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«Genug gebrüllt» – Streit zwischen Putins Kriegsherren eskaliert

«Genug gebrüllt» – Streit zwischen Putins Kriegsherren eskaliert

Sie buhlen beide um ihren Einfluss bei Wladimir Putin. Dafür schicken Jewgenij Prigoschin und Ramzan Kadyrow ihre Männer in den Tod. Nun eskaliert der Streit.
02.06.2023, 14:4902.06.2023, 14:56
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Feuer unter dem Dach: Jewgenij Prigoschin und Ramzan Kadyrow
Feuer unter dem Dach: Jewgenij Prigoschin und Ramzan KadyrowBild: keystone/watson
Ein Artikel von
t-online

Ihren Status als Vasallen des Kremlherrschers Wladimir Putin scheinen Jewgenij Prigoschin und Ramzan Kadyrow weidlich auszukosten. Beide Kriegsherren taten sich zuletzt damit hervor, ihre Truppen ganz im Sinne des Autokraten in Moskau an der Front in der Ukraine einzusetzen.

So berichtete Prigoschin unlängst davon, dass mindestens 20'000 seiner Wagner-Söldner allein in der Schlacht um die Stadt Bachmut gefallen seien (die tatsächliche Zahl liegt laut Experten vermutlich höher). Doch die Wagner-Söldner sind erschöpft. Vor einigen Tagen sollen die islamischen Kämpfer des Tschetschenen-Diktators Kadyrow die Wagner-Stellungen übernommen haben.

Wie Kadyrow in seinem Telegram-Kanal nun mitteilte, seien er und seine Truppen vom Kreml mit dem Auftrag ausgestattet worden, die Frontlinie in der Region Donezk nicht nur zu halten, sondern auch Offensivaktionen auszuführen. Bachmut liegt in der Oblast Donezk und es soll nach dem Willen Kadyrows nicht die letzte Stadt bleiben, die Russland in der Region zurückerobert.

Kadyrow und Prigoschin beäugen sich schon argwöhnisch, seit Putin seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Nachbarland begonnen hat. Der Oligarch mit seiner Wagner-Privatarmee als auch der Diktator aus Grosny mit seinen eigens für den Ukraine-Krieg ausgehobenen «Achmat»-Bataillonen (benannt nach Kadyrows Vater) versuchen, sich darin zu übertrumpfen, Wladimir Putin ihre Dienste anzubieten.

Die Wortgefechte zwischen den beiden Kriegsherren nehmen aktuell wieder zu. So bezweifelte Prigoschin in einem auf seinem Telegram-Kanal ausgestrahlten Video die Fähigkeiten von Kadyrows Männern, wie das unabhängige russische Medienportal «Meduza» berichtet. Demnach sagte Prigoschin, er glaube nicht daran, dass die «Achmat»-Bataillone in der Lage seien, die gesamte von den russischen Besatzern so genannte Volksrepublik Donezk zu befreien. Allerhöchstens einige Ortschaften.

Diese Spitze rief sogleich Adam Sultanowitsch Delimchanow, einen Vertrauten Kadyrows, auf den Plan. «Schau mal, Jewgenij, du scheinst da etwas nicht zu verstehen», beschied Delimchanow den Wagner-Boss. Natürlich würden die tschetschenischen Spezialeinheiten alle Ziele erfüllen, die vom Oberkommandierenden Wladimir Putin gesetzt werden. «Aber du brauchst das auch gar nicht zu verstehen. Du kannst gerne jederzeit mit mir in Kontakt treten und dann machen wir eine Zeit und einen Ort aus und ich erkläre es dir.»

Der Tschetschene Delimchanow ist seit 2007 Abgeordneter des russischen Parlaments. Er ist vor allem aber auch ein Vertrauter des tschetschenischen Machthabers, der nach dem tödlichen Attentat auf seinen Vater ebenfalls im Jahr 2007 an die Macht in der ehemaligen sowjetischen Teilrepublik kam. Seitdem wird Kadyrow von Putin geschützt.

Der 53-jährige Multimillionär Delimchanow gilt als Hardliner. Er stützt den repressiven Kurs des tschetschenischen Machthabers, die Verfolgung, mutmassliche Folter und Ermordung von Oppositionellen in dem Land. Kürzlich drohte er der Familie eines tschetschenischen Menschenrechtsaktivisten damit, ihnen allen «die Köpfe abzureissen».

epa10215718 Chechnya's regional President Ramzan Kadyrov (R), Russian State Duma member Adam Delimkhanov (C) and Chechen Parliament Chairman Magomed Daudov (L) arrive for a ceremony to sign treat ...
Delimchanow (Mitte)Bild: EPA SPUTNIK POOL

«Alle Beteiligten kennen meine private Telefonnummer»

Prigoschin kritisierte er für dessen andauernde Klagen über einen Munitionsmangel der Wagner-Truppen an der Front in Bachmut. Die «Achmat»-Brigaden hätten sich nie über irgendwas beschwert.

Hinter den Scharmützeln steckt ein handfester Machtkampf im Dunstkreis des russischen Verteidigungsministeriums. Denn Putins eigentliche Generäle gelten durch die verlustreichen Kämpfe im Ukraine-Krieg als angeschlagen. Sowohl Prigoschin als auch Kadyrow wollen diese Lücke mit ihren Truppen füllen und sich selbst im komplizierten Machtgeflecht der russischen Nomenklatura in Position bringen. Militärische Erfolge auf dem Schlachtfeld gelten da als nützlich.

Video: watson/lucas zollinger

«Genug geschwatzt, genug rumgebrüllt und geschrien», sagte Delimchanow in Richtung des milliardenschweren Oligarchen. «Sag' mir einen Ort, wo wir uns treffen und dann regeln wir das, von Angesicht zu Angesicht, wie Ramzan Kadyrow sagen würde.» Magomed Daudow, Vorsitzender des tschetschenischen Parlaments, ging sogar noch weiter: «Für solch eine Aussage hätte man dich im Zweiten Weltkrieg erschossen», rief er Prigoschin auf Telegram zu.

Prigoschin entgegnete auf den Fehdehandschuh der Tschetschenen nüchtern. «Wenn sie meinen Aufenthaltsort wissen wollen, kennen alle, die in dieser Diskussion mitmischen, meine private Telefonnummer und können sich gern bei mir melden.»

Einer der Wagner-Kommandeure, Dimitri Utkin, reagierte hingegen weniger gelassen als sein Chef, wie «Meduza» berichtet. «Einige Mitbürger gehören an die Wand gestellt für die Schande, die sie uns bringen. PMC Wagner hat niemals und wird niemals in Panik verfallen.» Und in Richtung Delimchanow und Kadyrow fügte er hinzu, man könne den Streit gerne regeln. «Von Mann zu Mann.»

(t-online, cc)

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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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G. Samsa
02.06.2023 15:11registriert März 2017
Wäre doch ganz nett wenn sich die beiden Truppen, inklusive Führungspersonal, gegenseitig auslöschen würden.
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Der Micha
02.06.2023 15:07registriert Februar 2021
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In dem Fall die Ukraine. Diese interne Machtkämpfe können sie sicherlich ausnutzen.
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Magnum
02.06.2023 16:02registriert Februar 2015
Die beiden sind so sympathische Wonneproppen, ich kann mich für keinen der beiden entscheiden. Am liebsten sähe ich beide in Den Haag, als Kriegsverbrecher auf der Anklagebank. Gerne dürfen sie sich auch in die Nähe von Fenstern in oberen Stockwerken begeben.
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