International
Ukraine

Wagner-Chef Prigoschin rastet vor laufender Kamera aus

A Ukrainian army sniper looks on near Bakhmut, Donetsk region, Ukraine, Tuesday, May 2, 2023. (AP Photo/Libkos)
Die ostukrainische Stadt Bachmut ist seit Monaten hart umkämpft. Bild: keystone

Wagner-Chef Prigoschin rastet vor laufender Kamera aus – und kündigt dann den Rückzug an

Der Chef der russischen Söldner-Truppe beklagte schon länger einen Mangel an Munition für seine Kämpfer. In einem neuen Video attackiert er die russische Führung frontal – und kündigte dann einen Rückzug an.
05.05.2023, 10:3505.05.2023, 14:07
Mehr «International»

Beim Chef der russischen Söldner-Truppe Wagner liegen die Nerven blank: Jewgeni Prigoschin zeigt in einem düsteren neuen Video aneinandergereihte Leichen und beschimpft vor laufender Kamera die russische Armeeführung.

Video: watson/lucas zollinger

Bei den blutigen, dicht an dicht liegenden Körpern soll es sich um russische Soldaten handeln, die bei Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut getötet wurden.

«Ihr seid Abschaum, der uns keine Munition liefert – ihr werdet in der Hölle schmoren!»
Jewgeni Prigoschin

Sicher ist: Nicht nur den ukrainischen Verteidigern, sondern auch den russischen Invasoren mangelt es an Munition. Das hat Prigoschin wiederholt verlauten lassen und die Führung im Kreml beschuldigt, ihn ungenügend zu unterstützen.

Im jüngsten Video, das nachts aufgenommen wurde, zeigt der Wagner-Chef mit einer Taschenlampe in der Hand auf blutüberströmte Leichen. Dann schreit er in die Kamera: «Das sind jemandes Väter und Söhne!»

Und an die eigene Armeeführung gerichtet, fügt er laut fluchend an: «Ihr seid Abschaum, der uns keine Munition liefert – ihr werdet in der Hölle schmoren!»

Dann greift Prigoschin den russischen Verteidigungsminister und den Generalstabschef der Streitkräfte vor laufender Kamera persönlich an: «Schoigu! Gerassimow! Wo ist meine Munition?! Ihr Mistkerle sitzt in teuren Clubs. Eure Kinder geniessen das Leben, machen YouTube-Videos.» Dann zeigt er auf die aneinandergereihten Leichen: «Ihr denkt, ihr hättet das Recht, über ihr Leben zu bestimmen.»

Sergei Schoigu und Waleri Gerassimow würden wohl denken, sie hätten die Kontrolle über das Leben der Wagner-Kämpfer, sie könnten einfach entscheiden, wie sie die Munition aufteilen. Seine Kämpfer bekämen fünfmal weniger Munition.

Warum gerade jetzt?

Für Beobachter im Westen ist klar: Die seit Monaten anhaltenden Kämpfe um Bachmut drohten, die regulären russischen Streitkräfte und die Söldnertruppen auseinanderzureissen. In einer festgefahrenen Offensive versuchten alle Akteure, die Schuld auf die andere Seite abzuwälzen.

Doch mit jedem Tag, der ohne militärischen Erfolgt verstreicht, steigt in der Heimat der Druck: Die Kritik von Staatspropagandisten und Militärbloggern wird lauter.

Dabei könnte der Zeitpunkt nicht ungünstiger sein: Am 9. Mai findet in Moskau die alljährliche Militärparade zum Sieg der sowjetischen Armee über Nazi-Deutschland statt.

Seit Wochen hält die ukrainische Militärführung das russische Militär mit Berichten über eine bevorstehende Offensive zur Rückeroberung der besetzten Gebiete in Spannung. Bisher gab es noch keine Anzeichen, die auf einen möglichen Beginn des Angriffs schliessen lassen. Oder doch?

