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Ukraine

Dämmerung im Donbass – Zu Besuch an Europas eisiger Front

Dämmerung im Donbass – oder Saschas 11. Gebot: Zu Besuch an Europas eisiger Front

Seit Jahren kämpft die Ukraine im Osten des Landes gegen die Separatisten. Jetzt lässt auch noch Putin seine Truppen aufmarschieren. Das Gefecht könnte rasch eskalieren und den Frauen und Männern an der Donbass-Front auch noch den letzten Schlaf rauben. Frieren tun hier alle, sterben viel zu viele – nur fürchten vor den Russen, das tut sich keiner.
12.02.2022, 18:1012.02.2022, 18:18
Samuel Schumacher, Donbass / ch media
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Europa droht ein neuer Krieg. Russland zieht seine Truppen an der ukrainischen Grenze zusammen, in Kiew geht das Leben unbekümmert weiter. Doch der Donbass, sieben Zug- und zwei Autostunden östlich der Hauptstadt, könnte bald zum Schlachtfeld werden. Eine ­Reportage von der Front.

Anatoly, der Schamane

Anatoly, der «Schamane»: Seit Jahren ist er an der Front. Weg von da, das will er nicht mehr - schon gar nicht jetzt, wo ein neuer Krieg droht im Donbass.
Anatoly, der «Schamane»: Seit Jahren ist er an der Front. Weg von da, das will er nicht mehr – schon gar nicht jetzt, wo ein neuer Krieg droht im Donbass.Bild: Samuel Schumacher

Die Sache mit dem Krieg, die regelt Anatoly in der Kammer hinter der Küche. Hier sind die Fenster mit Wolldecken abgedunkelt, zwei Computer surren vor sich hin, das Feldbett in der Ecke ist dreckig und feucht. Anatoly zeigt auf den Tisch mit den beiden Bildschirmen, über die Live-Bilder aus den Separatistengebieten flimmern. Schneebedeckte Weiler, Wald, eine Lichtung, keine Menschenseele. «Trotzdem, ist mehr los als noch vor ein paar Wochen», sagt Anatoly und zückt sein Handy.

«Hier.» Der kahle Kämpfer mit der warmen Stimme streckt mir sein Telefon entgegen. «Schau mal.» Das Video zeigt eine Strasse, auf der jemand etwas deponiert hat. Dann eine Explosion. «Das war ich», sagt Anatoly stolz. Die Separatisten drüben in ihrer Volksrepublik wollten Munition an die Front liefern. Anatoly hat das verhindert. Dafür ist er ja hier.

Anatoly hat sich mit seiner Truppe in einem leerstehenden Haus in Solote niedergelassen. An den Bibelpsalm an der Wand glaubt er nicht.
Anatoly hat sich mit seiner Truppe in einem leerstehenden Haus in Solote niedergelassen. An den Bibelpsalm an der Wand glaubt er nicht.Bild: Samuel Schumacher

Anatoly steht in einem Haus 40 Kilometer westlich der besetzten Stadt Luhansk. In dem leerstehenden Gebäude hat er sich seinen Kommandoposten eingerichtet. Einst haben die Menschen hier Kohle gefördert, um dem kalten Winter ein bisschen rauchige Wärme entgegenzuhalten. Heute steigt der Rauch nur noch aus wenigen Kaminen. Die meisten Häuser haben nicht mal mehr Fenster. Die Scheiben sind das Erste, was kaputtgeht, wenn die Bomben fallen.

Der Donbass liegt im äussersten Osten der Ukraine an der Grenze zu Russland.
Bild: CH Media

2014 wars, als Anatoly als Freiwilliger in den Donbass kam. Die pro-russischen Separatisten hatten gerade die Gebiete um Donezk und Luhansk eingenommen. Männer wie Anatoly waren gefragt, Herren fürs Grobe, ­Typen mit Taktik. Anatoly hatte das Kriegshandwerk früh erlernt. Ende der 1980er-Jahre war er - damals noch als Bürger der Sowjetunion - für den Geheimdienst KGB in Cottbus stationiert. Mitte der 1990er kämpfte er in Jugoslawien. «Für wen?» Er kneift die Augen zusammen und sagt:

«Nächste Frage!»

