Morgen Dienstag stattet Greta Thunberg dem Weltwirtschaftsforum in Davos erneut einen Besuch ab – und der Medienhype im Land ist gross.
Ganz anders in Stockholm, der Heimatstadt der 17-jährigen Klima-Ikone. Wer durch die Strassen der schwedischen Hauptstadt läuft, wird keine Greta-Thunberg-Plakate finden. Und es ist schon eher ein Zufall, wenn man an einer Ecke auf Jugendliche stösst, die für einen besseren Klimaschutz demonstrieren. Wo immer man in Stockholm Menschen auf Greta Thunberg anspricht, folgt meist ein verlegenes Räuspern. Und dann, wenn man Glück hat, eine verhaltene Antwort.
Greta Thunberg hat in ihrer Heimat nicht so viele glühende Anhänger, wie man gemeinhin annehmen könnte. Auch wenn die «Person des Jahres», zu der das amerikanische «Time Magazine» Greta Thunberg kürzlich auserkoren hat, rund um den Erdball den Bekanntheitsgrad eines Popstars oder einer Spitzenpolitikerin hat: In Stockholm bekommt man wenig davon mit.
Die auffällige Verstocktheit der Schweden in Bezug auf «ihre» Greta hat einen einfachen Grund: Schweden reden nur ungern in der Öffentlichkeit über andere – und schon gar nicht über Politik.
Doch auch wenn Greta in der schwedischen Öffentlichkeit keine allzu grosse Rolle spielt: In den Bildungsstätten des Landes hat die junge Frau bereits einige Veränderungen angestossen.
Umweltthemen haben in Schwedens Schulen in der jüngeren Vergangenheit stark an Bedeutung gewonnen. Vielerorts starten Schulklassen und Kleingruppierungen Umweltaktionen, die Flugscham-Bewegung (auf Schwedisch «Flygskam») hat im skandinavischen Land zahlreiche Anhänger, und nicht selten begleiteten Lehrer ihre Schüler an Klimademonstrationen.
Die Gymnasiastin Saga, die die International School of the Stockholm Region besucht, sagt: «Ich stelle eine extreme Umstellung fest, wie wir Jugendlichen mit Klimathemen umgehen. Ich erinnere mich an die ersten Friday-for-Future-Proteste zurück, als unsere Schule faktisch ohne Schüler war.» Alleine das zeige, welchen Einfluss Greta Thunberg auf die junge Generation in Schweden habe.
Hampus Svenblad, Innovationsmanager aus Stockholm, differenziert: Auch für ihn ist Greta ein Vorbild, wenn es um Klimapolitik geht. Und er zollt ihr Respekt. Gleichzeitig weist er aber darauf hin, dass Schwedinnen und Schweden bereits vor Greta Thunberg Sorge zur Umwelt getragen hätten – etwa im Umgang mit Abfall oder bezüglich dem Kauf von energiefreundlichen Autos.
Hampus Svenblad weiss von kritischen Stimmen gegenüber Greta. Deren Kritik ziele allerdings weniger auf die 17-Jährige persönlich ab als vielmehr auf ihr Umfeld. So frage man sich vermutlich nicht ganz zu Unrecht, was mit der jungen Frau passieren werde, wenn sie zurück in den normalen Schulalltag müsse. Schliesslich habe sie nicht gerade eine einfache Schulzeit durchlebt. «So lange ihre Interessen angemessen vertreten sind, ist alles in Ordnung», sagt er.
Man dürfe aber keinesfalls vergessen, dass Greta Thunbergs Reden und Auftritte von anderen mitgeschrieben und mitgestaltet werden. «Sobald Greta nur Mittel zum Zweck von anderen Leuten ist, wird es schwierig.»
Auch aus dem Umfeld schwedischer Schulen wird langsam Kritik laut an der Protestbewegung, die Greta mit ihren freitäglichen Schulstreiks fürs Klima losgetreten hat. Während viele Schülerinnen und Schüler im vergangenen Jahr tatsächlich an Klimademonstrationen teilgenommen haben, gibt es immer auch Trittbrettfahrer, die freitags dem Unterricht fernbleiben und als Begründung Fridays for Future angeben. Und dies vermutlich weniger, weil sie tatsächlich wöchentlich demonstrieren gehen, sondern weil sie sich an schulfreie Freitage gewöhnt haben.
Lange haben Schwedens Schulen zwei Augen zugedrückt bei den «streikenden» Schülerinnen und Schülern. Nun aber führen die sich häufenden Absenzen vermehrt zu Diskussionen. Gut möglich also, dass Greta Thunberg auch noch indirekt Einfluss auf die Rahmenbedingungen im schwedischen Schulsystem nehmen und ihr Engagement zu einem strengeren Absenzenregime führen könnte. (aargauerzeitung.ch)