Das dritte Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPC) in Granada ist im Zeichen mehrerer Konflikte gestanden. Politische Vermittlungen unter den zerstrittenen Staaten fanden keine statt. Trotzdem sieht Bundespräsident Alain Berset das Gipfeltreffen positiv.
Die Situation auf dem europäischen Kontinent habe sich in den letzten Jahren verändert. «Sie ist instabiler geworden», sagte der Bundespräsident am Donnerstag nach dem Treffen in Südspanien vor den Medien. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei für ganz Europa ein zentrales Thema.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief bei seiner Ankunft in Granada die anderen europäischen Staaten zur Geschlossenheit gegenüber dem Aggressor Russland auf.
In den letzten Monaten bröckelte die Unterstützung für die Ukraine. Selenskyj forderte einen Luft-Verteidigungsschirm, denn der Ukrainer erwartete für den Winter neue Raketen- und Drohnenangriffe seitens Russlands.
Für Berset ist klar, dass man von einem Format wie der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPC) nicht erwarten könne, dass Probleme gelöst würden
Von einem Scheitern des Gipfels wollte Berset trotzdem nichts wissen. Um Lösungen zu finden, brauche es den politischen Willen, sich an einen Tisch zu setzten und miteinander zu reden. Dann sei eine Plattform wie die EPC nützlich. Und genau «das legitimiert dieses Format», sagte der Bundesrat.
Ursprünglich hoffte man am Rande des Gipfeltreffens, zwischen Serbien und dem Kosovo diplomatisch etwas erreichen zu können. Doch am Gipfel forderte die Präsidentin des Kosovo, Vjosa Osmani, Sanktionen gegen Serbien, bevor ihr Land bereit sei, zu reden. Ein Überfall serbischer Paramilitärs auf kosovarische Polizisten Ende September hatte die Situation zwischen den beiden Staaten erneut eskalieren lassen.
Für die Schweiz sei eine stabile Situation auf dem Balkan wichtig, sagte Berset und verwies unter anderem auf die grosse serbische und albanische Diaspora in der Schweiz. Deshalb habe er in den vergangenen Wochen sowohl mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić als auch mit dem kosovarischen Premierminister Albin Kurti gesprochen.
Auch im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan gab es am Gipfel keine diplomatischen Fortschritte. Aserbaidschans Staatspräsident Ilham Alijew sagte seine Teilnahme kurzfristig, ebenso der türkische Staatschefs Recep Tayyip Erdogan, ein enger Verbündetes Alijews. Somit kam ein geplantes Treffen mit Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan nicht zustande.
Der aserbaidschanische Präsident begründete seine Absage mit Äusserungen Frankreichs über Lieferungen von Waffen und Munition an Armenien und über militärische Zusammenarbeit.
Nach einer militärischen Niederlage Ende September gegen Aserbaidschan flohen in den letzten Tagen mehr als 100'000 Armenier aus der Konfliktregion Berg-Karabach im Südkaukasus nach Armenien.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Rande des Gipfeltreffens an, den bisherigen EU-Betrag von 5,2 Millionen Euro für humanitäre Hilfe auf 10,4 Millionen Euro aufzustocken. Ausserdem sollen 15 Millionen Euro Soforthilfe in den armenischen Haushalt fliessen. Die Schweiz ihrerseits will sich laut Berset ebenfalls auf die humanitäre Hilfe konzentrieren.
Die Gipfeltreffen sind gemäss dem Bundespräsidenten für die Schweiz wichtig, um informelle Kontakte zu pflegen. Man wisse nie, ob sich nicht ein Kontakt in fünf Jahren plötzlich als «sehr wichtig» erweise.
Entsprechend tauschte sich Berset mit zahlreichen Staats- und Regierungschefinnen und -chefs aus. Offizielle bilaterale Treffen hatte er mit dem irischen Premierminister Leo Varadkar, dem Präsidenten von Montenegro, Jakov Milatovic, und mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Ausserdem leitete Berset gemeinsam mit dem griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis einen runden Tisch zum Thema Multilateralismus.
Insgesamt nahmen rund 45 Staats- und Regierungschefs an dem Gipfeltreffen teil. Dabei diskutierten sie Themen von gesamteuropäischem Interesse. Das Treffen findet alle sechs Monate statt – alternierend jeweils in einem EU-Mitgliedsland und dann in einem Nicht-EU-Land. Auch für die Schweiz sei die Organisation eines solchen Treffens interessant, sagte Berset.
(hah/sda)