Polizist fragte Kollegin bei WEF-Einsatz nach Sex: Jetzt hat das Bundesgericht entschieden
Im Januar, wenn die Grossen und Mächtigen am Weltwirtschaftsforum in Davos ihr Klassentreffen halten, herrscht Alarmstufe eins. Ein Grossaufgebot von Militär und Polizei sorgt dafür, dass Staatschefs, Wirtschaftsführer und Showstars sicher Bündner Höhenluft atmen können.
Abseits der glamourösen internationalen Bühne ist es am 17. Januar 2024 zu einem wenig erbaulichen Vorgang gekommen. Ein Angehöriger der Stadtpolizei Zürich, damals 58-jährig, fragte eine Kollegin während eines Einsatzes am WEF, ob sie «es» für 300 Franken eine halbe Stunde machen würde. Die 21-Jährige, die noch nicht lange für die Stadtpolizei im Dienst stand, verneinte. Worauf der Polizist nachhakte und das Angebot auf 1000 Franken erhöhte. Nach einer zweiten Abfuhr entgegnete er, andere hätten es im Dienst schon für weniger Geld gemacht. Die Polizistin fühlte sich behandelt wie eine Prostituierte und schaltete ihre Vorgesetzten ein.
Die Grenzüberschreitung endete für den Polizisten einen Monat später mit einer fristlosen Kündigung – nach 36 Jahren Dienst in der Stadtpolizei Zürich. Er stritt nicht ab, die entsprechenden Aussagen gemacht zu haben. Gemäss dem Zürcher Verwaltungsgericht zeigte er aber keine Einsicht. So habe er an der ersten Befragung zum Vorfall gesagt, sein Fehler habe darin bestanden, die Kollegin nicht darauf hinzuweisen, sie solle sich nicht an ihre Vorgesetzten wenden. Er habe seine Frage allgemein gemeint und nicht explizit nach Sex mit ihm gefragt. Er fand auch, Sexthemen sollten in Gesprächen im Arbeitsteam Platz haben. Als Entschädigung für seinen unfreiwilligen Abgang aus dem Polizeikorps verlangte er sieben Jahreslöhne, rund 800'000 Franken.
Mit dieser Forderung blitzte er vor dem Zürcher Verwaltungsgericht ab. Es hielt fest, dass mildere Sanktionen wie etwa eine ordentliche Kündigung nicht getaugt hätten, um das zerstörte Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu reparieren. Die fristlose Kündigung treffe ihn hart, sei aber verhältnismässig, die Verfehlung schwer. Hinzu kommt: Der Polizist fiel schon früher mit deplatzierten Äusserungen auf.
Der Mann wehrte sich bis vor Bundesgericht gegen den blauen Brief. Doch die Richter in Lausanne traten nicht auf die Beschwerde ein. Der Grund: Der Polizist legte gar nicht genügend dar, weshalb die fristlose Kündigung unrechtmässig sein solle. Er ist der einzige Angestellte der Zürcher Stadtpolizei, der in den letzten zehn Jahren seine Stelle wegen sexueller Belästigung verlor.
Dumme Witze und Sprüche am meisten verbreitet
Daten zur Häufigkeit dieses Phänomens bei Schweizer Polizeikorps liegen laut dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann keine vor. In einem 2024 publizierten Bericht zur Kantonspolizei Basel-Stadt kam Staatsrechtsprofessor Markus Schefer nach Befragungen im Korps aber zum Schluss, dass einzelne Polizisten gegenüber Frauen «eine von sexuellen Konnotationen durchsetzte Sprache benutzen und Frauen mit zum Teil derber Terminologie für weibliche Geschlechtsteile qualifizieren». Vereinzelt berichteten Frauen auch von sexuellen Übergriffen.
Generell gilt: Im helvetischen Arbeitsalltag sind Frauen, jüngere Angestellte, Personen in Ausbildung oder Personen mit Schicht- und Nachtarbeit am stärksten betroffen von sexueller Belästigung. Dies zeigt eine vor einem Jahr publizierte Studie, die das Büro Bass im Auftrag des Bundes durchgeführt hat. Demnach erlebten 30 Prozent der Angestellten in den letzten zwölf Monaten mindestens eine potenziell belästigende Situation, bezogen auf das ganze Berufsleben ist es knapp mehr als die Hälfte. Am meisten verbreitet sind dumme Sprüche und Witze. Sexuelle Erpressungen oder Übergriffe haben in ihrem gesamten Arbeitsleben 1,7 Prozent der Frauen und 1,3 Prozent der Männer erlebt. Mit unerwünschten Angeboten wie jenem an die Polizistin am WEF wurde jede zehnte angestellte Person behelligt.
