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US-Experte erklärt, weshalb es zwischen KKS und Trump nicht funkte

Trump und Karin Keller-Sutter.
Doppeltes Ungleichgewicht: US-Professor Daniel Ames über den Austausch von Keller-Sutter mit Trump.Bild: watson/keystone
Interview

US-Experte erklärt, weshalb es zwischen KKS und Trump nicht funkte

Warum entgleiste das Telefonat von Karin Keller-Sutter mit Donald Trump? Und mit welcher Taktik kann die Schweiz den Strafzoll noch abwenden? Professor Daniel Ames lehrt in New York Verhandlungsstrategie und weiss, wie Trump tickt.
06.08.2025, 05:3406.08.2025, 06:35
Patrik Müller / ch media

Das Gespräch der Schweizer Bundespräsidentin mit Donald Trump endete mit einem Eklat: Er fühlte sich belehrt und kritisierte dann gestern, sie habe ihm nicht zugehört. Hat hier Trump einfach ein Machtspiel aufgezogen?
Daniel Ames: Wir wissen nicht, wie das Gespräch genau verlief. Aber es gibt in dieser Begegnung ein doppeltes Ungleichgewicht. Einerseits bei der Macht: Die USA sind ungleich grösser und jedes andere Land sucht Zugang zum amerikanischen Markt – das klassische David-gegen-Goliath-Szenario. Andererseits besteht ein mentales Ungleichgewicht: Die Herangehensweise der USA ist stark von einer Nullsummenlogik geprägt. Donald Trump ist der Meinung, beim Aussenhandel müsse einer gewinnen und der andere verlieren.

Die Nullsummenlogik widerspricht allem, was Ökonomen sagen: Beim Freihandel gewinnen beide Seiten.
Trump hat mit dieser Logik gebrochen. Er kippt die Erfahrungen aus einem ganzen Jahrhundert, die zeigten: Die Welt profitiert, alle profitieren, wenn jedes Land das macht, was es am besten kann, und wenn Handelshemmnisse abgebaut werden. Die neue US-Regierung bringt eine ganz andere Denkweise mit – und das macht es sehr schwer, zu verhandeln.

Möglicherweise wollte ihm Karin Keller-Sutter genau diese Logik erklären.
In Verhandlungen würde ich normalerweise versuchen, mein Gegenüber von den Vorteilen gemeinsamer Lösungen zu überzeugen. Bei Trump aber nicht. Seine Denkweise ist ganz anders.

Trump handelt ökonomisch unvernünftig, aber er hat die stärkste Wirtschaftsnation im Rücken. Er kann sich fast alles erlauben.
Die US-Wirtschaft ist riesig und ein zentraler Teil der Weltwirtschaft. Das verschafft Trump in Verhandlungen enorme Macht. Für viele Länder ist der amerikanische Markt lebenswichtig.

Profilierter Verhandlungsspezialist
Daniel Ames ist Professor für Management an der Columbia Business School in New York, wo er seit 2002 tätig ist. Er ist bekannt für seine Arbeit zu Entscheidungsfindung, Verhandlungen, Führung und Organisationsverhalten. Er erhielt mehrere Auszeichnungen für seine Lehre. (pmü)
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In der Schweiz dachten wir immer, Trump möge uns. Sein schroffes Verhalten gegenüber Karin Keller-Sutter zeigt etwas anderes.
Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass persönliche Sympathien eine erhebliche Rolle in Trumps Entscheidungen spielen. Es geht also auch darum, wie man als Verhandlungspartner eine persönliche Ebene schafft, die zu einem besseren Ergebnis führt. Schmeichelei und persönliche Bindungen werden da zu wichtigen Instrumenten.

Trump will umschmeichelt werden – und Siege erringen.
Ja. Das führt mich zu zwei grundsätzlichen Erkenntnissen, die meiner Meinung nach für jede Verhandlung wichtig sind – egal ob zwischen Einzelpersonen, Unternehmen oder Staaten: Erstens, man muss sich selbst kennen. Zweitens, man muss sein Gegenüber kennen. Sich selbst zu kennen bedeutet: Was ist uns am wichtigsten? Wofür kämpfen wir am härtesten? Worauf könnten wir im Notfall verzichten? Darüber muss sich die Schweizer Verhandlungsdelegation absolut im Klaren sein. Das ist gerade in Situationen mit wenig Verhandlungsmacht absolut zentral: Falls wir überhaupt etwas bekommen, was ist dann das Wichtigste?

Was meinen Sie mit «sein Gegenüber verstehen»?
Bevor man in eine Verhandlung steigt, muss man wissen: Was ist dem Gegenüber wichtig, und wie kann ich ihm helfen, aus seiner Sicht als Sieger hervorzugehen? In einer positiven Summe können beide gewinnen. In einer Nullsummensituation – und so sieht Trump Verhandlungen – geht es oft darum, ihm den gewünschten «Sieg» zu ermöglichen, während man gleichzeitig die eigenen Interessen wahrt.

