Am Mittwochabend bespricht Moderator und Namensgeber der Sendung Markus Lanz mit seinen Gästen zunächst Deutschlands Themen der Stunde: Das viel diskutierte neue Heizungsgesetz sowie die Turbulenzen in der deutschen Regierungskoalition würden alleine mehr als genug Gesprächsstoff für eine ganze Sendung liefern. Zu den Gästen gehören der Politiker Lars Klingbeil, eine Wirtschaftsexpertin sowie ein Journalist.
Aber weil, so Lanz, SPD-Chef Lars Klingbeil Sohn eines Berufssoldaten ist, passt zu der Runde auch der vierte Gast: Jonas Kratzenberg. Der ehemalige Bundeswehrsoldat schloss sich kurz nach Kriegsbeginn freiwillig der ukrainischen Armee an. Kratzenberg hat dabei selbst gegen russische Soldaten gekämpft, bis er durch einen Drohnenangriff schwer verletzt wurde. Im Anschluss schrieb er ein Buch über diese Zeit: «Schützenhilfe».
Seine Aussagen liessen wohl keinen der Gäste und der Zuschauenden kalt.
Das berichtet Jonas Kratzenberg über ...
Markus Lanz spricht zunächst die Bereitschaft zur Gewalt in Russland an, die in der Gesellschaft tief verankert sei. Die eine Spur führe dabei in die Familien: «Alle 40 bis 60 Minuten wird in Russland eine Frau zu Tode geprügelt», so Lanz. Die andere Spur führe in die russischen Gefängnisse: Jeder dritte russische Mann sei im Gefängnis oder bereits einmal dort gewesen.
Lanz fragt Kratzenberg, wie er das selbst erlebt habe. «Das passt gut zu dem, was ich selbst mitbekommen habe», so der Ex-Soldat, der auch in Afghanistan gekämpft hat. Dort hätte man Unterstützung aus Armenien und Georgien gehabt, Länder, «die ebenfalls aus der sowjetischen Militärtradition kommen». In Afhanistan sei es bei einem «Kontingentswechsel» üblich gewesen, «dass die neuen, frischen Soldaten von den alten Veteranen vergewaltigt wurden».
Er habe sein Umfeld über sein Vorhaben, in die Ukraine zu gehen, erst informiert, als er mit gepackten Koffern bei der Türe stand. «Sonst hätte ich keine ruhige Minute gehabt», so Kratzenberg.
Die Entscheidung, tatsächlich kämpfen zu wollen, habe zwei Komponenten gehabt: Einerseits, so schwer vorstellbar das sein möge, dass er das Gelernte als Soldat auch anwenden wollte. Andererseits habe ihn das Leid der Ukraine und die Unrechtmässigkeit des Angriffskrieges getroffen. «Mich hat aber auch die mangelnde Unterstützung des Westens und vor allem von Deutschland damals sehr betroffen», sagt Kratzenberg.
Dann habe er sich beim ukrainischen Konsulat gemeldet. Dieses hätte ihm eine Handynummer und eine Tankstelle gegeben, dort solle er anrufen und hingehen. «Meine Papiere interessierten sie nicht, ich hätte jeder sein können.»
«Alle Gedanken, die man über den Krieg oder über sonst was hat, sind ab dem Moment verschwunden, als die erste Kugel fliegt», beschreibt der Ex-Soldat seine Erfahrungen. «Dann ist man einfach nur noch da und funktioniert.»
Beim Drohnenangriff auf ihn, die «eine Handbreit» neben ihm explodierte, habe er zunächst nichts gespürt. Erst im Spital habe er erfahren, dass er eine Gehirnblutung erlitten hatte, die die meisten wohl nicht überlebt hätten.
Das Schlimmste für ihn am Krieg sei der Anblick toter Zivilisten gewesen. «Das ist noch einmal viel schlimmer, als tote Soldaten auf dem Schlachtfeld zu sehen», so Kratzenberg. Letzteres sei eine Notwendigkeit, wenn man im Krieg ist. Gewalt an Zivilisten, wie er sie auch in Butscha gesehen habe, sei etwas ganz anderes.
