Nach dem rassistisch motivierten Attentat auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch sind am Mittwoch die ersten der insgesamt 50 Opfer beigesetzt worden. Als erste wurden ein syrischer Flüchtling und sein Sohn zu Grabe getragen.
Hunderte Trauernde hatten sich auf dem Friedhof unweit der Linwood-Moschee, dem zweiten Anschlagsort, eingefunden. Nach Gebeten wurden ein Mann und sein 15-jähriger Sohn bestattet. Ihr Namen wurden über Lautsprecher bekannt gegeben. Die Familie der beiden war erst im vergangenen Jahr aus Syrien nach Neuseeland gekommen. Der 44-Jährige war bei dem Angriff auf die erste Moschee erschossen worden. Er hinterlässt eine Frau und Tochter sowie einen weiteren Sohn, der ebenfalls angeschossen wurde, aber überlebte.
Ein Trauergast, der eigens aus Sydney angereist war, sagte AFP, dass der 13-jährige, verwundete Sohn am Grab gesagt habe: «Ich sollte nicht vor euch stehen. Ich sollte neben euch liegen.»
Die Behörden hatten in den vergangenen Tagen Grabstätten für muslimische Beerdigungen vorbereitet. Die Leichen einiger Opfer sollten auch in deren Heimatländer gebracht werden.
Bislang übergaben die neuseeländischen Behörden erst die sterblichen Überreste von sechs Opfern des Attentats an ihre Angehörigen. Bis Dienstag seien alle 50 Autopsien abgeschlossen worden, allerdings hätten nur zwölf Opfer «zur Zufriedenheit des Gerichtsmediziners identifiziert» werden können, teilte die Polizei am Dienstag mit.
Die Verzögerung bei der Überführung der Leichname an die Familien sorgte für Unmut: Viele Hinterbliebene hätten die Toten gerne binnen 24 Stunden beigesetzt, wie es muslimischer Brauch ist. Ein 23-Jähriger, dessen Vater in der Al-Noor-Moschee getötet wurde, äusserte seinen Ärger über die Behörden, die den trauernden Familien keinen Hinweis darauf gegeben hätten, wann sie die Leichen freigeben würden. «Sie sagen uns nichts», sagte der afghanische Flüchtling vor dem Familienhilfezentrum in Christchurch.
Die neuseeländische Polizei teilte mit, dass ihr der Frust der betroffenen Familien «durchaus bewusst» sei. Die Polizei versuche, die Kommunikation mit den Hinterbliebenen zu verbessern und dafür zu sorgen, dass sie umfassend informiert würden. «Wir tun alles, was wir können, um diese Arbeiten so schnell wie möglich abzuschliessen und die Opfer an ihre Angehörigen zurückzugeben», teilte die Polizei mit. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind alle 50 Toten Muslime.
Mit zwei Schweigeminuten will Neuseeland am Freitag der Todesopfer des Anschlags gedenken. Eine Woche nach dem Massaker eines mutmasslich rechtsextremistischen Täters in zwei Moscheen soll das ganze Land stillstehen. Dies kündigte Premierministerin Jacinda Ardern am Mittwoch bei einem weiteren Besuch in der Stadt an.
Zum Gedenken an die Opfer von #Christchurch rezitiert ein Imam im Parlament von Neuseeland aus dem Koran. Man kann viel lernen von #Neuseeland. pic.twitter.com/RDpUbb3qWF
— Eren Güvercin (@erenguevercin) 19. März 2019
Ardern kündigte auch an, dass es zu einem späteren Zeitpunkt in Christchurch eine nationale Trauerfeier geben soll. Am Mittwoch wurden noch 29 Verletzte in verschiedenen Spitälern behandelt. Unter den acht Menschen, die noch in «kritischem Zustand» sind, ist auch ein vierjähriges Mädchen.
Australien Regierungschef Scott Morrison bestellte unterdessen aus Verärgerung über Äusserungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu den Angriffen den türkischen Botschafter ein. Erdogan hatte im türkischen Wahlkampf die Anschläge als Angriffe auf den Islam und auch auf die Türkei verurteilt. Zugleich drohte er Australiern mit antimuslimischer Gesinnung, sie würden «in Särgen zurückgeschickt», wie ihre Grossväter aus den Reihen der Truppen der Ententemächte aus Grossbritannien und Empire-Ländern wie Australien, Neuseeland sowie Frankreich im Ersten Weltkrieg bei der Schlacht von Gallipoli gegen eine vor allem osmanische Streitmacht.
Die Äusserungen Erdogans bezeichnete Scott Morrison als «sehr beleidigend für Australier» und «rücksichtslos in dieser sehr sensiblen Situation». Die angebotenen Entschuldigung lehnte Morrison ab und forderte eine Klarstellung und Rücknahme der Äusserungen.
Bei der Schlacht von Gallipoli zwischen Februar 1915 und Januar 1916 starben mehr als 8000 Australier und mehr als 2000 Neuseeländer. Insgesamt kamen auf beiden Seiten mehr als 100'000 Soldaten ums Leben. Die osmanischen Truppen unterstützt von Deutschland und Österreich-Ungarn siegten.
Bei dem rassistisch motivierten Massaker am vergangenen Freitag sind nach bisherigem Stand 50 Menschen getötet worden. Weitere 30 Menschen wurden verletzt. Der mutmassliche Täter – ein 28 Jahre alter Rechtsextremist aus Australien – sitzt in Untersuchungshaft. (sda/dpa/afp/ap)