Wetten gegen Israels Wirtschaft kurz vor Hamas-Attacke: Jemand hat so Millionen verdient
Am 7. Oktober wurde nicht nur die Bevölkerung in Israel von brutalen Massakern der Hamas überfallen, auch die israelische Armee wurde davon völlig überrascht. Dennoch wird es Personen gegeben haben, die im Vorhinein von dem grössten Angriff auf Jüdinnen und Juden seit dem Zweiten Weltkrieg gewusst haben. Diese Person – oder Personengruppe – hat nämlich auf lokalen Märkten, aber auch an der Wall Street in New York gegen israelische Aktien gewettet – genau fünf Tage vor dem Angriff.
Das schreiben die US-Amerikaner Robert J. Jackson, Joshua Mitts und Kollegen in einem kürzlich veröffentlichten Paper mit dem Namen «Trading on Terror?». Die Erkenntnisse daraus wurden unter anderem von der wirtschaftsliberalen israelischen Zeitung «Haaretz» aufgegriffen. Demnach gab es kurz vor dem 7. Oktober einen sprunghaften Anstieg von sogenannten Leerverkäufen israelischer Aktien. Die Menge dieser Leerverkäufe habe diejenige in «zahlreichen anderen Krisenzeiten» massiv übertroffen, schreiben die Autoren im Paper, das am Sonntag auf der Plattform Social Science Research Network (SSRN) erschienen ist.
Hunderttausende Leerverkäufe von Israel-Fonds-Anteilen
Leerverkäufe (auf Englisch: shorting oder short selling) beinhalten das Profitieren von Aktien, die einem aber in Tat und Wahrheit nicht gehören. Wie geht das? Vereinfacht gesagt, so: Bei einem Leerverkauf leiht sich eine Marktteilnehmerin zunächst eine gewisse Anzahl an Wertpapieren. Kurz darauf und wenn sie glaubt, dass diese demnächst an Wert verlieren werden, verkauft sie die Papiere an weitere Marktteilnehmer (ja, diese werden verkauft, obwohl die Investorin eigentlich nicht im langfristigen Besitz davon ist). Später kauft sich die «Leerverkäuferin» Aktien der gleichen Firma auf dem Markt zurück – zu einem tieferen Preis, wenn ihre Annahme korrekt war. So kann sie dann am Ende die geliehenen Aktien wieder zurückgeben – und den Profit behalten.
Giant gambles against Israel on the markets in Tel Aviv and Wall Street days before Hamas’ attack made billions.
— Haaretz.com (@haaretzcom) December 4, 2023
Israeli sources say Hamas has financially savvy people and it isn’t implausible that they're behind the short-selling right before October 7https://t.co/pLsoP89tWl
Jackson und sein Team fanden starke Indizien dafür, dass jemand «aus den Kreisen des US-Aktienmarktes» Anfang Oktober ein Ereignis in Israel antizipierte, das zu einem Crash der Aktienmärkte führen würde. Konkret hat jemand – oder mehrere Personen – enorme Mengen an Leerverkäufen von EIS-Anteilen getätigt.
EIS ist ein Fonds, der an der Börse gehandelt wird. Er bildet israelische Aktien an der Börse in New York ab. Der Fonds bietet sozusagen die Möglichkeit, auf israelische Aktien zu setzen, ohne die einzelnen Wertpapiere zu kaufen – sie werden zusammengenommen und in einem Fonds abgebildet. Der EIS bildet dabei die wichtigsten Indizes der Tel Aviver Börse ab, dazu gehören zahlreiche israelische Unternehmen. Eine Investition in den EIS ist damit in einer gewissen Weise gleichbedeutend mit einer Investition in die Wirtschaft Israels.
Am 2. Oktober schiesst die Anzahl von EIS-Leerverkäufen in die Höhe
Gemäss den Studienautoren war das Transaktionsvolumen am 2. Oktober so gross, dass es nicht wie eine einfache Wette ins Blaue aussah: rund 227'000 im Vergleich zu ein paar Tausend an den Tagen vorher und nachher.