Ob er selbst auch Menschen habe töten müssen, will Lanz von Kratzenberg wissen. Seine Antwort: «Darüber rede ich nicht.» Das sei so persönlich, dass er über dieses Thema nur mit seinen Kameraden rede, die auch dabei waren.
In seiner freiwilligen Einheit habe es keine Ukrainer gegeben. Die Soldaten seien überallher gekommen: Viele aus Israel, aus Georgien und Weissrussland, auch Deutsche, Polen, Briten und Amerikaner hätten mitgekämpft. «Aber auch Leute aus Südamerika, Japan und Südkorea», erzählt Kratzenberg.
Lanz will von ihm wissen, wie viel er dabei verdient hatte. Auf Papier erhalte man gleich viel wie die ukrainischen Soldaten, antwortet Kratzenberg. «In meinen zehn bis elf Monaten in der Ukraine habe ich etwa 12'000 Euro erhalten. Da wäre ich in Deutschland deutlich besser durchgekommen.»
Es habe ihn schockiert, wie inkompetent und wie zerstörerisch die Russen vorgegangen sind. «Es werden völlig unvernünftige Angriffe gestartet, die dann durch Artillerie geradegerückt werden – koste es, was es wolle.»
In Irpin seien Kratzenberg und seine Kompanie tagelang durch Artillerie beschossen worden, ohne je einen Russen gesehen zu haben. Auch in dieser Stadt sei man über unzählige Leichen von Männern, Frauen, Katzen und Hunden gelaufen. «Die erste Leiche, die ich dort gesehen habe, war eine alte Frau, die gerade vom Wasserholen kam. Sie lag dort neben ihrem Rollator und die Wasserflaschen zerstreut auf der Strasse», berichtet der Ex-Soldat. «Das war einfach blinde Artillerie.»
Was er auch auf ukrainischer Seite erlebt habe, sei ein Grund gewesen, weshalb er ein Buch über seinen Einsatz geschrieben habe. «Ich habe Dinge erlebt, die in Deutschland weniger präsent sind», so Kratzenberg. Es habe Missbrauch von Schutzzeichen mit dem Roten Kreuz gegeben und Kriegsgefangene seien erschossen worden. Ukrainische Soldaten seien dabei mit russischen Kriegsgefangenen in einen Wald gegangen, «dann kamen nur noch die drei Ukrainer zurück», so der Ex-Soldat.
Kratzenberg war im Sommer 2022 in Bachmut. Damals sei die Stadt noch bewohnt und mehrheitlich unversehrt gewesen. «Bachmut hat seine Wichtigkeit erlangt, als die Gegenoffensive der Ukraine noch nicht anfing», so der Ex-Soldat. Damals wäre Bachmut – so das Ziel der Ukraine – das Tor in den Donbass gewesen. Durch die Gegenoffensive hätte die Stadt ihre strategische Bedeutung aber verloren. «Bachmut war dann ein positives Beispiel für die russische Eroberung, auch für das russische Publikum», sagt Kratzenberg. Die Stadt sei also zum politischen Ziel geworden.
Hier kannst du übrigens die ganze Sendung in der ZDF-Mediathek schauen.
wtf echt????
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Es wird bei beiden Seiten Kriegsverbrechen geben, dass wird es immer geben. Aus Frustration werden persönliche Entscheidungen entstehen. Jedoch relativiert den Überfall nicht und 1 zu 1 sind die Verhältnisse auch nicht. Russland macht deutlich mehr, auch wenn es keine Entschuldigung ist.
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Die Ukraine benutzt das Zeichen des Roten Kreuzes, die Russen erschießen gezielt Reporter, Deponien von Hilfsorganisationen.
Dennoch bin ich gegen einen sofortigen Frieden.