Man stelle sich vor: Mitten im Festivaltrummel, bei laufender Musik und fliessendem Bier, kommt plötzlich der Drang: Ich muss mal. Verdammt. Die Stunde der Entscheidung ist gekommen: Soll ich mich zurückhalten, bis ich nicht mehr laufen kann? Oder gehe ich das Risiko ein, einen Teil des Konzerts zu verpassen - und dabei die meisten meiner Freunde zu verlieren -, um mich zu erleichtern und mit leichterem Herzen (und Blase) weiterzufeiern?
Dieses Dilemma räsoniert zwar bei jedem, scheint aber bei Frauen (oder jedem, der im Hocken pinkelt) umso stärker zu sein, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie oft viel länger auf die Toilette warten müssen als ihre männlichen Kollegen, die die Möglichkeit haben, schnell zum Pissoir zu gehen.
Die in Dänemark lebende französische Architektin Gina Pérrier beschloss darum, Lapee zu entwerfen – ein Pissoir für Frauen – um diese Ungleichheit zu beheben.
Wie kommt man auf so eine Idee?
Gina Périer: Ich bin Architektin und arbeitete zu der Zeit für ein grosses Musikfestival in Dänemark. Mir wurde klar, dass man als Frau, wenn man aufs Klo muss, mit diversen Hindernissen konfrontiert wird. Die Warteschlangen sind viel zu lang, die Toiletten dreckig, wir müssen die Türklinken anfassen, was uns dann zum Händewaschen zwingt. Es ist einfach kompliziert.
Wie kann es sein, dass Menschen am Pissoir schneller sind als in einer geschlossenen Kabine?
Weil dich alle sehen. Man hat deshalb automatisch weder die Zeit noch die Lust, länger als nötig zu bleiben. In einer geschlossenen Toilette hingegen erledigt man noch andere Bedürfnisse oder lässt sich einfach Zeit, weil man abgeschirmt ist.
Als Frauen sind wir es im Allgemeinen weniger gewohnt, vor allen Augen «draussen» zu bislen. Ist ihnen eine gewisse Zurückhaltung aufgefallen?
Ich gehe oft vor Ort, um die Reaktionen zu beobachten. Es gibt sehr viele Frauen, die nur auf so eine Erfindung gewartet haben, weil sie es satthatten, nicht schnell pinkeln zu können. Diese Frauen waren äusserst begeistert und sind direkt (im wörtlichen Sinne) eingestiegen. Andere wiederum werden sich nie wohlfühlen, und das ist auch in Ordnung. Lapee ist schliesslich eine Ergänzung zu Toilette.
Besteht die Gefahr, dass jemand schnell ein Foto schiesst oder die Leute belästigt?
Wir haben noch nie eine Beschwerde diesbezüglich erhalten. Ein weiterer Grund, warum ich Lapee erfunden habe, war übrigens der Wunsch, den Hockpinklern mehr Sicherheit zu bieten. Ich weiss nämlich, dass einige Frauen schon einmal fotografiert wurden, wie sie hinter einem Busch pinkelten. Das kann bei einem Lapee-Pissoir nicht passieren, ausser jemand geht wirklich schamlos dran heran.
Ist die Sicherheit also gewährleistet?
Absolut. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass jemand einen Mann beim Urinieren am Pissoir fotografiert oder belästigt. Wir hätten ja auch die ganze Zeit über belästigen können, wenn wir es gewollt hätten. So etwas passiert aber in der Regel nicht: Die Sanitärbereiche werden gegenseitig respektiert.
Gibt's WC-Papier?
Ja. Es gibt auch Abfalleimer, in die man seine Menstruationseinlagen werfen kann. Es gibt die weitverbreitete Meinung, dass es unhygienisch sei, sich nicht abzuwischen, aber das stimmt nicht. Papier bringt einfach mehr Bequemlichkeit. Übrigens wischen sich auch Männer nicht am Urinal ab und haben keine Probleme damit.
Warum haben Sie Rosa als Farbe für die Lapee gewählt?
Da gibt es mehrere Gründe. Zum einen, weil Rosa einen bleibenden Eindruck hinterlässt und aus der Ferne gut erkennbar ist. Das verleiht den Menschen, die sie benutzen, eine gewisse Sicherheit. In Bezug auf die Symbolik macht diese Farbe auch das sichtbar, was wir normalerweise zu verbergen versuchen: die Toilette. Diese ist nämlich immer noch ein Tabuthema, was erklärt, warum es so wenig Innovationen in dem Gebiet gibt. Und schliesslich bietet Rosa einen netten Hintergrund für Selfies. Die Leute fotografieren sich gern vor Lapees.
Sie wurden für die Teilnahme am «Breaking Barriers Innovation Lab» von Adidas ausgewählt, einem Programm, das euch unter anderem einen Zuschuss und einen Arbeitsplatz in Paris bietet. Sie haben die Hoffnung, Lapee zu den Olympischen Spielen zu bringen. Haben Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet?
Ursprünglich hatten wir die Lapee 2019 nur in Dänemark herausgebracht. Sie wurden von Sanitärfirmen gemietet, die sie dann an Festivals usw. verteilten. Seitdem wurden sie in Frankreich, Norwegen, Spanien, der Schweiz, Belgien und einem Dutzend anderer Länder bestellt. Wir hätten nicht gedacht, dass die Idee so sehr begeistern würde, vor allem nicht auf internationaler Ebene. Heute haben wir über 300 Lapee verkauft und sie sind auf rund 300 Veranstaltungen präsent. Das ist also der Beweis dafür, dass es eine echte Nachfrage gab.
Das ist schlichtweg falsch. Frauenurinale/pissoirs gibt es seit Jahrzehnten. Ein Blick auf Wikipedia hilft.
Also ich nutze auch beim pinkeln, wenn immer möglich, WC Papier. Oder halt mal eine Serviette vom Lavabo oder ein Papiertaschentuch.
Finde es etwas ecklig, diesen berühmten letzten Tropfen in der Unterhose zu haben.
Aber wen‘s nicht stört… Bitteschön.