Als er dann offiziell in die ukrainische Armee eintrat, hat Anatoly einen Übernamen gekriegt: der Schamane. Sonst hat sich nicht viel verändert für ihn. Seine Schuhe hat er sich selbst gekauft. Seine Kalaschnikow hat Jahrgang 1989. Und wenn er gerufen wird, um irgendwo etwas zu «verhindern», dann fährt er mit seinem Peugeot dahin.

«Wir brauchen viel mehr Männer», sagt Anatoly. Er schlafe seit Wochen schon nur noch 4 statt 6 Stunden pro Tag, um zusätzliche Schichten übernehmen zu können. Und wenn die Separatisten jetzt wieder häufiger rüberfeuern – gerade heute Morgen hats wieder geknallt –, dann raube ihm das noch den letzten Schlaf.

Wenn mitten in der Nacht wieder irgendwo etwas «verhindert» werden muss, dann rufen sie ihn an, Anatoly, den erfahrenen Krieger.
Wenn mitten in der Nacht wieder irgendwo etwas «verhindert» werden muss, dann rufen sie ihn an, Anatoly, den erfahrenen Krieger.Bild: Samuel Schumacher

Erst mal hilft dagegen starker Kaffee. Anatoly schenkt nach und setzt sich auf den Holzschemel in der Küche. An der Wand hängt ein Bibel-Psalm («daran glaube ich nicht»), im Regal steht ein Buch von Tolstoi («keine Seite gelesen»), aus dem Fernseher spricht Joe Biden («interessiert mich nicht»). Wofür kämpft er denn? Anatoly zuckt mit den Schultern. «Ich halte es nicht mehr aus ohne das alles.» Nach sechs Monaten an der Front hätte er Anrecht auf sechs Monate Dienst im Hinterland.

«Nach einem Monat bin ich jeweils spätestens wieder zurück.»

Mehr als 14'000 Menschenleben hat der Krieg hier in der Gegend seit 2014 gefordert. Anatoly hat viele dieser Menschen gekannt. Nicht einfach, das alles. An der Wand im Nebenzimmer hat er Kinderzeichnungen aufgehängt. Die schicken Schüler aus dem ganzen Land manchmal an die Front, für die Moral der Soldaten. Findet Anatoly gut.

Solange Matsch im Garten liegt, werden die Russen kaum kommen, sagt Anatoly.
Solange Matsch im Garten liegt, werden die Russen kaum kommen, sagt Anatoly.Bild: Samuel Schumacher

Dann will er mir sein Arbeitsgerät zeigen. Es steht im Unterstand hinter dem Peugeot. Das Geschütz hat einen Lauf so lange wie eine Angelrute, daneben liegen Patronen so gross wie Schweppes-Fläschchen. Regen tropft vom Wellblechdach. Im Garten liegt Matsch. Perfektes Wetter für Anatoly und seine Männer. Putins Panzer bräuchten gefrorene Felder, um hier einzufallen. Wenn der Matsch bleibt, dann kommen die Russen kaum. Und dann kann der Schamane vielleicht endlich wieder etwas länger schlafen.

Sascha, der Frontprediger

Er bringt Gottes Wort - und manchmal auch «Mickey Maus Blut»: Sascha, der Frontprediger im Donbass.
Er bringt Gottes Wort – und manchmal auch «Mickey Maus Blut»: Sascha, der Frontprediger im Donbass.Bild: Samuel Schumacher

Dem Prediger platzt der Reifen. Kein Wunder bei den Strassen hier, die diesen Namen kaum verdienen. Nirgendwo in Europa ziehen sich die Pisten so löchrig durchs Hinterland wie hier im Donbass. Auch die Hauptstrasse von Solote, gesäumt von grauen Bäumen und kaputten Häusern, ist nicht viel besser. Solote: Gleich fünf Dörfer in der Gegend heissen so. Das hier ist Solote 4, das letzte ukrainische Solote. Das fünfte liegt drüben im Separatistengebiet. Die Sowjets waren nicht eben originell bei der Namensgebung.

Doch Sascha, den Feldprediger, kümmert das nicht. Überhaupt kümmert ihn wenig. Er ist die Ruhe selbst, selbst jetzt mit plattem Reifen. Sein roter Lieferwagen steht quer auf dem Dorfplatz vor dem kleinen Laden, in dem die geräucherten Fische gleich neben den Kaugummis auf dem Tresen liegen, in dem es mehr Vodka-Varianten zu kaufen gibt als Obstsorten. Sascha aber braucht nur «Mickey Maus Blut». Die Verkäuferin weiss, was er meint, und holt acht Flaschen Coca Cola aus der Vorratskammer. Man kennt Sascha hier. Sascha, den Zyniker. Sascha, der mit 41 Grossvater wurde und viel früher schon zu Gott gefunden hat. «Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt; zur Zeit des Unheils wird der Herr ihn retten», sagt Sascha jetzt. «Psalm 41, Vers 2.»