Am Donnerstag liess jedenfalls Prigoschin über seinen Telegram-Kanal verlauten: «Ich glaube, dass die Offensive der ukrainischen Armee bereits begonnen hat.»

Was hat es mit dem Rückzug auf sich?

Am Freitag folgte die überraschende Mitteilung, dass sich die Wagner-Gruppe aus der Region Bachmut zurückziehe.

Prigoschin behauptet in einer Stellungnahme, Wagner werde Bachmut am 10. Mai verlassen und die Stellungen den Truppen der Russischen Föderation übergeben, damit sich die eigenen Kämpfer «ihre Wunden lecken» können.

«Denn in Ermangelung von Munition sind sie zu einem sinnlosen Tod verurteilt.»

Ein im Internet verbreitetes Dokument in russischer Sprache soll auch eine Erklärung mit einer Zeitleiste der Ereignisse seit Beginn des Krieges enthalten. Der Chef der Söldnertruppe mache vor allem das russische Verteidigungsministerium für die Probleme verantwortlich, die durch den Mangel an Nachschub und Unterstützung entstanden seien.

Ob Prigoschins jüngste Ankündigung stimmt, ist nicht klar. Der Wagner-Chef hat wiederholt falsche Angaben gemacht und die Öffentlichkeit belogen.

Quellen

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA

(dsc)

Teure Banane: Student isst 120'000 Dollar teures Kunstwerk

Video: instagram/noh_huyn_soo
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Ukraine veranstaltet «Militärparade» und trollt Putin
1 / 14
Ukraine veranstaltet «Militärparade» und trollt Putin
Als die Russen im Februar 2022 die Ukraine überfielen, planten sie, wenige Tage später im Zentrum Kiews eine Parade abzuhalten. Doch es kam anders ...
quelle: keystone / roman pilipey
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Arnold Schwarzeneggers starke Botschaft gegen Hass und Antisemitismus
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
82 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
BG1984
05.05.2023 10:51registriert August 2021
...zeigt der Wagner-Chef mit einer Taschenlampe in der Hand auf blutüberströmte Leichen. Dann schreit er in die Kamera: «Das sind jemandes Väter und Söhne!»

Und die Ukrainischen Soldaten sind etwa keine Väter und Söhne?

Gut, dass sich Wagner zurückzieht und ich bin mir fast sicher, dass die Ukraine für den 9. Mai ein Feuerwerk vorbereitet hat.
2318
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alois Karlheinz Wurstlhuber
05.05.2023 11:14registriert März 2022
Putin wäre es schlussendlich wohl am liebsten wenn Prigoschin auch draufgeht. Nicht dass dieser nach Moskau zurückkehrt und Putin den Zarenthron streitig macht.
Zu wenig Munition liefern kann auch durchaus gewollt sein, da für die Kremlführung alles nur Schachfiguren in einem miesen Spiel sind.
1515
Melden
Zum Kommentar
avatar
webedr45
05.05.2023 11:16registriert Januar 2020
Wenn Russland der Wagner Mörder-Leasing AG zu wenig Material liefern kann, muss die sich eben eben wieder vom Acker machen. In der Ukraine hat diese Horde sowieseo nichts verloren.

Was Prigoschin auch erklären sollte:
Ist der Tod eines gut munitonierten Söldners sinnvoller als ein Rückzug der Angestellten, die mangels Material nicht auftragsgemäss richtig morden und plündern können?
1285
Melden
Zum Kommentar
82
Dieser Junge hat die Möwenschrei-Europameisterschaft gewonnen

Wie ein Held aus den Marvel-Filmen mutiert der 9-jährige Cooper Wallace am europäischen Möwenimitations-Wettbewerb selbst zu einem der Vögel. Der Junge aus Derbyshire zeigte sein Können bei der Europameisterschaft im Möwenschreien im belgischen De Panne in voller Montur. Prompt gewann er vergangenen Sonntag die Meisterschaft.

Zur Story