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Interview

Trump und Putin treffen sich in Alaska: Ein Experte im Interview

«Putin ist Trump klar überlegen»: Diese Fallen lauern in Alaska auf den US-Präsidenten

Was könnte am Freitag entschieden werden? Was hält der Kreml-Herrscher vom US-Präsidenten und welche Rolle spielen die Europäer? Staatswissenschafter Christoph Frei beantwortet die wichtigsten Fragen zum Ukraine-Gipfel in Alaska.
15.08.2025, 06:2415.08.2025, 08:16
Natasha Hähni / ch media
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Herr Frei, Donald Trump und Wladimir Putin treffen sich am Freitag in Alaska. Was wäre im Hinblick auf den Ausgang des Gesprächs das Worst-Case-Szenario?
Christoph Frei: Der schlimmste Fall wäre, dass Donald Trump weiterhin Putins nützlicher Idiot bleibt, sich vom russischen Präsidenten also erneut instrumentalisieren lässt.

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US-Präsident Donald Trump spricht heute in Alaska mit Wladimir Putin.Bild: keystone

Wann wäre der Gipfel in den Augen des US-Präsidenten ein Erfolg?
Aus Sicht von Donald Trump ist so ziemlich alles ein Erfolg, was in Anchorage passiert. Warum? Weil einer seiner stärksten Impulse lautet: gut aussehen, stark herüberkommen. Es geht nicht um die Substanz von Verhandlungen oder Gesprächen, sondern allein um den äusseren Effekt. Der Drang, in jeder Situation gut auszusehen, steuert Trumps Verhalten stärker als alles andere.

Diese Umschreibung ist weit weg von Erfolg, wie ihn Wolodimir Selenski versteht. Wann wäre das Meeting für die Ukraine erfolgreich?
Der Idealfall für Selenski wäre, wenn Trump erkennen würde, dass Putin wirklich keinen Willen hat, den Krieg zu beenden – und daraus Konsequenzen zieht. In diesem Szenario würde Trump, getrieben zum Beispiel von seinem obsessiven Wunsch nach einem Friedensnobelpreis, gegenüber Russland eine härtere Haltung einnehmen. Das wäre das schönste Ergebnis für Selenski: ein Präsident Trump, der aktiv Druck auf Moskau ausübt.

Christoph Frei ist Professor für Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt internationale Beziehungen. Er forscht seit 1988 regelmässig in den USA.
HSG-Professor Christoph Frei.Bild: zvg

Trump hat dem Kreml-Herrscher auch diese Woche wieder mit schwerwiegenden Folgen gedroht, sollte dieser nicht einlenken. Ein früheres Ultimatum hat er aber schon mehrfach verschoben. Wie ernst nimmt Putin den US-Präsidenten?
Putin nimmt Trump nicht besonders ernst – zu oft ist es ihm gelungen, sein Gegenüber um den Finger zu wickeln. Die eigentliche Frage dahinter lautet: Hat Russland seit Langem etwas in der Hand, mit dem es Trump erpressen kann? Unser Experte Ueli Schmid von der HSG bringt diese Möglichkeit mitunter ins Spiel. Warum agiert Trump immer wieder in einer Weise, die Putins Interessen entgegenkommt? Liegt es nur an seiner Sympathie für «starke Männer» – oder steckt mehr dahinter? Fest steht: Als Immobilienhändler mag Trump erfolgreich gewesen sein, aber als Verhandler mit autoritären Führungspersönlichkeiten hat er bislang keinen überzeugenden Leistungsausweis.

Dieser Aussage würde er sicherlich widersprechen. Das jüngste Friedensabkommen zwischen Aserbaidschan und Armenien wird auch mit seinem Engagement in Verbindung gebracht. Seine Anhänger feiern ihn dafür als Friedensmacher.
Trump drängt sich im Wortsinn überall auf, um im Vordergrund zu stehen. Er will nicht nur Preise, sondern Geltung. Wie gross der tatsächliche amerikanische Beitrag zu den Vereinbarungen zwischen Aserbaidschan und Armenien war, bleibt offen. Vieles war absehbar. Aber immerhin, das Abkommen ist zustande gekommen. Das sollte man nicht schlechtreden. Beim Thema Nahost und Ukraine bleiben amerikanische Einmischungen deutlich weniger erfolgreich. Dort setzt Trump auf einen Unterhändler, Steve Witkoff, der mit eher viel Unwissen hervorsticht.

