«Heruntergelassene Hosen»: So leiden die Dänen unter dem ständigen Drohnenalarm
In der Nacht auf Sonntag wurden erneut Drohnen über dänischen Militäranlagen gesichtet. Das war auch in den letzten Tagen mehrfach der Fall gewesen, wie das Verteidigungsministerium bestätigte. Zuvor waren bereits die Flughäfen in Kopenhagen, Oslo sowie in Aalborg, Esbjerg und Billund zeitweise stundenlang wegen grosser Drohnen geschlossen worden.
Für die Armee seien die systematischen Drohnenüberflüge, unter anderem über einen Flughafen mit F-35-Kampffliegern, «Gift», sagte Anders Lomholt, Militärexperte des Senders TV2, denn sie zeigten die dänische Verteidigung «mit heruntergelassenen Hosen»: Es gebe offensichtlich keine wirksame Abschreckung oder Schutz der kritischsten Anlagen.
Lomholt ist bei weitem nicht allein: Diverse Experten äusserten sich ähnlich, es war von «peinlich» und «Demütigung» die Rede. Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen räumte ein, dass Armee, Polizei und Geheimdienste im Einsatz gegen die Drohnen hinterherhinkten. Dänemark scheint also ein leichtes Opfer für solche Angriffe.
Kreml bestreitet Verwicklung
Die Geheimdienste und auch Regierungschefin Mette Frederiksen sagten zwar zwischen den Zeilen, dass Russland der vermutete Täter sei. Aber Beweise dafür kann oder will Dänemark nicht vorlegen – und der Kreml weist die Vorwürfe weit von sich.
Die Regierung erklärte, nur ein staatlicher Akteur verfüge über die nötigen Mittel für solche umfassenden Angriffe. Dazu kommt, dass Russland ein klares Motiv hat: Dänemark gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine – und übernimmt Anfang Oktober die EU-Ratspräsidentschaft, weshalb die Regierungschefs der 27 Mitglieder nach Kopenhagen reisen. Nicht auszudenken, wenn dann wieder der Flughafen blockiert wäre oder andere Sicherheitsrisiken bestünden.
Mette Frederiksen sprach von «Hybridangriffen eines feigen Gegners», die keine direkte militärische Bedrohung darstellten, aber als psychologische Kriegsführung sowohl Bevölkerung wie Behörden herausforderten. Nach einer Woche zeigt sich die Wirkung deutlich:
Verunsicherung
Wie gross sind die Drohnen wirklich, wie viele sind es? Spionieren sie? Antworten darauf haben die Behörden keine, und die Besorgnis in der Bevölkerung wächst. Viele fragen sich, ob ihr Flug am nächsten Tag wirklich abheben wird und das Preppen wird plötzlich wieder zum grossen Thema.
Verwirrung
In den letzten Tagen hat die Polizei Hunderte von Drohnen-Meldungen erhalten. Sie fordert die Bevölkerung auch auf, Verdächtiges zu melden, doch nun wird sie mit Phantomsichtungen überschwemmt, die sich oft als Vögel, Flugzeuge oder Planeten herausstellen. Weil unklar bleibt, woher die Drohnen kommen, gibt es Spekulationen über mehrere Schiffe, darunter Frachter und ein russisches Kriegsschiff unweit der dänischen Inseln. Die deutsche Polizei stürmte im August einen Frachter, weil der Verdacht besteht, dass Drohnen an Bord gestartet und Militäranlagen ausspioniert wurden.
Einschränkungen
Am Sonntag erliess die Regierung ein generelles nationales Drohnenflugverbot für eine Woche. Damit soll die Polizei entlastet und die Sicherheit rund um den EU-Gipfel erhöht werden.
Politischer Streit
Nicht nur Experten, auch Politiker kritisierten Geheimdienste und Armee und zeigten sich entsetzt, wie unvorbereitet das Land sei. Andere wiederum forderten in dieser Krise «nationalen Zusammenhalt» statt Angriffe gegen die Regierung.
Währenddessen erhielt Dänemark Rückdeckung seiner Nato-Partner. Die USA verlegten Überwachungsflugzeuge nach Norwegen, Schweden versprach die Lieferung von Drohnenabwehrwaffen und Deutschland schickt Unterstützung zur Sicherung des EU-Gipfels. Russland und seine Drohnen sollen auch in Dänemark in die Schranken gewiesen werden. (aargauerzeitung.ch)
