der Ukrainer zu einer Einigung kommen und die Ukrainer so zwingen, Teile ihres Territoriums aufzugeben.
Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Dagegen sprechen die Stimmen, die man aus seiner neuen Mannschaft hört. Die Russen haben sich zuletzt auch sehr negativ gegenüber Trump geäussert, und das gefällt dem natürlich gar nicht.
Wer ist aktuell in einer besseren Position, Russland oder die Ukraine?
Der ukrainischen Wirtschaft geht es eigentlich ganz gut. Russland dagegen hat grosse Probleme mit der Inflation. Wirtschaftlich haben sie die grösseren Probleme als die Ukraine. Die Russen attackieren derzeit massiv, aber das kostet sie auch sehr viel. Perspektivisch ist die Ukraine in einer besseren Position. Die Ukrainer müssen die erste Hälfte dieses Jahres überstehen. Danach wird es für die Russen schwieriger.
Der gute Jornalist, die gute Journalistin würde jetzt fragen: "Wieso?"
Das ist Putin seit 2022 nicht mehr. Ganz im Gegenteil offenbarte er seine eigene strategische und Russlands militärische und wirtschaftliche Unfähigkeit.
Trump erkennt Schwäche instinktiv sofort und zieht die Schrauben an.
Diesem wirtschaftlichen und militärischen Druck kann Putin in seiner Sackgasse nicht standhalten.