Platter Reifen? Sascha hat schon ganz andere Probleme gelöst.
Platter Reifen? Sascha hat schon ganz andere Probleme gelöst.Bild: Samuel Schumacher

Doch gerettet wird er heute nicht vom Herrn, sondern von einem klapprigen Armee-Transporter, der Sascha die letzten paar hundert Meter bis zu seinem Ziel bringt. Sein Ziel ist die Front und die Menschen, die an ihr Wache stehen. Sie brauchen ihn, den Feldprediger, den einzigen seiner Art hier im Donbass. Sie brauchen Gott – oder vielleicht auch nur das «Mickey Maus Blut», das Gottes Gesandter ihnen bei seinen Besuchen vorbeibringt. «Man muss sich vorsichtig zur Seele vorarbeiten», sagt Sascha. Und wenn der Weg dahin über Coca Cola führt, dann ist das auch ok.

Vorne an der Front, da blüht Sascha auf. Mit zwei Flaschen Cola unter dem Arm und dem grossen Kreuz um den Hals tritt der «Kapelan» - so der Titel, der auf seinem Faserpelzpulli prangt - in das Versteck der Soldaten, das hier im Dorf längst jeder kennt. Ein breites Lachen zerrt sich über Saschas kompromissloses Gesicht. Die grauen Augen funkeln, die Stimme bebt, der Prediger spricht von seiner imaginären Kanzel, steigt hinab in die Gräben und hört zu, klopft auf Schultern, schliesst in den Arm, wer in den Arm geschlossen werden will. Psychologen gibt's hier keine, Traumata überall. Da ist einer wie er, der die Hoffnung trotz allem nie verloren hat, stets willkommen.

Mit 41 wurde Sascha Grossvater, zu Gott gefunden hat er schon sehr viel früher. Dessen Wort bringt er oft hierhin zu den Soldaten nach Solote an die ukrainische Front.
Mit 41 wurde Sascha Grossvater, zu Gott gefunden hat er schon sehr viel früher. Dessen Wort bringt er oft hierhin zu den Soldaten nach Solote an die ukrainische Front.Bild: Samuel Schumacher

«Im Krieg», sagt Sascha, «glaubt keiner nicht an Gott, glaub mir. Wenn die ersten Schüsse fallen, dann betest auch du.» Dann erzählt er die Geschichte des Rekruten, der sich an der Front in einem Tümpel von ihm taufen liess. Name? ­Vergessen. Egal.

Auch der Krieg kennt keine Namen, selten Sieger, hier im Donbass bislang nur Opfer. 2014, als Saschas Heimatstadt Slowjansk zum Epizentrum des Donbass-Krieges wurde, da hat er mit seinem Auto hunderte Fluchtwillige evakuiert: Jene, die nach Westen wollten, nach Westen. Jene, die nach Osten wollten, nach Osten.

Sascha selbst ist geblieben – mit seiner Frau, den vier Kindern und seinem Glauben. Im Sommer haben sie ihn dann verhaftet, die berüchtigten Truppen der Sondereinheit «Berkut», deren Scharfschützen auch für die Mehrheit der zivilen Opfer auf dem Kiewer Maidan verantwortlich waren. «Berkut», der Name lässt ihn noch heute erschaudern. Zwei Tage sass er in einer Zelle. Angst hatte er nicht, warum auch? Fatalismus ist sein 11. Gebot. Jeder Tag kann der letzte sein, das wusste er ja.

Heute flieht kaum noch jemand aus Slowjansk. Vielleicht wirkt Saschas fatalistische Sicht auf die Dinge ansteckend. Vielleicht will man nicht sehen, was sich da drüben auf der anderen Seite der Front zusammenbraut. Vielleicht überwiegt der Glaube an diese höhere Macht, die das alles schon irgendwie regeln wird – inklusive Putins Rachegelüste.

Angst? Wovor denn? Könnte ja sowieso jeder Tag der letzte sein. Sascha weiss das – besser als mancher anderer.
Angst? Wovor denn? Könnte ja sowieso jeder Tag der letzte sein. Sascha weiss das – besser als mancher anderer.Bild: Samuel Schumacher

Was diese falschen Propheten mit ihren unheiligen Heeren vorhaben, das interessiert Sascha sowieso nur am Rande.

