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3 Schweizer Organisationen stehen im Austausch mit umstrittenem Verein

Der Verein «Samidoun» wurde in Deutschland verboten.
Der Verein «Samidoun» wurde in Deutschland verboten.Bild: screenshot samidoun.net

Diese drei Schweizer Organisationen haben Verbindungen zum umstrittenen Verein «Samidoun»

Die deutsche Regierung hat den antisemitischen und extremistischen Verein «Samidoun» verboten. In der Schweiz hat sich das extreme Gedankengut längst verbreitet – von einem Verbot ist man jedoch noch weit entfernt. Ein Einblick in die linksextreme Szene der Schweiz und ihre Sympathien für Palästina.
05.12.2023, 20:0005.12.2023, 21:41
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Samidoun

Das palästinensische Netzwerk Samidoun wurde 2012 in den Vereinigten Staaten gegründet. Die Organisation bezeichnet sich selbst als «Solidaritätsnetzwerk für palästinensische Gefangene». Primär fordert sie die Freilassung von Personen, die aufgrund von Verbindungen zu Terrorismus und insbesondere zur Terrororganisation Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) in Haft sind.

Samidoun wurde vom Verfassungsschutz in Deutschland schon lange beobachtet und als antisemitisch sowie extremistisch eingestuft. Im Oktober verkündete der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag: «Ein Verein wie Samidoun, dessen Mitglieder brutalste Terrorakte auf offener Strasse feiern, wird in Deutschland verboten.»

Am 2. November wurde der Verein in Deutschland offiziell verboten. In der Schweiz gibt es bis dato kein vergleichbares Verbot. Laut dem Tagesanzeiger gab der Bundesrat ein Gesetz in Auftrag – bevor dieses in Kraft tritt, muss es jedoch vom Parlament abgesegnet werden. Dieser Gesetzgebungsprozess beansprucht viel Zeit und könnte noch Jahre dauern.

Doch wie weit ist das Gedankengut dieser extremistischen Organisation in der Schweiz verbreitet?

Diese Verbinundungen hat Samidoun in die Schweiz

Der Europa-Koordinator von Samidoun, Mohammed Khatib, der seinen Wohnsitz in Belgien hat, ist auch in der Schweiz längst kein Unbekannter mehr. Vor der jüngsten Eskalation im Nahen Osten und dem Beginn des Krieges in Israel und Gaza reiste er regelmässig in Schweizer Städte und trat als Redner bei verschiedenen Kundgebungen auf. Erst im Mai dieses Jahres sprach er bei zwei Veranstaltungen in Zürich und Basel über die «Geschichte der palästinensischen Linken und die Wichtigkeit des Internationalismus». Die Veranstaltung in Basel wurde vom Swiss Palestine Network organisiert.

Doch Khatib tritt nicht nur bei verschiedenen Veranstaltungen auf, sondern unterhält auch enge Beziehungen zu verschiedenen hiesigen Netzwerken. Wie Recherchen des Tagesanzeigers zeigen, steht er in regelmässigem Austausch mit linksextremistischen Gruppen wie dem «Revolutionären Aufbau», der «Roten Hilfe» oder der «Revolutionären Jugend». Doch was fordern diese Gruppierungen konkret?

«Revolutionärer Aufbau»

Wie der «Tagesanzeiger» weiter berichtet, habe am vergangenen Freitag ein Treffen stattgefunden, bei dem der «Revolutionäre Aufbau Basel» einen Film über die palästinensische Flugzeugentführerin Leila Khaled zeigte. Auf Social Media wurde die Einladung zu diesem Treffen veröffentlicht. Darin stand, dass nach dem Film ein «Input und Austausch über den palästinensischen Befreiungskampf» stattfinden würde. Der Beitrag wurde von «Samidoun»-Mitglied Khatib mit einem Like versehen.

Was ist der «Revolutionäre Aufbau»? Die Organisationsstruktur des «Revolutionären Aufbaus» ist nicht im Detail bekannt. Bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren waren etwa 50 Mitglieder des «Revolutionären Aufbau Schweiz» (RAS) politisch aktiv. Zudem gibt es verschiedene Ableger wie den «Revolutionären Aufbau Zürich» (RAZ), «Revolutionärer Aufbau Basel» und «Revolutionärer Aufbau Winterthur». Sie sind antikapitalistisch orientierte marxistisch-leninistische Organisationen der Schweiz.

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Der «Aufbau» diskutiert nicht nur über den palästinensischen Befreiungskampf, sondern schreibt auf seiner Website weiter:

«Wir kämpfen gegen den Kapitalismus im Allgemeinen, gegen Entlassungen, Lohndrückerei im Betrieb und gegen die Diskriminierung der Frauen. Ebenso kämpfen wir gegen den Notenstress in den Schulen, gegen die staatliche Repression, gegen die Zerstörung der ökologischen Grundlagen, gegen die Faschos, gegen den imperialistischen Krieg und gegen die reaktionäre Hetze im Besonderen.»

Laut dem Extremismusbericht des Bundesrats von 2004 pflegt der RAS Kontakte mit dem Kulturzentrum Reithalle Bern, linksextremen Luzerner Gruppierungen und weiteren im Tessin, in Italien und Deutschland. Welche Kontakte bis heute bestehen, ist unklar.

