Ein SVP-Hardliner fordert Asyl für einen Flüchtling. Die Geschichte vom Aargauer Nationalrat Andreas Glarner, der den abgesetzten Katalanen-Präsidenten Carles Puigdemont in die Schweiz holen will, sorgte für Aufsehen. Auch Zehntausende Katalanen stiessen über Facebook und Twitter auf die Nachricht.
Ein Schweizer Leser schrieb, Glarner solle Puigdemont in seiner Gemeinde Oberwil-Lieli einquartieren. Das Dorf wurde international bekannt, weil es sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehrte. Gemeindeammann Glarner sagt auf Anfrage: «Puigdemont ist in Oberwil-Lieli willkommen.»
Hab ich das richtig verstanden? Puigdemont zieht bald nach Oberwil-Lieli. pic.twitter.com/rCehYidwjz
— Roland Mathys (@MathysRoland) 2. November 2017
Die Schlinge um den Hals von Puigdemont zieht sich zu. Acht seiner neun Minister, die zur Vernehmung nach Madrid gereist waren, sitzen in Untersuchungshaft. Weil Puigdemont nicht zum Verhör erschien, wird er seit heute Morgen per europäischen Haftbefehl gesucht. Es droht die Verhaftung in seinem Exil Brüssel.
Anwalt Marcel Bosonnet kennt sich mit Prominenten aus, die im Ausland Schutz vor Verfolgung suchen. Er versuchte vergeblich, für US-Whistleblower Edward Snowden eine Einreise in die Schweiz zu organisieren. Bosonnet ist der Meinung, dass Puigdemont Asyl bekommen sollte, in Belgien oder in der Schweiz.
In Spanien erwarte den Katalanen-Präsidenten kein faires Verfahren. Die Schweiz hätte gemäss Bosonnet für Puigdemont den Vorteil, dass hier das erleichterte Auslieferungsverfahren der Europäischen Union nicht zur Anwendung käme. Für Belgien als Zufluchtsort spreche hingegen, dass ihm hohe Politiker Asyl angeboten hätten.
Bosonnet ist skeptisch, ob Puigdemont in der Schweiz sicher wäre. Neuere Urteile zeigen, dass Schweizer Bundesrichter Bosonnets Einschätzung zu Spanien nicht teilen. Er erinnert an den jüngsten Fall eines Auslieferungsbegehrens von Spanien an die Schweiz.
Die baskische Aktivistin Nekane Txapartegi sass eineinhalb Jahre lang in Auslieferungshaft. Spanien wollte ihr im Zusammenhang mit der baskischen Untergrundorganisation ETA den Prozess machen.
Im Rahmen dieses Verfahrens hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob die Aktivistin in Spanien ein faires Verfahren erwarten könne. Es kam zum Schluss, dass dies gegeben sei. Auch Puigdemont argumentiert, die Gerichte in Spanien seien befangen und würden ihn wegen seiner politischen Ideen verfolgen.
«Die Chancen von Puigdemont stehen sicher besser als bei ETA-Aktivisten, denn ihm wird keine Gewalt vorgeworfen», sagt Bosonnet. Er geht davon aus, dass Auslieferungs- und Asylverfahren mindestens ein Jahr dauern würden, sofern alle Rechtsmittel ausgenutzt würden.
Bosonnet sagt, dass derartige Verfahren von Prominenten wie Snowden oder Puigdemont immer einen politischen Charakter hätten, auch wenn die Behörden beteuerten, neutral zu sein.
Während Andreas Glarner vom linken Anwalt Bosonnet Rückendeckung bekommt, erntet er Kritik aus der eigenen Partei. Der St. Galler SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel hält wenig von den Vorstössen Schweizer Politiker zur Katalonienkrise.
«Natürlich würde ein Asylgesuch von Herrn Puigdemont geprüft. Ich habe volles Vertrauen in unsere Asylbehörden. Aber es bringt nichts, wenn Politiker herumtrompeten, die Schweiz solle im Katalonienkonflikt aktiv werden», sagt Büchel, der die aussenpolitische Kommission des Nationalrates präsidiert.
Unbedachte Äusserungen seien sogar kontraproduktiv. «Sollte die Schweiz in dieser Krise dereinst vermitteln, dann muss man jetzt diskret bleiben», sagt er. Die Forderung seines Parteikollegen Glarner gestern in dieser Zeitung hält er für so wenig zielführend wie diejenige von Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP) im Europarat in Strassburg.
Sie hatte die Schweiz als Vorbild in Sachen Föderalismus angepriesen. «Nachhilfe in Staatskunde ist das Letzte, was es in dieser Situation braucht», sagt Büchel. (aargauerzeitung.ch)