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Spanien

Puigdemont will trotz Exil für Neuwahlen in Katalonien kandidieren

FILE - In this Tuesday, Oct. 31, 2017 file photo, ousted Catalan President Carles Puigdemont smiles after a press conference in Brussels. Puigdemont says he is ready to run for re-election in December ...
Der abgesetzte katalanische Präsident Carles Puigdemont will für die Neuwahlen im Dezember von Belgien aus kandidieren.Bild: AP/AP

Spanien stellt europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont aus – wie reagiert Belgien?

03.11.2017, 20:1503.11.2017, 21:20
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Der katalanische Ex-Regierungschef Carles Puigdemont muss nun jederzeit mit einer Festnahme rechnen. Das spanische Staatsgericht in Madrid erliess am Freitag einen Europäischen Such- und Haftbefehl gegen den Ex-Regionalpräsidenten.

Der Beschluss von Richterin Carmen Lamela gilt auch für die vier Ex-Minister, die sich wie ihr Chef nach der Entmachtung der Regionalregierung in Barcelona nach Brüssel abgesetzt hatten, wie das Gericht am Freitag mitteilte. Eine Anhörung Puigdemonts per Videoschaltung lehnte es ab.

Im belgischen Fernsehsender RTBF sagte der 54-Jährige am Freitag, er sei nicht vor der Justiz geflohen. Er wolle sich der Justiz stellen, «aber der wirklichen, nicht der spanischen.» Puigdemont wiederholte, er wolle in Belgien nicht Asyl beantragen und setze weiterhin auf Dialog zur Lösung des Konflikts.

Vorladung missachtet

Dem Separatisten-Chef droht in Spanien eine Haftstrafe von bis zu 30 Jahren. Ihm werden Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen.

Grund ist der einseitige Unabhängigkeitsbeschluss, den das Parlament in Barcelona am Freitag vor einer Woche verabschiedet hatte. Die Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die katalanische Regierung daraufhin abgesetzt.

Puigdemont und die vier Ex-Minister hatten am Donnerstag eine Vorladung von Richterin Lamela missachtet. Die neun übrigen ehemaligen Angehörigen der katalanischen Regierung erschienen dagegen vor Gericht und wurden mit Untersuchungshaft belegt. Die sieben Männer und zwei Frauen wurden nach den Vernehmungen umgehend zu zwei Gefängnissen im Madrider Umland gefahren.

Puigdemonts belgischer Anwalt Paul Bekaert hat bereits angekündigt, gegen einen Auslieferungsantrag aus Spanien vorzugehen. Bekaert hatte einst Mitglieder der baskischen Terrororganisation ETA vertreten und auch gegen deren Auslieferung nach Spanien gekämpft.

Vorwürfe gegen Puigdemont werden ausschlaggebend sein

Sollte Puigdemont festgenommen werden, hätte die belgische Justiz nach EU-Regeln 60 Tage Zeit, um über die Auslieferung des katalanischen Politikers zu entscheiden - lediglich in Ausnahmefällen kann die Frist um weitere 30 Tage verlängert werden.

Für eine Auslieferung muss der Puigdemont vorgeworfene Straftatbestand grundsätzlich auch in dem Land existieren, in dem er festgenommen wird. Bei «Rebellion» und «Aufruhr» ist dies in Belgien nicht der Fall. Es gibt aber auch Straftatbestände, bei denen diese Voraussetzung der «beiderseitigen Strafbarkeit» nicht gilt. Nun muss geklärt werden, welche Vorwürfe gegen Puigdemont darunter fallen könnten.

In Katalonien kam es nach der Verhaftung der Ex-Minister am Donnerstag zu Protesten und Störaktionen. In Barcelona und anderen Städten versammelten sich Tausende zu Kundgebungen. Viele Katalanen schlugen in der Nacht auf Balkonen und an offenen Fenstern spontan auf leere Töpfe.

People hit pots with sticks to make noise supporting the vote for Yes in the Sunday, Oct. 1 referendum on the Catalonia region's independence, in Cornella, outskirts of Barcelona, Spain, Monday,  ...
Zwei Demonstrantinnen hauen mit Stöcken auf einen Topf in Katalonien.Bild: AP/AP

Am Tag nach den Kundgebungen verübten einige Separatisten Störaktionen und versperrten zeitweise Strassen und Schienen. Die Protestaktionen sollen nach Ansicht der Separatisten noch deutlich grössere Ausmasse annehmen.

Wahlen im Dezember

Für den 12. November riefen die einflussreichen Organisationen Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Òmnium Cultural zu einer Grossdemonstration in Barcelona auf. Dabei wollen sie «die Freilassung aller politischen Häftlinge» fordern.

Gemeint sind auch die Präsidenten der beiden Gruppen, Jordi Sànchez (ANC) und Jordi Cuixart (Òmnium), die schon seit Ende Oktober unter dem Vorwurf des «aufrührerischen Verhaltens» in Haft sitzen. Die spanischen Behörden lehnen ihre Freilassung ab.

Für den 21. Dezember sind Neuwahlen in Katalonien angesetzt. Er sei bereit zu kandidieren, sagte Puigdemont im Interview mit dem Sender RTBF. «Wir wollen, dass die Wahlen so normal wie möglich verlaufen. Und mit einer inhaftierten Regierung werden die Wahlen weder neutral noch unabhängig oder normal sein.»

Auf die Frage, ob es möglich sei, vom Ausland aus Wahlkampf zu machen sagte er: «Natürlich!» Man lebe in einer globalisierten Welt. (leo/sda/dpa/afp/reu)

Zehntausende auf den Strassen in Spaniens grössten Städten:

Video: srf
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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Simonson
03.11.2017 21:46registriert Dezember 2014
Unglaublich wie die EU und auch die Schweiz bei dieser Ungerechtigkeit der korrupten Spanischen Regierung http://m.spiegel.de/politik/ausland/a-1159813.html
einfach tatenlos zuschauen. Puigdemont wurde demokratisch gewählt und hatte ein Mandat des Volkes. Er signalisierte vor der Unabhängigkeitserklärung mehrmals Gesprächsbereitschaft. Anstatt darauf einzugehen, schlugen die bis an die Zähne bewaffneten Polizeisoldaten aus Madrid die friedlichen Bürger in Katalonien (sogar auch ältere Frauen) nieder. Rajoy und seine Regierung hätten die 30 Jahre Gefängnis deshalb viel eher verdient.
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