«Rote Hilfe»

Die «Rote Hilfe» versteht sich als internationale Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Es gibt Ableger der «Roten Hilfe» in verschiedenen Ländern, darunter auch in der Schweiz. Ein Bericht des schweizerischen Bundesamts für Polizei aus dem Jahr 2006 geht davon aus, dass die «Internationale Rote Hilfe» dazu dienen soll, linksextreme Aktivitäten europaweit zu vernetzen. Es ist jedoch unklar, ob diese Einschätzung noch aktuell ist.

Khatib sprach im Oktober 2022, also ein Jahr bevor Hamas-Terroristen einen Grossanschlag in Israel verübten, an einer Pro-Palästina-Kundgebung in Brüssel. Dort sagte er: «Israel zu besiegen, bedeutet, die USA zu besiegen.»

Mohammed Khatib an einer Kundgebung

Das proisraelische Portal «Audiatur-Online» berichtete damals, dass an ebendieser Kundgebung auch Schweizer Unterstützer anwesend waren. So seien auf Aufnahmen Transparente der «Roten Hilfe Genf» und der «Revolutionären Jugend Zürich» zu sehen gewesen. Auf dieses Video referenziert auch der «Tagesanzeiger», wenn er schreibt, dass eine Verbindung zwischen der «Roten Hilfe» und «Samidoun» bestünde.

Ausser Acht lässt der «Tagesanzeiger», dass die «Rote Hilfe Berlin» sich am 11. Oktober 2023 in einem Statement klar von dem Verein «Samidoun» distanzierte und die Unterstützung für den «Samidoun»-Aktivisten Zaid Abdulnasser für beendet erklärte. Die «Rote Hilfe» spricht sich weiter für eine linke Palästina-Solidarität aus, schreibt auf ihrer Website aber:

«Wir haben uns zu diesem Schritt [die Unterstützung zu beenden] entschieden, da sich Samidoun positiv und unterstützend auf die islamistisch-reaktionäre Hamas bezieht. Die Hamas hat seit Anfang Oktober 2023 unter anderem Massaker an der Zivilbevölkerung in Israel begangen, Vergewaltigungen zelebriert, Leichen geschändet und zur Schau gestellt. Der positive Bezug darauf kann keine linke Betätigung im Sinne der ‹Roten Hilfe› sein, sondern widerspricht unserer Satzung grundsätzlich. Kriegsverbrechen und die Verletzung des humanitären Völkerrechts lehnen wir unabhängig davon ab, wer diese begeht.»

«Revolutionäre Jugend Zürich»

In der Schweiz und international gibt es verschiedene Organisationen, die zur «Revolutionären Jugend» gehören. Diese verstehen sich unter anderem als antifaschistisch und feministisch. Wie zuvor erwähnt, nahmen Vertreter der «Revolutionären Jugend Zürich» bereits im Oktober 2022 an einer Kundgebung von «Samidoun» teil.

Die Sympathien bestehen auch nach dem Hamas-Angriff im Oktober 2023 weiter: Die «Revolutionäre Jugend Zürich» bekundet auf Instagram ihre Solidarität mit «Samidoun».

Sie schreibt unter einen Post vom 29. Oktober 2023, dessen Bilder während einer Pro-Palästina-Demo aufgenommen wurden: «Auf der ganzen Welt wird der Widerstand gegen die israelische Besatzungspolitik grösser, trotz massiver Repression vonseiten der imperialistischen Staaten gegen Organisationen wie Samidoun und collectif palestine vaincra.» (jub)

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92 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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hira
05.12.2023 20:59registriert Mai 2021
Ich war vor Jahren selbst in dieser Szene und Mitglied bei der Revolutionären Jugend Zürich. Als ich merkte wie antisemitisch es da zu und her geht und das gemeinsame Sache gemacht wurde mit Islamisten bin ich unter Drohungen und Anfeindungen ausgetreten.
Schäme mich bis heute jemals Teil einer solchen Gruppe gewesen zu sein und hoffe schwer das auch andere den Weg raus geschafft haben. Leider haben die aktuell wieder Zuwachs und die Bedrohungen nehmen wieder zu.
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vanilla
05.12.2023 22:57registriert Juni 2021
antifaschistisch und feministisch UND Hamas geht nicht miteinander. Im Gazastreifen - vor allem Gaza, das ich seit 1975 sehr gut kenne und mehrmals für längere Zeit besucht habe, dürfen Frauen ohne Mann nicht alleine wohnen. Frauen ohne Familie, sprich Mann/Kinder, haben Glück wenn sie im Alter bei einem Bruder leben dürfen. Falls nicht wird es sehr kritisch. Behinderte werden grausamst ausgegrenzt.
Was die Hamas am 7. Oktober geleistet hat, ist inakzeptabel. Mord, Verstümmelung, Vergewaltigung, Entführung. Dies zu bejubeln und danach die blutigen Konsequenzen zu bejammern ist verlogen.
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cucumberworld
05.12.2023 21:33registriert September 2019
Tja Horseshoe Theory mal wieder bestätigt, linke Ideologie ist genauso toxisch wie rechte.
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