International
Schweiz

Von AKW-Boom weltweit keine Spur – Europa weiter abhängig von Russland

Noch liefert das AKW Leibstadt Strom für Schweizer Haushalte, doch wie lange?
Das Kernkraftwerk Leibstadt ist eines von vier aktiven AKWs in der Schweiz.Bild: Claudio Thoma

Von AKW-Boom weltweit noch keine Spur – Europa weiter abhängig von Russland

20.09.2024, 19:29
Mehr «International»

Der Bundesrat will das Neubauverbot für AKWs in der Schweiz wieder aufheben. Doch ein neuer Bericht, der «World Nuclear Industry Status Report», zeigt, dass sich international die Begeisterung für Kernenergie in Grenzen hält.

So wurden 2023 weltweit fünf Atomkraftwerke in Betrieb genommen – im gleichen Zeitraum wurden fünf andere AKWs abgeschaltet. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Ausgleich, denn die Kapazität ging dabei leicht zurück. Konkret: Die fünf stillgelegten hatten eine Leistung von sechs Gigawatt, die fünf neuen hingegen nur fünf Gigawatt.

Branche ist anderer Meinung

Der World Nuclear Industry Status Report ist eine Studie, die den Stand der Kernenergie weltweit kritisch beleuchtet. Herausgeber des Berichts ist der Atom- und Energiepolitik-Analyst Mycle Schneider. Er kommentiert den Stand der Kernenerige weltweit:

«2022 waren insgesamt 16 Atomkraftwerke am 1. Januar 2022 für die Betriebsaufnahme im Laufe des Jahres vorgesehen. In der Realität sind es sieben gewesen.»

Die Branche bestätigt die Zahlen des Berichts, ist jedoch optimistischer, wie SRF berichtet. Stefan Diepenbrock vom Nuklearforum Schweiz sagt dazu, es habe im vergangenen Jahr eine «noch nie dagewesene Anzahl an Bekenntnissen und konkreten Absichtserklärungen» von vielen Ländern gegeben, die den Ausbau der Kernenergie vorantreiben wollten.

Zu Verzögerungen komme es laut Diepenbrock vor allem in Europa. Als möglichen Grund nannte er etwa regulatorische Anforderungen während des Baus, die sich ändern könnten. Es gebe auch einen «Mangel an Erfahrung», da viele Länder seit Jahrzehnten keine neuen AKWs mehr gebaut hatten. Diepenbrock gibt sich überzeugt, dass sich das in den kommenden Jahren ändern werde.

An Russland führt kein Weg vorbei

Wie der «World Nuclear Industry Status Report» bestätigt, kann die Bedeutung Russlands für AKW-Betreiber weltweit kaum überschätzt werden.

Als Kernbrennstoff wird in den meisten betriebenen Kernkraftwerken angereichertes Uran in Form seines Oxids eingesetzt. Und dieses bezieht die Schweiz grösstenteils von der Föderalen Agentur für Atomenergie Russlands (Rosatom). Die Hälfte des Brennmaterials für das KKW Leibstadt und das gesamte Material für das KKW Beznau stammt aus Russland. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine steht Axpo, die Betreiberin der beiden Anlagen, allerdings in der Kritik, die Zusammenarbeit mit Rosatom fortzusetzen. Axpo erklärte, sie werde die Verträge für Beznau (bis 2030) und Leibstadt (bis 2025) einhalten, die Zusammenarbeit danach aber nicht verlängern.

Und auch in Ägypten hat Russland in Punkto Kernkraft die Hände im Spiel. Dort wurden während des Ukraine-Kriegs vier Kernkraftwerke nach russischer Bauart gebaut. Und auch auch in Bangladesh und der Türkei führt die russische Atomindustrie Kernreaktor-Projekte durch. Die Auswirkungen davon bleiben abzuwarten.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
47 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Pafeld
20.09.2024 19:49registriert August 2014
"Die Hälfte des Brennmaterials für das KKW Leibstadt und das gesamte Material für das KKW Beznau stammt aus Russland."

Das ist die Realität. Und jetzt kann sich jeder selber denken, warum die putintreue SVP unter Ölbert Rösti plötzlich Himmel und Hölle in Bewegung setzt, dass wir möglichst lange in der Atomenergie bleiben. Weil Atomenergie heisst Abhängigkeit von Russland.
8220
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lowend
20.09.2024 21:25registriert Februar 2014
Neue AKWs zu bauen und russisches Uran zu benutzen, statt auf dreckiges Öl und Gas aus Russland zu setzen, kommt mir etwa vor, wie ein Heroin-Junkie, der seine Abhängigkeit bekämpfen will, indem er statt Heroin zu spritzen, nun Kokain bei seinem Dealer bezieht, dass er sich durch die Nase reinzieht.
287
Melden
Zum Kommentar
47
Waldbrand in Malibu: Feuerwehr macht Fortschritte

Kühleres Wetter und abflauende Winde erleichtern den Kampf gegen den zerstörerischen Waldbrand in der kalifornischen Küstenstadt Malibu. Nach Angaben der Behörden konnte etwa ein Fünftel des sogenannten Franklin-Feuers durch einen Grosseinsatz der Feuerwehr erfolgreich eingedämmt werden. Viele Bezirke waren seit Ausbruch der Flammen am Montag evakuiert worden, nun konnten erste Anwohner in einigen Regionen wieder nach Hause zurückkehren.

Zur Story