Die Niederlassung ist unscheinbar, obschon sie an prominenter Stätte in der Zuger Innenstadt liegt. Gleich gegenüber dem Coop City, neben dem Buchhaus Balmer, befindet sich der Sitz einer gewissen Novatek Gas & Power GmbH. Passanten dürfte die kleine Anschrift kaum auffallen, auch der Firmenname sagt wohl vielen auf Anhieb nichts.
Dabei ist Novatek ein Gigant seiner Branche. Hinter Gazprom ist das Unternehmen der zweitgrösste Gasexporteur Russlands. Doch im Gegensatz zum Gazprom-Konzern, der vor dem Ukraine-Krieg noch als offizieller Uefa-Sponsor auftrat und die Trikots zahlreicher europäischer Fussballclubs zierte, ist Novatek der hiesigen Öffentlichkeit kaum bekannt.
In der Schweiz ist Novatek mit verschiedenen Ablegern seit 2005 aktiv. 2012 wurden diese in der Novatek Gas & Power GmbH vereinigt, mit dem Ziel, das Hauptexportprodukt des Mutterhauses an europäische Kunden zu bringen: Flüssigerdgas oder Liquefied Natural Gas, kurz LNG.
Seit dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine im Februar 2022 hat sich LNG zunehmend als Alternative zum klassischen Pipelinegasgeschäft etabliert. Und Novatek damit zu einer alternativen Einnahmequelle für Russlands Kriegswirtschaft gemacht, während die westlichen Mächte versuchen, Gazprom den Hahn zuzudrehen.
Seit Februar 2022 haben die USA und die EU nicht nur gegen den Gazprom-Mutterkonzern in Moskau, sondern auch gegen dessen internationale Gesellschaften sowie wichtige Führungsleute Sanktionen verhängt.
Dies blieb nicht ohne Folgen: War Gazprom 2022 noch das grösste Unternehmen Russlands, war es im Jahr darauf nicht einmal mehr auf der «Forbes»-Liste der Top 100 des Landes vertreten und schrieb erstmals seit 1999 einen Verlust. Selbst die gestiegenen Exporte nach China und in den Mittleren Osten konnten das Wegbrechen des einst wichtigsten europäischen Marktes bisher nicht kompensieren.
Auch in der Schweiz hat der Konzern einen schweren Stand. Die in Zug domizilierte Betreibergesellschaft der Ostseepipeline Nord Stream 2, die mehrheitlich Gazprom gehört, ist infolge der Sanktionen weitgehend handlungsunfähig und steht vor dem Konkurs. Wegen der geopolitischen Tragweite des Falls wurde die definitive Nachlassstundung vergangene Woche in einem ausserordentlichen Vorgehen von einem Zuger Gericht nochmals bis zum 9. Mai 2025 verlängert. Zwar wird hinter den Kulissen Zuversicht verbreitet, doch der Ausgang bleibt ungewiss.
Bei der Schwesterfirma Nord Stream 1 herrscht ebenfalls weniger Betrieb als früher, wegen rückläufiger Einnahmen kam es dort zu Entlassungen. Zudem befindet sich der Schweizer Ableger des Gazprom-Konzerns nahe dem Zuger Regierungsgebäude, der zuletzt unter dem Namen Sefe Schweiz firmierte, seit Oktober 2024 in Liquidation.
Bei Novatek am Bundesplatz laufen die Geschäfte dagegen rund. Gemäss Rohstoffanalysten erreichten die europäischen LNG-Importe aus Russland im vergangenen Jahr ein neues Allzeithoch. Dies trotz wachsender Bemühungen der EU, die Einfuhr von russischem Gas zu reduzieren.
Laut dem finnischen Center for Research on Energy and Clean Air (Crea) hat die EU im letzten Jahr russisches LNG im Wert von 7,3 Milliarden Euro importiert; das Volumen nahm im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 17,5 Millionen Tonnen zu. Belgien und Spanien führten zuletzt mehr russisches LNG ein als vor Kriegsbeginn, und Frankreich hat sich gemäss Crea zum wichtigsten LNG-Abnehmer Russlands entwickelt.
Russisches Flüssigerdgas ersetzt damit einen immer grösseren Teil des sanktionierten Pipelinegases. Jüngst hat Russland gar Katar als Europas zweitgrössten LNG-Versorger überholt, hinter den USA. Dies vor allem, weil russisches Flüssiggas an den Spotmärkten vergleichsweise günstiger zu haben war.
Novatek rüstet sich entsprechend für die neue Gaszukunft. So entsteht auf der westsibirischen Halbinsel Gydan gerade das Milliardenprojekt Arctic LNG 2, das ab 2026 zusätzliche 20 Millionen Tonnen Flüssiggas jährlich in die Welt liefern soll. Der französische Konzern Total Energies ist mit 10 Prozent am Projekt beteiligt, was vor allem eines verdeutlicht: Novatek darf bei seinen künftigen Expansionsplänen auf Europa zählen.
Erst im Dezember wurde der Konzern zu einem internationalen LNG-Branchentreffen in Berlin geladen und konnte dort Werbung für sein Produkt machen – was den deutschen Veranstaltern Kritik einbrachte. Vertreten war aber nicht der Mutterkonzern des Gasriesen, sondern dessen Singapurer Tochter Novatek Gas & Power Asia, die auch über eine Zweigniederlassung in Zug ohne physische Adresse verfügt.
Über die Schweizer Tochter Novatek Gas & Power GmbH, die in Zug etwas mehr als zehn Leute beschäftigt, soll auch in Zukunft ein Teil des europäischen LNG-Vertriebs laufen. Geführt wird die Niederlassung von Sergey Gzhelyak, einem russischen Staatsbürger, der davor unter anderem als Vertreter für den aserbaidschanischen Öl- und Gaskonzern Socar tätig war.
Chef des Novatek-Mutterkonzerns in Moskau ist der russische Oligarch Leonid Mikhelson, der gemäss den EU-Sanktionsbestimmungen ein enger Vertrauter Wladimir Putins ist, ohne selbst auf einer Sanktionsliste zu stehen.
In den USA ist nebst Gazprom inzwischen auch der Novatek-Konzern sowie dessen Vorzeigeprojekt Arctic LNG 2 sanktioniert. In der EU konnte Novatek dagegen einer Sanktionierung bisher entgehen – was unter anderem mit der Beteiligung der französischen Total Energies an Arctic LNG 2 zusammenhängen dürfte. Auch wenn die EU im vergangenen Jahr begonnen hat, Frachtschiffe mit russischem LNG zu sanktionieren, plant sie erst für 2027, unabhängig von Gasimporten aus Russland zu werden.
Bis dahin rollt der Gas-Rubel also weiter, auch in Zug. Dort kritisiert unter anderem die grünalternative Partei, der Kanton trage mit seiner Passivität gegenüber intransparenten russischen Unternehmen eine «Mitverantwortung am Ukraine-Krieg».
Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler erwiderte darauf jüngst gegenüber SRF, man könne derartige Firmen nicht einfach aus dem Kanton hinausbugsieren. «Wenn sie Gesetze einhalten, wenn sie die Verfassung einhalten, dann haben sie das Recht, hier ein Domizil zu haben.»
Novatek selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
(aargauerzeitung.ch)
Ja wer sonst. Zug ist korrupt bis zum Hals.