Eine weitere Messerattacke hat Frankreich heimgesucht – und Deutschland getroffen. Am Samstagabend ist ein 26-jähriger, der Polizei bekannter Mann unweit des Eiffelturmes mit einem Messer und einem Hammer auf Reisende losgegangen. Einem jungen Deutschen philippinischer Abstammung versetzte er auf der Brücke Bir-Hakeim zwei Messerstiche am Rücken und der Schulter, worauf das Opfer einen Herzstillstand erlitt. Die Begleiterin des deutschen Opfers blieb unverletzt.
Wie Innenminister Gérald Darmanin berichtete, vermochte ein mutiger Taxifahrer den Angreifer fürs Erste zu stoppen. Als die Polizei eintraf, flüchtete der Täter über eine Brücke, wo er einen 60-jährigen Franzosen und einen Briten mit einem Hammer verletzte. Dann wurde er von der Polizei mit vorgehaltener Pistole gestellt. Präsident Emmanuel Macron drückte im Namen Frankreichs allen Opfern sein Beileid aus.
Die Schreckenstat erinnert an die Ermordung eines Lehrers in der nordfranzösischen Stadt Arras wenige Tage nach dem Angriff der palästinensischen Hamas-Miliz im Oktober auf Israel. Der Angreifer in Paris, dessen Name mit Armand R. angegeben wird, schrie ebenfalls «Allahu Akbar» und erklärte der Polizei, er wolle sich für Muslime rächen, die in Afghanistan und Palästina getötet würden.
Der Polizei war Armand R. durchaus bekannt: Der offenbar labile Mann hatte schon 2016, also wenige Monate nach dem Bataclan-Anschlag, einen ähnlich umfangreichen Anschlag im Pariser Geschäftsviertel La Défense geplant. Dafür wurde er zu fünf Jahren Haft verurteilt. 2020 freigekommen, blieb er unter psychiatrischer Beobachtung. Vor wenigen Monaten soll er jedoch seine stabilisierenden Medikamente in Absprache mit seinem Arzt abgesetzt haben. In der polizeilichen Radikalenkartei blieb er dennoch verzeichnet.
Am Sonntag zirkulierte ein Bekennervideo mit einem Treueeid für die Dschihadmiliz IS. Terrorexperten sind sich allerdings nicht sicher, ob auf dem Kurzfilm wirklich der Täter zu sehen ist. Der Gefilmte war durch eine Sonnenbrille und eine Schutzmaske nicht erkennbar; auch sprach er perfekt Arabisch. Das, obwohl Armand R. iranischer Abstammung ist und im Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine geboren wurde.
Ob es sich um die Tat eines «einsamen Wolfes» handelte, wie es im Polizeijargon heisst, ist nicht nur deshalb zu bezweifeln. Laut dem französischen «Zentrum für Terroranalysen» (CAT) stand der Täter mit mehreren früheren Attentätern in Frankreich in Kontakt, so etwa dem «Enthaupter» des Geschichtslehrers Samuel Paty und dem Meuchelmörder des Priesters Jacques Hamel in der Normandie. Ausserdem nahm die Staatsanwaltschaft am Sonntag auch die Eltern und die Schwester des mutmasslichen Täters in Beugehaft.
Diese Information gilt paradoxerweise als Hinweis, dass der Kreis der wirklich zur Tat schreitenden Attentäter in Frankreich kleiner ist als von der Polizei bisher angenommen. Trotzdem sorgt die erneute Häufung brutaler Messermorde in Frankreich für grosse Betroffenheit und Sorge.
Sicherheitsexperte Claude Moniquet glaubt, dass der neuste Anschlag mit Absicht Touristen in der Nähe des Eiffelturms gegolten hatte, um «die Weltaufmerksamkeit auf sich zu ziehen». Dieses Attentat sei «nicht dazu angetan, die Besucher der wichtigsten Reisedestination der Welt zu versichern».
Wachsende Sorgen macht sich die französische Staatsführung wegen der Olympischen Sommerspiele, die Mitte 2024 in Paris stattfinden werden. Der Tatort liegt an der über sechs Kilometer langen Strecke entlang der Seine, wo die dreistündige Eröffnungszeremonie vor Hunderttausenden von Zaungästen stattfinden soll.
Der ehemalige Chef der französischen Polizei, Frédéric Péchenard, drückte am Sonntag seine Sorge aus. Die Feier sei zu ausgedehnt, um vollständig überwacht werden zu können. «Ich hoffe, dass die Regierung über einen Plan B verfügt, falls sich die internationale Lage noch verschlechtern sollte», sagte er. Für eine Neuplanung der Eröffnungszeremonie am 26. Juli ist es jetzt wohl zu spät.
Es ist ein Einzelfall und hat nichts, aber auch gar nichts mit der Kultur, Ideologie oder Religion des eventuell leicht verwirrten Täters zu tun.
Wir sind selbst Schuld und haben dem armen Mann keine Wahl gelassen.