Unsere Zeitung hat heute halb im Scherz, halb ernsthaft vorgeschlagen, die Fifa von Zürich nach Miami zu verlegen und Trump zum Ehrenpräsidenten zu ernennen.
Das wäre ein symbolischer Schritt, der für den internationalen Handel völlig bedeutungslos ist, aber für Trump persönlich wichtig sein könnte. Gar nicht abwegig, denn der Vorschlag geht auf die Art und Weise des Gegenübers ein.

Der Bundesrat hat nun beschlossen, dass sowohl die Bundespräsidentin als auch der Wirtschaftsminister nach Washington reisen, um in letzter Minute ein Abkommen zu versuchen. Ist das klug?
Die Doppel-Delegation ist ein prozessuales Zugeständnis, das helfen könnte: Es vermittelt der US-Regierung das gewünschte Bild, dass sie stark und dominant auftritt und dass andere Staaten ihr Respekt zollen. Natürlich gibt es ein Risiko, dass nichts herauskommt, und dann ist es peinlich. Aber es ist eine symbolische Geste, die nicht viel kostet. Und es geht ja um sehr viel für die Schweiz.

epa12285191 U.S. President Donald Trump takes questions after signing an executive order establishing a task force to oversee the Los Angeles 2028 Olympic Games in the South Court Auditorium of the Wh ...
Braucht Schmeicheleien: Donald Trump.Bild: keystone

Der Umgang mit Selenskyj hat gezeigt: Trump kann nach einem Eklat in einem zweiten Gespräch mit derselben Person sich ganz anders verhalten.
Genau. Wir wissen zwar nicht, was in diesem Telefonat genau gesagt wurde, aber es scheint Parallelen zum Treffen mit Selenskyj zu geben: Wenn Trump sich – ob zu Recht oder nicht – beleidigt oder zu wenig wertgeschätzt fühlt, kann das schnell zu einer Dynamik führen, die ein Gespräch entgleisen lässt. Es mag unfair erscheinen, dass David sich bei Goliath einschmeicheln muss. Aber wenn das letztlich dazu führt, dass Goliath anders denkt und spricht – und damit David hilft –, dann ist es der richtige Weg.

Sollte der Bundesrat dem US-Präsidenten Investitionszusagen machen, die gut klingen, aber am Ende kaum eingehalten werden?
Die Schweizer Delegation sollte versuchen, möglichst viele Informationen zu sammeln und herauszufinden, welche Zugeständnisse für die US-Regierung wirklich Bedeutung haben. Es geht darum, möglichst nahe an die Denkweise des Gegenübers heranzukommen. Wenn es gelingt, Kontakte zu finden, die Einblicke in die Gedankenwelt der US-Delegation geben, kann man gezielt Vorschläge machen. Diese dürfen dann durchaus steil sein.

In der Schweiz fürchten viele, dass es zu spät ist dafür. Der 7. August ist ja schon morgen!
Von solchen Ultimaten darf man sich nicht nervös machen lassen. Ein wichtiges Prinzip in Verhandlungen – vor allem bei grossem Machtgefälle – ist, proaktiv mit dem Prozess umzugehen. In so kurzer Zeit kann man kaum ein fertiges Handelsabkommen erzielen. Ich würde das Ziel anders definieren: Die Schweiz sollte sich bei Trump erst mal Zeit kaufen.

Zeit gewinnen – aber wie?
Indem sie eine kleine «Versüssung» anbietet – Zugeständnisse, die es der US-Regierung erleichtern, zusätzliche sieben oder sogar 30 Tage einzuräumen, um einen Deal zu erreichen. Dieses Muster haben wir bei Trump mehrfach gesehen. Es lohnt sich also, über die Verhandlungsprozesse nachzudenken: über Orte, Zeitpläne und Entscheidungswege.

Wenn die Bundespräsidentin und der Wirtschaftsminister dieses Interview lesen, wissen sie, worauf sie achten sollten …
(Lacht) Und ich erlaube mir noch einen zusätzlichen Punkt. Alternativen aufbauen! Wenn David von Goliath abhängt, muss er auch dessen Forderungen und mögliche Willkür ertragen. Hat David Alternativen, sinkt seine Abhängigkeit. Das heisst nicht, dass man feindselig gegenüber Goliath auftreten sollte. Aber man sollte leise und systematisch andere Partner aufbauen. Ich denke, die Schweiz und andere europäische Länder arbeiten bereits aktiv daran – und das ist ein wichtiger Teil der langfristigen Strategie. Auch wenn man das nicht offen anspricht. (aargauerzeitung.ch)

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144 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Swen Goldpreis
06.08.2025 06:15registriert April 2019
Die letzten drei Sätze sind die wichtigsten und auch wahrsten. Wir müssen andere Partner finden. Deswegen auch den F35-Deal künden.
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Skeptischer Optimist
06.08.2025 06:29registriert Februar 2016
Die Welt - und damit die Schweiz - muss einen neuen Umgang mit den USA finden. Ein Schurkenstaat mit erratischer Führung muss isoliert und nicht umhätschelt werden.
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stevensplace
06.08.2025 05:55registriert März 2020
Wenn der Pausenplatz-Schläger, dir die Wahl lässt, das Taschengeld herauszurücken, oder verprügelt zu werden…

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