Das Gespräch findet auf US-Boden statt, in Alaska – wieso nicht auf neutralem Boden?
Wie will sich Putin auf neutralem Boden bewegen? Gegen ihn liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. Die USA gehören bekanntlich zu dessen grössten Skeptikern. Fakt ist, dass das Treffen so oder so einen Riesenerfolg für Putin verspricht. Seit dessen Invasion der Ukraine ist es das erste Treffen zwischen ihm und einem US-Präsidenten. Durch den persönlichen Austausch legitimiert man, was Russland macht, und gibt Putin eine Plattform auf amerikanischem Boden.

Members of the media stand outside Joint Base Elmendorf-Richardson in Anchorage, Alaska, Thursday, Aug. 14, 2025, ahead of a meeting between President Donald Trump and Russia's President Vladimir ...
Hier, in Anchorage, Alaska, findet das Gespräch zwischen Trump und Putin am Freitag statt.Bild: keystone

Wo lauern für Donald Trump Fallen beim Gespräch mit Wladimir Putin?
Für Trump ist alles ein Erfolg – für alle anderen kann das Treffen bedrohliche Folgen haben. Für die Ukraine zum Beispiel könnte es schlimm enden, wenn Putin Trump Zugeständnisse entlockt. Dabei geht es nicht nur um den Ukraine-Konflikt, sondern auch um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland, die immer wieder betont wird. Es gibt zahlreiche Entscheidungen, die über die Köpfe der Ukraine hinweg gemacht werden könnten – und die in krassem Widerspruch zu ihren Interessen stünden.

Zum Beispiel?
Wenn ein «Verständnis» erzielt würde, wonach die vier besetzten Oblaste – Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson – an Russland fallen sollen, wäre für Kiew eine rote Linie überschritten. Selenski könnte dem niemals zustimmen, würde deshalb von Trump wieder als starr oder unversöhnlich dargestellt. Oder Putin bekommt von Trump explizite oder informelle Zusicherungen, wonach die US-Unterstützung für die Ukraine weiter reduziert wird – alles Erfolge aus Moskauer Sicht. Selbst eine Option, wonach nur die tatsächlich von Russland kontrollierten Gebiete annektiert würden, verstiesse klar gegen Artikel 2 der UNO-Charta und damit gegen zwingendes Völkerrecht. Zuletzt könnte also wieder viel von der Ukraine verlangt werden, ohne dass sie selbst mit am Verhandlungstisch sitzt.

Weder Selenski noch eine europäische Vertretung sind zum Gespräch eingeladen. Kann aus dem Treffen zwischen Putin und Trump überhaupt eine Einigung hervorgehen, die für alle Seiten zufriedenstellend ist?
Nein. Die Interessen der Ukraine können nicht fair aufgenommen und inkludiert werden, wenn Putin und Trump alleine miteinander sprechen. Ein Verhandlungsmandat ist nur dann glaubwürdig, wenn ein Mindestmass an Neutralität gewahrt bleibt – und das haben wir bisher nicht gesehen. Vielleicht geschieht ein Wunder und Trump stellt sich Putin entschieden entgegen. Doch die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering. Putin ist dem US-Präsidenten in direkten Verhandlungen klar überlegen. Trump hat die Aufmerksamkeitsspanne einer Heuschrecke. Allein schon dieser Umstand verhindert, dass er sich länger auf einen Punkt konzentriert. Daraus entsteht bei mir die Sorge, Putin könnte Trump einmal mehr zum Handlanger machen.

Gibt es dennoch Chancen, die das Treffen bringen kann?
Pazifisten würden jetzt sagen, es ist immer gut, wenn man redet. Ich bezweifle das und habe wirklich Mühe, in einer derart einseitigen Konstellation etwas Positives zu finden. Trump lädt ausgerechnet Putin ein und legitimiert in Teilen dessen Tun.

