Derzeit grassiert die grösste je dokumentierte Vogelgrippewelle. «Diese hochpathogene aviäre Influenza (HPAI) breitet sich weltweit aus und befällt Vögel, Kühe und andere Säugetiere von der Antarktis bis zu den Vereinigten Staaten», sagt Lauretta Eckhardt, Policy Managerin bei der Tierschutzorganisation Vier Pfoten Schweiz.
Zu reden gibt dabei die Untervariante H5N2. Indien hat am Donnerstag der Weltgesundheitsorganisation WHO den Fall eines vierjährigen Kindes gemeldet, das sich mit H5N2 angesteckt hat. Diese Variante hat vor kurzem auch zum weltweit ersten Todesfall durch diesen Virustyp geführt, der durch mehrere Laboranalysen bestätigt wurde.
«Diese H5N2-Viren wurden auch schon in der Schweiz in Wildvögeln nachgewiesen», sagt Simon Ming vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). «Diese Proben sind relativ selten, da die infizierten Vögel keine Symptome zeigen. Die Proben stammen aus Forschungsprojekten oder Überwachungsprogrammen.»
Diese Untervariante ist weltweit verbreitet. Lauretta Eckhardt sagt:
Der 59-jährige Mexikaner ist der erste Vogelgrippe-Tote in Mexiko. Er habe an mehreren Krankheiten gelitten, sei mit Fieber und Atemnot ins Spital eingeliefert worden und ist Ende April gestorben. Wie sich der Mann mit H2N5 angesteckt hat, ist nicht bekannt, es gebe keine Hinweise auf Kontakt mit Geflügel oder anderen Vögeln. Auch unter seinen Bekannten und Verwandten sei keine weitere Infektion festgestellt worden.
Die Ansteckung bleibt somit ein Rätsel. «Grundsätzlich sind Säugetiere und der Mensch bei Direktkontakt mit erkrankten Vögeln für Vogelgrippeviren empfänglich. Es gibt immer wieder Einzelfälle, die zu schweren Erkrankungen mit tödlichem Ausgang führen», sagt Ming vom BAG.
Die Variante H5N2 zirkuliert seit mehreren Jahrzehnten in Vögeln. Schwere Erkrankungen bei Menschen hingegen waren gemäss Ming bisher nicht bekannt. «Bislang ist auch noch kein Fall von einer H5N2-Ansteckung eines Menschen in der Schweiz gemeldet worden.» Beim Verstorbenen könnten die vielen Vorerkrankungen eine Rolle gespielt haben.
Gefährlicher ist bis anhin das Vogelgrippevirus H5N1, das weltweit am meisten verbreitet ist. «Bei H5N1 ist der Anteil der Fälle, die tödlich verlaufen, deutlich höher als bei H5N2. So kam es seit 2003 bei H5N1 weltweit zu 891 Fällen im Menschen, wovon 463 tödlich endeten», sagt Ming.
Gemäss Eckhardt waren im Jahr 2022 mehr als 85 Länder von der Vogelgrippe betroffen. «Das führte dazu, dass in diesem Jahr 141 Millionen Geflügeltiere in Massen geschlachtet wurden.» Die Untervariante H5N1 wurde in Vogelpopulationen endemisch und betraf mindestens auch 26 Säugetierarten, was bis heute zu Ausbrüchen auf der ganzen Welt geführt hat.
Der springende Punkt ist somit die Übertragung des Vogelgrippevirus vom Vogel auf Säugetiere und damit auch den Menschen, die sogenannte Zoonose. Auch Covid-19 liegt einer Zoonose zugrunde. Wahrscheinlich hat ein Marderhund am Tiermarkt in Wuhan einen Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert.
Der WHO-Chefwissenschafter Jeremy Farrar habe die hochpathogene Vogelgrippe bereits als «globale zoonotische Tierpandemie» bezeichnet, sagt Eckhardt. Da die Vogelgrippe neue Formen der artübergreifenden Übertragung zeige und Milchkühe und sogar Katzen infiziere, die infizierte Kuhmilch getrunken haben, stelle HPAI nun auch ein erhebliches Risiko dar, die nächste Pandemie beim Menschen zu werden. «Obwohl die WHO das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung derzeit als gering einschätzt, könnte es zu spät sein, zu warten, bis sie zu einem internationalen Gesundheitsnotfall erklärt wird», sagt die Vogelgrippe-Spezialistin der Tierschutzorganisation.
Allerdings sagt Ming vom BAG dazu, dass bisher weder bei H5N2 noch bei H5N1 die nötigen Mutationen aufgetreten seien, die für eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung nötig sind.
Die WHO hat trotz des geringen Risikos alle Länder erneut aufgerufen, wachsam zu sein und Häufungen von Krankheiten genau zu untersuchen. Für die Schweiz sagt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf Anfrage: «Die Gefahr des Auftretens der Vogelgrippe in der Schweiz hat sich aufgrund der rückläufigen Fallzahlen in Europa im Vergleich zum Vormonat weiter verringert.»
Lauretta Eckhardt von «Vier Pfoten» sagt, 75 Prozent aller neu auftretenden Infektionskrankheiten seien zoonotisch. Die Ursache sei aber menschlich: «Intensive Stallhaltungssysteme, in denen Tiere in grosser Zahl auf engstem Raum gehalten werden, sind weltweit verbreitet.» In Intensivtierhaltungen herrschten suboptimale hygienische Bedingungen.
«Auch in der Schweiz gibt es Haltungsformen, die das Entstehen und Ausbreiten von Infektionskrankheiten begünstigen können. Masthühner haben zum Beispiel knapp ein A4-Blatt Platz zum Leben und werden zu Tausenden in Hallen zusammengepfercht», sagt Eckhardt. Deshalb könnten Infektionskrankheiten wie HPAI schneller auftreten und sich danach verbreiten. «Aus diesem Grund plädieren wir weltweit für bessere Haltungsbedingungen für Nutztiere, aber auch für ein Verbot von Wildtiermärkten und Pelzfarmen», sagt Eckhardt.
Das Motto, munter weitermachen, handeln kann man wenn es zu spät ist.🙈