«Die Grenzen hier haben ein Volk zerrissen. Wenn du die Menschen fragst, was sie sich wünschen, dann sagen sie dir: Wir möchten einfach ohne Checkpoints unsere Verwandten auf der anderen Seite besuchen können.»

Hier, wo das nächtliche Grollen der feindlichen Salven so oft ertönt wie andernorts der Eulenschrei, hier halte sich der Hass in Grenzen, sagt Sascha. Die Menschen möchten Verbindung, sie wollen keine Politik, sie haben mehr als genug andere Sorgen. Wenn es durch seine Besuche ein paar weniger werden, dann sei das gut – letztlich egal, obs an seinen Psalmen liegt oder am Coca Cola.

Und der Reifen? Der bleibt platt. Die Rückfahrt durchs dunkle Hinterland wird langsam und lang. Pinkelpause möglich? Sascha orientiert sich kurz. «Ja», sagt er dann und fährt rechts ran. «Hier sollte es keine Minen mehr haben.»

Sergej, der Kommandant

Man sieht es Sergej, 23, nicht unbedingt an. Aber der lächelnde Mann mit der sanften Stimme hat hier an der Grenze zur Luhansker Volksrepublik das Sagen.
Man sieht es Sergej, 23, nicht unbedingt an. Aber der lächelnde Mann mit der sanften Stimme hat hier an der Grenze zur Luhansker Volksrepublik das Sagen.Bild: Samuel Schumacher

Sergej war sich nicht sicher, ob das eine gute Idee ist mit diesem Reporter. Was, wenn plötzlich die Vorgesetzten auftauchen? Doch dann blieb vorne an der Zufahrtsstrasse zu seinem Kommandoposten ein Lastwagen stecken. Kein Durchkommen mehr. Mindestens anderthalb Kilometer Fussmarsch. Kein Vorgesetzter nimmt das auf sich. «Ihr könnt kommen», lässt er mitteilen.

Sergejs Reich ist nass und kalt – auch drinnen hinter der zerschossenen Fassade des einstigen Wohnblocks, indem er sich mit seinen rund 70 Untergebenen seit Monaten verschanzt. Sergej, gerade Mal 23, hat hier das Sagen. Gestandene Veteranen mit kantigen Gesichtern rapportieren an den jungen Mann mit der feinen Stimme. Sie klopfen an der Tür zum einzigen geheizten Raum, in dem Sergej auf einem roten Sofa sitzt, nebenan ein Bildschirm mit Live-Bildern vom Schützengraben und eine alte Funkstation. Die Untergebenen fragen, ob sie in die Pause dürfen und wann er essen möchte. «Klar», sagt er. Und «bald».

«Fuck Love, Make Pew Pew» steht auf Sergejs schusssicherer Weste.
«Fuck Love, Make Pew Pew» steht auf Sergejs schusssicherer Weste.Bild: Samuel Schumacher

Sergej lächelt viel. Ein dunkler Flaum zieht sich über sein Gesicht. Die abgestandene Luft im Raum stört ihn nicht. Auf seiner schusssicheren Weste steht unter einem schematischen Sturmgewehr «Fuck Love, Make Pew Pew». Das macht er nun seit acht Monaten. Seine Eltern im westukrainischen Lemberg hat er im Mai zum letzten Mal gesehen. Richtig warm geschlafen? Ewig nicht mehr. Die scheibenlosen Fenster vor den Schlafsälen haben sie mit alten Matratzen gestopft. Täglich hockt er mit seinen Männern und Frauen mindestens 12 Stunden im Schützengraben drüben. Viel zu wenige seien sie: die altbekannte Klage an der ukrainischen Front.

Und das alles für das Vaterland? Naja, die anderen da drüben sollen halt einfach nicht weiter vorrücken können. Also zur Verteidigung der Demokratie? Naja. Und alles ohne Nato-Unterstützung? Sergej sagt nichts. Dann sagt er: «Was soll ich sagen?» Diese Fragen, die stellt sich Sergej nicht. Der Konflikt hier, der sei ganz einfach, erklärt er dann:

«Schau, hier ist grosse Krise. Uns brauchts, weil die da drüben in den abgetrennten Gebieten manchmal rüberballern. Die brauchts, weil wir manchmal zurückballern. Also ballert jeder ein wenig, damits den anderen braucht. So hat jeder was zu tun. Wir verdienen an der instabilen Lage.»

