Spanien gilt beim Thema Abtreibung derzeit als ziemlich liberales Land. In den ersten 14 Wochen einer Schwangerschaft dürfen Frauen abtreiben, befindet sich eine Frau in Lebensgefahr, verlängert sich diese Frist um weitere acht Wochen. Im Frühling 2022 reformierte die linke Regierungskoalition das Abtreibungsgesetz weiter: 16-Jährige dürfen neu abtreiben, ohne das Einverständnis ihrer Eltern einholen zu müssen.
Die Liberalisierung der Abtreibungsgesetze in Spanien gefällt allerdings nicht allen. Vor allem in rechtskonservativen Kreisen wurden immer wieder Stimmen laut, die eine Verschärfung fordern. Zumindest regional schien eine solche nun einzutreffen: Die Regierung von Kastilien und León wollte allen Ärztinnen und Ärzten der Region anordnen, Schwangeren von einer Abtreibung abzuraten.
Unter anderem sollen Frauen dazu gedrängt werden, den Herzschlag des ungeborenen Kindes anzuhören. Zudem sollen die Ärztinnen und Ärzte den Patientinnen empfehlen, sich ein 4D-Ultraschallbild des Ungeborenen anzuschauen und sich psychologisch beraten zu lassen.
Dass es ausgerechnet in Kastilien und León zu einer solchen Verschärfung kam, überrascht nicht. Regiert wird die Region im Nordwestens Spaniens von einer Koalition des konservativen Partido Popular (PP) und der rechtspopulistischen Vox. Vor allem Vox gilt als besonders abtreibungskritisch. Santiago Abascal, seit 2014 der Vorsitzende der Partei, sagte einst, er halte es für «inakzeptabel, ein Kind im Mutterleib zu töten».
So war es auch die Vox, die beim neuen Vorstoss federführend war. Eingereicht wurde der Vorschlag von Juan Garcia-Gallardo, Vizepräsident der Regionalregierung sowie Regionalchef der Vox. Er habe sich dabei von der Politik des ungarischen Machthabers Viktor Orban inspirieren lassen, erklärte er. «Es gefällt mir, wie die ungarische Regierung dieses Thema angeht», so Garcia-Gallardo. Und weiter: «Wir wollen, dass die Frauen solch eine Entscheidung viel bewusster treffen.»
Regionalpräsident Alfonso Fernandez Mañueco vom PP unterstützte das Anliegen. Sein Hauptargument: Man hoffe dadurch auf mehr Geburten und damit auf ein Aufhalten des Bevölkerungsschwundes.
Mit diesem Vorstoss stiess die Regierung von Kastilien und León allerdings auf resolute Gegenwehr. Die nationale Regierung sah sich gezwungen, einzugreifen. Diese Ankündigung verstosse gegen das Abtreibungsgesetz und überschreite damit die Kompetenzen einer Regionalregierung, rüffelte Regierungssprecherin Isabel Rodriguez Garcia-Gallardo und Mañueco.
Regierungschef Pedro Sanchez, der zurzeit am WEF in Davos weilt, sprach von einer «eindeutigen Verletzung eines Gesetzes zur Wahrung der Rechte von Frauen». Gleichzeitig unternahm die Regierung erste Schritte, um die Pläne aus Kastilien und León vors Verfassungsgericht zu bringen.
Durch die entschlossene Reaktion der Bevölkerung und der Regierung sah sich zumindest ein Teil der Regionalregierung zu einem Rückzieher gezwungen. Mañueco, der Vertreter des stärkeren PP, betonte daraufhin, von einem Zwang sei nie die Rede gewesen. So ging er gleich zum Gegenangriff über: Der rechtskonservative Politiker warf dem linken Regierungschef vor, «Propaganda» zu betreiben, und forderte ihn dazu auf, «die Bemühungen zu diesem fiktiven Thema einzustellen».
La actitud del Gobierno de la Nación es propaganda sobreactuada. Defenderé siempre a #CastillayLeón frente a los ataques de Sánchez. pic.twitter.com/s4LKwi8VD0
— Alfonso F. Mañueco (@alferma1) January 17, 2023
Nichts davon wissen will hingegen die Vox. Generalsekretär Ignacio Garriga betonte in einem Interview mit RTVE stattdessen erneut, dass man diese Verschärfung vornehmen wolle. «Wir werden bei dem, was vereinbart wurde, keinen Schritt zurücktreten», stellte der Rechtspopulist klar. Und setzte den Pardido Popular und Mañueco unter Druck: Man gebe dem Regionalpräsidenten nun «ein paar Tage» Zeit, um den ursprünglichen Plan durchzusetzen, ansonsten wolle man den Koalitionsvertrag «neu überdenken».
Mit diesen Aussagen gerät nun vor allem der PP unter Druck. Eine schlechte Falle in Kastilien-Leon würde zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommen – in diesem Jahr stehen in Spanien Parlamentswahlen an. Dabei werden den Konservativen derzeit gute Chancen eingeräumt, die regierenden Sozialdemokraten zu überholen. Gelingt dies, dürfte die Abtreibungsdebatte auch auf nationaler Ebene neu geführt werden: PP-Oppositionsführer Alberto Nuñez Feijo sprach sich zuletzt regelmässig für den «Schutz des ungeborenen Kindes» und eine gewisse Einschränkung der Abtreibungsrechte aus.
Man will also auf dem Rücken von Frauen, die vielleicht versehentlich oder trotz Verhütungsmitteln schwanger wurden, den Bevölkerungsschwund aufhalten. Ich glaube eher, es wird mehr illegale Abtreibungen und ausgesetzte Kinder geben. Hat man dafür auch eine Lösung?
Das zeigt deutlich: Er denkt nur daran, seine eigenen Ziele zu erreichen. Die individuellen Schicksale sind ihm egal.