Die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg bestätigte am Donnerstag den Entscheid, den die Kleine Kammer im Jahr 2023 zu Ungunsten der Schweiz getroffen hatte.
Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass die zweifache 800-Meter-Olympiasiegerin, die wegen ihres hohen Testosteronspiegels von Wettkämpfen ausgeschlossen wurde, kein faires Gerichtsverfahren erhalten habe. Das Urteil fiel mit 15 zu 2 Stimmen.
Die Richter beschrieben die sogenannte Testosteronregel als «diskriminierend», betonten aber gleichzeitig, dass diese ein «angemessenes Mittel» sei, «um die Integrität des Frauensports zu schützen». Die Grosse Kammer stellte bei der Urteilsverkündung fest, dass in dieser Frage kein territorialer Bezug zwischen der Schweiz und Semenya bestand, weil sich der Streit um eine internationale Regelung des Leichtathletik-Weltverbandes drehte.
Das Gericht erklärte jedoch die Beschwerden von Semenya für unzulässig – sie hatte Verstösse gegen ihr Recht auf Privatsphäre und auf einen wirksamen Rechtsbehelf angeprangert und sieht sich als Opfer von Diskriminierung.
Semenya erzielte aber einen Teilerfolg vor Gericht. Die dreimalige Weltmeisterin begrüsste das «positive Ergebnis» des Gerichtshofs. «Es ist eine Erinnerung an die Politiker, dass die Prioritäten beim Schutz der Athleten liegen sollten», betonte Semenya.
In der ersten Instanz hatte der EGMR der Sportlerin zugestanden, Opfer von Diskriminierung geworden zu sein, weil der Leichtathletik-Dachverband World Athletics von der Sportlerin wegen ihres hohen Testosteronspiegels eine Hormonbehandlung verlangt hatte. Dazu hatte die heute 34-Jährige, die ihre Karriere inzwischen beendet hat, erfolglos vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) sowie dem Bundesgericht in Lausanne VD geklagt.
Der Internationale Sportgerichtshof hatte 2019 eine neue Testosteron-Obergrenze für Athletinnen festgelegt, die im Fall von Semenya eine Hormonbehandlung erfordert hätte, um bei bestimmten Rennen antreten zu können. Da sich Semenya weigert, ihren Testosteronspiegel durch Medikamente zu senken, ist sie seit 2018 von mehreren Rennen ausgeschlossen.
Das Bundesgericht in Lausanne hatte ihre Beschwerde 2020 abgewiesen. Das Urteil aus Strassburg richtete sich gegen die Schweiz, weil das Bundesgericht als letzte nationale Instanz über den Fall entschieden hatte. Semenya hatte den Entscheid vom CAS, der seinen Sitz ebenfalls in Lausanne hat, an das höchste Schweizer Gericht weitergezogen.
Das Bundesamt für Justiz (BJ) hielt in seiner Reaktion fest, dass das Bundesgericht das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs detaillierter hätte prüfen müssen. Das BJ werde die Urteilsbegründung nun im Detail analysieren. Der Entscheid des EGMR sei definitiv und könne nicht weitergezogen werden.
Der Gerichtshof habe indes das Urteil der ersten Instanz aus dem Jahr 2023 nicht bestätigt. «Er hat heute festgehalten, dass die Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und wegen Diskriminierung nicht zulässig sei. Damit ist der Gerichtshof der Argumentation der Schweiz weitgehend gefolgt», so das BJ weiter.
Semenya hatte 2012 und 2016 Olympia-Gold über 800 Meter gewonnen, darf aber seit 2019 wegen der sogenannten Testosteronregel nicht mehr bei internationalen Rennen über ihre Paradestrecke antreten.
Die Südafrikanerin ist eine intergeschlechtliche Athletin. Sie wurde bei der Geburt als weiblich eingetragen, hat aber einen natürlich hohen Testosteronspiegel. Sie hat immer wieder betont, dass sie eine Frau sei. Die Athletin hat nach Angaben in ihrer Autobiografie keine Gebärmutter und keinen Eileiter. Nach den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin hatte sie sich einem Geschlechtertest unterziehen müssen. (abu/sda/afp/dpa)
Klar ist für mich jedoch auch, dass inhaltlich, sprich im sportlichen Sinne keine Diskriminierung vorliegt und die Grenzwerte bzw der Ausschluss von Intersexuellen von Frauenwettkämpfen für einen fairen Wettkampf zwingend erforderlich sind.