Über 17 Prozent Wertverlust
Die «Wette» hat sich für die Investoren ausbezahlt: Am 11. Oktober – dem ersten Tag, an dem die amerikanische Börse wieder geöffnet hatte – fiel der Wert des EIS um 7,1 Prozent. Doch damit war es noch nicht getan: In den weiteren 20 Tagen nach dem Hamas-Massaker verlor der Israel-Fonds weitere 17,5 Prozent. Das heisst, ein Händler, der Anteile des EIS-Fonds ausgeliehen und für 54 Dollar weiterverkauft hatte, konnte dieselben Anteile nach dem Crash für 44.5 Dollar zurückkaufen – und 9.5 Dollar Profit pro Anteil generieren (Berechnungen gemäss «Haaretz»).
Joshua Mitts ist Rechtsprofessor an der Universität in Columbia. Mitts hat sich einen Namen gemacht als Experte für Leerverkäufe. Er ist zudem mit dem israelischen Markt vertraut.
Wie die Autoren nun weiter schreiben, haben die Leerverkäufer gemäss den Anteilen, die sie gehandelt haben, Millionen von Dollar an Gewinn geschrieben. Die Erkenntnisse der Studie basieren auf offiziellen Daten der US-Finanzaufsichtsbehörde.
Ähnliches geschah laut den Autoren auch an der Tel Aviv Stock Exchange (TASE), der einzigen Wertpapierbörse Israels in Tel Aviv: Auch dort gab es ungewöhnlich hohe Volumina von Leerverkäufen, und zwar bereits ab August. Das Tradingvolumen kulminierte demnach kurz vor dem Anschlag in Israel.
Zufall fast ausgeschlossen
Das Fazit der Studienautoren lautet also: Das alles kann kaum Zufall gewesen sein. Mehrere Gründe sprechen demnach dafür, dass jemand von den bevorstehenden Ereignissen gewusst haben muss.
Erstens übertraf die Anzahl Leerverkäufe an diesem Tag die Anzahl, die während zahlreicher anderer Krisenzeiten stattfand – einschliesslich der Rezession nach der Finanzkrise 2008, des Krieges zwischen Israel und Gaza im Jahr 2014 sowie der Coronapandemie.
Zweitens fanden die Transaktionen während der jüdischen Feiertage des Sukkot statt. Normalerweise geschieht an diesem Tag nichts Ungewöhnliches und die Börsen verhalten sich eher ruhig.
Drittens sind Leerverkäufe eigentlich eine enorm riskante Angelegenheit: Trifft das Erwartete nicht ein, kann – im Fall, dass die Aktie sogar noch an Wert gewinnen sollte – viel Geld verloren gehen. Hinzu kommt, dass die Transaktionen im Oktober in einer Zeit getätigt wurden, in welcher die Märkte eher in Richtung nach oben zeigten.
Zuletzt haben Mitts, Jackson und Kollegen noch weitere Auffälligkeiten entdeckt: Ähnliche Bewegungen von Leerverkäufen von EIS-Anteilen fanden bereits im April statt. «So erreichte das Short-Volumen im EIS am 3. April einen Höchststand, der dem am 2. Oktober beobachteten Niveau sehr ähnlich war», schreiben sie. Warum ist das auffällig? Offenbar gab es Anfang April Gerüchte, wonach die Hamas einen Angriff auf Israel plante. Wie die Zeitung «Haaretz» schreibt, berichteten in Israel gefasste Terroristen, dass der Anschlag zum Abend des Pessach, das am 15. April beginnt, habe stattfinden sollen. Pessach ist ebenfalls ein jüdisches Fest.
Darüber, wer hinter den Geschäften steckt, kann derweil nur spekuliert werden – es könnten Personen aus dem Kreis der Hamas-Kämpfer sein. Oder jemand, der Kontakte zur Hamas pflegt. Lediglich Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden in Israel und den Vereinigten Staaten könnten aufdecken, wer von den Leerverkäufen tatsächlich profitiert hat.
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