Schlecht zwar, aber besser als gar nichts.

Der Schützengraben beginnt gleich hinter dem alten Wohnblock, in dem sich Sergej und seine Truppe verschanzt haben.
Der Schützengraben beginnt gleich hinter dem alten Wohnblock, in dem sich Sergej und seine Truppe verschanzt haben.Bild: Samuel Schumacher

«Die anderen», die sind keine 200 Meter weg von hier. Die Front beginnt draussen vor der Tür. Sergei liess alte Kompostkanister aufstellen, hinter die sich seine Leute bei einem Angriff zurückziehen können. Humus gegen den Kugelhagel. Auf einem der Kübel hockt eine Putin-Puppe, das Gesicht zerschossen.

Putin ist hier alles andere als willkommen. Die Putin-Puppe dient manchmal als Ziel für Schiessübungen.
Putin ist hier alles andere als willkommen. Die Putin-Puppe dient manchmal als Ziel für Schiessübungen.Bild: Samuel Schumacher

An der Mauer daneben prangt ein Graffiti. «Unübersetzbar», sagt die Übersetzerin. «Putin» steht da. Das zweite Wort bleibt unausgesprochen. Fluchen sei hier eine Kunstform, die sich jeglicher Translation widersetze.

Und was, wenn Putin jetzt wieder kommt? Der Richtige, nicht der Zerschossene auf dem Kompostkanister. «Viele, die schon 2014 hier kämpften, haben mir gesagt, ich müsse einfach anrufen», erzählt Sergej. «Die kämen sofort zurück.» Nötig werde das kaum. Hier im Osten, da gäb's keinen Angriff. «Die wissen, dass wir gut vorbereitet sind.» Also ewiger instabiler Stillstand? «Vielleicht», sagt Sergej. Schlimm wäre das nicht.

Keine 200 Meter von hier hocken die prorussischen Separatisten. Täglich ballern sie rüber, und Sergej ballert zurück. So geht das schon seit Jahren.
Keine 200 Meter von hier hocken die prorussischen Separatisten. Täglich ballern sie rüber, und Sergej ballert zurück. So geht das schon seit Jahren.Bild: Samuel Schumacher
«Wenn wir uns nicht geschlagen geben müssen, dann ist das unser Sieg.»

Für die Rückfahrt hat er für die Gäste einen Spezialtransport organisiert. Der kaputte Lastwagen blockiert die Zufahrtsstrasse noch immer. Drum geht's mit dem grün angemalten VW-Bus übers tauende Feld, vorbei am Wachposten mit der «Born to Kill»-Aufschrift.

Der offizielle Truppentransporter: ein grün angemalter VW T4 steht vor dem Kommandoposten von Sergejs Truppe.
Der offizielle Truppentransporter: ein grün angemalter VW T4 steht vor dem Kommandoposten von Sergejs Truppe.Bild: Samuel Schumacher

Vorne im Dorf reicht Sergej die Hand zum Abschied. In diesem Moment tönt das Grollen der separatistischen Salven durch die kalte Abendluft. Eine Frau spaziert mit ihrem Hund vorbei. Weitere Schüsse. Die Frau verzieht keine Mine. Sergej hebt den Daumen und lächelt leise. (bzbasel.ch)

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Das wahre Gesicht des Krieges in der Ukraine
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Das wahre Gesicht des Krieges in der Ukraine
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47 Kommentare
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Helga41
12.02.2022 20:45registriert November 2021
Eindrückliche Stimmung. Ich hoffe der Journalist hat das gut überstanden.

Wenigstens scheinen die Leute, die sich das nicht zumuten wollten - die für ein normales Leben alles bereit sind zurückzulassen, an andere Orte umgezogen zu sein. Auf jeden Fall eine top Reportage aus diesem zwischen West und Ost zerissenen Land der Ukraine.
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marc_
12.02.2022 20:39registriert März 2017
Sogar Krieg wird leider irgendwann zur Routine. Gassi gehen und es knalllt… irgendwann gewöhnt man sich daran. Traurig aber wahr.
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Gaston Monescu
12.02.2022 19:03registriert April 2020
Im Jugoslawien-Krieg kämpfte der Schamane, zusammen mit Russen, an der Seite der Serben.
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