Imamoglu muss in Untersuchungshaft – Proteste in Istanbul dauern an
Imamoglu war am Mittwoch gemeinsam mit Dutzenden weiteren Menschen festgenommen worden, wenige Tage vor seiner geplanten Nominierung als Präsidentschaftskandidat der grössten Oppositionspartei CHP. Imamoglu werden Terror- und Korruptionsvorwürfe in zwei Verfahren gemacht.
Die Anordnung der Untersuchungshaft erfolgte zunächst in Verbindung mit den Korruptionsermittlungen. In beiden Verfahren wird gegen 106 Personen ermittelt. Auch gegen Imamoglus Berater und viele andere wurde Untersuchungshaft angeordnet. Imamoglu weist alle Vorwürfe zurück.
Oppositionelle wie auch Beobachter werfen der Regierung vor, mit ihrem Vorgehen gegen Imamoglu einen politischen Konkurrenten ausschalten zu wollen. Seine Festnahme hat trotz Demonstrationsverboten für grossen Protest im Land gesorgt, der bereits mehrere Tage andauert. Die CHP sprach von 300'000 Teilnehmern allein in Istanbul am Freitag. Überprüfen liess sich die Zahl nicht.
Damaliger Wahlsieg Imamoglus gilt als herbe Niederlage für AKP
Imamoglus Sieg 2019 in Istanbul gilt als eine herbe Niederlage der AKP-Partei Erdogans, die die Grossstadt bis dahin regierte. Imamoglu gewann in Istanbul 2024 ein weiteres Mal. Istanbul ist die bevölkerungsreichste Metropole des Landes und sowohl politisch als wirtschaftlich von zentraler Bedeutung. Politisch wird die Kontrolle über Istanbul oft als Symbol für den allgemeinen politischen Einfluss im Land gesehen.
In Istanbul hatte einst auch Erdogans Aufstieg seinen Anfang genommen, als er 1994 dort zum Bürgermeister gewählt wurde.
Hintergrund der Terrorermittlungen gegen Imamoglu ist laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu eine Kooperation zwischen der CHP und der prokurdischen Dem-Partei bei den Kommunalwahlen. Über diese Kooperation habe die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK versucht, ihren Einfluss auszuweiten, zitierte Anadolu am Mittwoch die Generalstaatsanwaltschaft.
Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel hatte die Festnahme seines Parteifreundes einen «zivilen Putsch» genannt. Die Partei Erdogans wehrt sich gegen den Vorwurf und nannte ihn den «Gipfel politischer Unvernunft».
Lange Schlangen am Sonntag bei Wahl Imamoglus zu Präsidentschaftskandidaten
Nach der Verhängung der Untersuchungshaft gegen den Istanbuler Bürgermeister Imamoglu nehmen etliche Menschen an seiner Wahl zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei teil. Der Sender Halk TV zeigte am Sonntagmorgen Bilder von Schlangen vor Wahllokalen in Städten wie Istanbul, Ankara, Izmir, Kahramanmaras und Adiyaman.
Zur Stimmabgabe aufgerufen sind die 1,7 Millionen CHP-Parteimitglieder. Auch jeder andere Bürger kann an symbolischen Stimmzettelboxen in Solidarität mit Imamoglu seine Stimme abgeben. Imamoglu ist der einzige Kandidat. Beobachter stufen ihn als aussichtsreichen Herausforderer Erdogans ein, die Ermittlungen können seine offizielle Kandidatur aber verhindern. Die nächste reguläre Präsidentenwahl soll 2028 stattfinden.
(sda/dpa/con/oli)
