Die Bilder aus der norditalienischen Provinz Bergamo gingen um die Welt: Ein langer Konvoi aus Armeelastwagen transportiert hunderte von Toten ab, welche das Coronavirus gefordert hat. Die zivilen Behörden kamen mit der Arbeit nicht mehr nach. Das Militär musste einspringen.
Aber längst nicht nur in Italien kämpft mittlerweile auch das Militär gegen das Virus. Faktisch befindet sich halb Europa im Kriegszustand. Neben der Schweiz haben etliche andere EU-Länder ihre Armeen mobilisiert. Französische Soldaten bauen im Elsass Feldlazarette. In Spanien desinfizieren Männer im Tarnanzug die Strassen, in Deutschland fliegt die Bundeswehr Covid19-Patienten in Krankenhäuser. Allein Grossbritannien hat 20'000 Soldaten auf Abruf. In Deutschland sind es bis zu 15000, in Polen 9000. Das Coronavirus ist auch ein Test für die Einsatzfähigkeit militärischer Strukturen, die in Europa in den vergangenen Jahren stiefmütterlich behandelt wurden.
In erster Linie machen die Soldaten das, was sie wie kaum eine andere Institution beherrschen: Sie organisieren den kurzfristigen Transport einer grossen Menge dringend benötigter Güter. In Grossbritannien zum Beispiel verteilt die Armee Essen an rund 1.5 Millionen besonders gefährdeter Menschen, die in striktem Hausarrest verharren müssen. Innert Tagen hat die britische Armee hat auch die Umwandlung eines Messegeländes in London in ein Notspital mit 4000 Betten umgesetzt.
Eine weitere Rolle, die die Armee spielen kann, ist die Unterstützung des Gesundheitspersonals mit Militärärzten und -krankenschwestern. In den besonders betroffenen norditalienischen Städten Piacenza, Bergamo und Cremona werden Covid19-Patienten in provisorischen Armeekrankenhäuser gepflegt. Beim Mangel an Medikamenten und Schutzausrüstung kann die Armee zudem mit ihrem Not-Bestand einspringen. Die hierarchischen Befehlsstrukturen sorgen für Effizienz. Etwas, was im Chaos der Pandemie, wie es vielerorts auszubrechen droht, hochwillkommen ist.
Aber die Armeen kommen auch an ihre Grenzen. Ihr prinzipielles Geschäft ist der Krieg und nicht die Pandemiebekämpfung. Sie können den zivilen Behörden nur assistierend zur Seite stehen.
Auch stellt die Organisation der Truppe eine Herausforderung dar. Eine enge Kaserne mit ihren Massenschlägen wird schnell zum Seuchenherd. Nicht nur in der Schweizer Armee, wo sich weit über hundert Armeeangehörige infiziert haben. Und auch die höheren Chargen sind nicht verschont: Der italienische Armeechef General Salvatore Farina und sein polnischer Amtskollege sind selbst an Covid19 erkrankt. Obwohl Soldaten jung und sportlich sind und damit nicht zur Risikogruppe gehören, schränkt das Virus die Einsatzfähigkeit der Armeen ein. Das «Defender 2020» Militärmanöver zum Beispiel, bei welchem knapp 30'000 amerikanische Truppen quer durch Europa hätten verschoben werden sollen, wurde im März vorzeitig beendet.
Die Nato-Schiffe im Einsatz gegen Schlepperbanden in der Ägais dürfen keine türkischen Häfen mehr anlaufen und die Beamten transatlantischen Verteidigungsallianz im Brüsseler Hauptquartier klemmen im Home-Office fest. «Oberste Priorität hat, dass aus der Gesundheitskrise nicht auch eine Sicherheitskrise wird», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vergangene Woche. Dies auch im Hinblick auf die russische Armee, welche an der Nato-Ostflanke ihre Manöver trotz Corona unbeirrt weiterführt und die Reaktionsfähigkeit mit gezielten Luftraumverletzungen testet. Für Ärger sorgen zudem russische Desinformationskampagnen. So verbreitete ein vom Kreml-gesteuerte News Portal erst am Montag die Falschnachricht, der an Covid19 erkrankte britische Premier Boris Johnson müsse künstlich beatmet werden.
Gleichzeitig spielt Russland ein perfides Spiel mit inszenierten Hilfslieferungen. «From Russia with Love» («Von Russland mit Liebe») lautete die Mission eines russischen Konvois, der Ende März öffentlichkeitswirksam von einer italienischen Luftwaffenbasis in die norditalienische Stadt Bergamo fuhr. Allerdings stellte sich im Nachhinein heraus, dass der Grossteil des von den Russen gelieferten Materials nutzlos war. Die über 100 russischen Experten seien Spezialisten in chemischer und biologischer Kriegsführung anstatt Virologen gewesen, wie die Zeitung «La Stampa» berichtet.
(aargauerzeitung.ch)
Wenn die Krise etwas gezeigt hat, dann dass wir bei der Aufgabenverteilung zwischen Zivilschutz und Armee gewaltig über die Bücher müssen.
Die Armee wurde sinnvollerweise aufgeboten weil sie personell am besten aufgestellt ist, aber die Militär-Sanis haben in der RS geübt Sanitätszelte aufzustellen und Druckverbände anlegen, nicht die Unterstützung eines zivilen Spitals im Pandemiefall.