In der ukrainischen Bevölkerung wächst laut Umfragen die Akzeptanz für ein Kriegsende durch Verhandlungen.
Das stimmt, aber nur unter der Voraussetzung, dass es eben eine wirkliche Verhandlung ist, mit allen Parteien am Tisch. In der Ukraine setzt sich langsam ein Realismus durch: Es wird klar, dass ein Ende des Krieges kaum ohne Gebietsverluste erreicht werden kann. Die Rückgabe aller besetzten Regionen an die Ukraine wird nicht geschehen, weil einige Gebiete im Osten demografisch und politisch so verändert sind, dass eine Rückkehr kaum denkbar ist. Diese Erkenntnis dürfte wachsen, und die Ukraine wird sich am Ende mit territorialen Kompromissen abfinden müssen.

epa12292775 Ukrainian rescuers and policemen work at the site of the Russian strike on a bus station in Zaporizhzhia, Ukraine, 10 August 2025. At least 19 people were injured after a Russian guided ae ...
Auch während Trump und Putin in Alaska reden, gehen die Kämpfe in der Ukraine (im Bild: Saporischschja) weiter.Bild: keystone

Gehen wir davon aus, es gäbe solche Friedensverhandlungen und die Ukraine würde einen Teil ihres Territoriums abtreten. Würde sich Putin mit ein wenig Land im Donbass zufriedengeben?
Nein, bis auf weiteres nicht. Russland macht keine Zugeständnisse, hält vielmehr unbeirrt an seinen Bedingungen vom Juni 2024 fest. Militärisch im Vorteil, nutzt Moskau den fehlenden politischen Willen des Westens aus, um seine Position zu stärken. Die Ukraine ihrerseits könnte nur Land abtreten, wenn sie im Gegenzug verlässliche Sicherheitsgarantien erhält – die es derzeit nicht gibt. Russland und die Ukraine liegen in ihren Forderungen noch zu weit auseinander. Gerade deshalb bräuchte es Verhandlungen, die diesen Namen verdienen, mit unabhängigen, glaubwürdigen Vermittlern, in einer Wunschwelt etwa China und die USA.

Die Schweiz als neutraler Gastgeber für Verhandlungen sehen Sie nicht als Option?
Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Zurück zum Gipfeltreffen am Freitag. Wie könnte es danach weitergehen? Was sind die nächsten Schritte?
Ein substanzieller Fortschritt im Ukraine-Konflikt ist nur möglich, wenn auf beiden Seiten der politische Wille vorhanden ist. Um diesen zu erzeugen, bedarf es grossen Drucks von aussen. Dazu müssten zum Beispiel die USA glaubwürdig signalisieren, dass sie gewillt sind, Russland wirklich weh zu tun, etwa durch militärische Aufrüstung der Ukraine oder verschärfte Wirtschaftssanktionen. Solange Putin davon ausgehen kann, dass Donald Trump seine Bisshemmungen behält, wird es echte Fortschritte kaum geben.

Friedrich Merz hat Druck angekündet, sollte nach dem Treffen am Freitag keine Bewegung in die Friedensverhandlungen kommen.
Das ist ehrenhaft von Bundeskanzler Merz. Er versucht, für Europa zu retten, was zu retten ist. Trump interessiert aber kaum, was der deutsche Bundeskanzler zum Krieg zu sagen hat. (aargauerzeitung.ch)

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Die beliebtesten Kommentare
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Nirantali
15.08.2025 06:53registriert Juli 2020
Man könnte auch sagen: Da treffen sich zwei Mafia-Paten und verhandeln über Gebietsaufteilungen.

Eigentlich müsste da das FBI einfahren und beide einbuchten, doch leider gehört das FBI bereits einem von beidem. Und der andere hat wahrscheinlich Kopien von Epstein-Videos auf seinem Handy, um dem anderen klar zu machen, dass man ihn immer noch in der Hand hat.

Es werden sicher die wunderbarsten, schönsten und besten Verhandlungen werden, die man je gesehen hat.
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El_Chorche
15.08.2025 06:58registriert März 2021
Naja, meine Zimmerpflanze ist Trump überlegen.

Und die ist aus Plastik.
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_Momo_
15.08.2025 07:00registriert August 2025
Geht es um die Ukraine bei diesem Gespräch oder wird darüber diskutiert, wie man sich Europa aufteilen könnte 🫣?

Ich weiss, reine Spekulation aber bei diesen 2 Herren würde mich nichts mehr verwundern!
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