Es ist eine drastische Ansage des Militärchefs von Awdijiwka: «Ihr müsst gehen, ihr müsst eure Sachen packen, vor allem mit euren Kindern», schrieb kürzlich Witali Barabasch auf dem Kurznachrichtendienst Telegram in einem Aufruf an die letzten Zivilisten in der Stadt.
Der Leiter der Militärverwaltung der ostukrainischen Stadt kündigte zudem die Evakuierung der Beschäftigten der kommunalen Versorger an, der «letzten Helden», die die Stadt einigermassen am Laufen hielten. Awdijiwka gleiche immer mehr einer Stadt aus «postapokalyptischen Filmen», so Barabasch.
Die dramatischen Worte aus der umkämpften Stadt zeigen, wie heikel die militärische Lage für die ukrainischen Verteidiger mittlerweile ist. Awdijiwka galt bisher als Festung, die den russischen Angriffen seit Beginn der Invasion im Februar 2022 standhielt. Doch die Kreml-Armee rückte in den vergangenen Monaten auf die nördliche und südliche Flanke der Stadt vor und war dort zumindest teilweise erfolgreich. Nun droht die Einkesselung Awdijiwkas durch russische Truppen.
Die Lage in der ostukrainischen Stadt hat sich in den vergangenen Monaten zunehmend verschlechtert. Gemessen an der Zahl der Angriffe ist Awdijiwka neben Bachmut derzeit das Hauptziel russischer Kriegsanstrengungen. Die ukrainische Armee spricht bereits von einem «zweiten Bachmut». Doch droht die Stadt tatsächlich bald zu fallen, wie russische Kriegspropagandisten behaupten?
Wie in Bachmut scheiterte die Kreml-Armee bisher bei dem Versuch, frontal nach Awdijiwka vorzudringen. Ein Grund dafür liegt darin, dass die Stadt schon seit 2014 heftig umkämpft ist. Awdijiwka ist nur wenige Kilometer von der Separatistenhochburg Donezk entfernt und musste sich immer wieder Angriffen durch prorussische Separatisten erwehren.
Wegen der permanenten Bedrohung gelten die ukrainischen Verteidigungsanlagen in der Stadt als gut ausgebaut. Vor allem die Fabrikanlagen der lokalen Kohle- und Chemieindustrie im Norden der Stadt gelten als besonders schwer einnehmbar.
Umso verlustreicher waren die bisherigen Versuche der Russen, die Stadt einzunehmen. Videos in sozialen Netzwerken, die gescheiterte russische Sturmangriffe zeigen sollen, gibt es zuhauf. Ukrainischen Angaben zufolge soll vor allem der 18. März ein besonders blutiger Tag für die russischen Angreifer gewesen sein:
An diesem Tag soll die Kreml-Armee bei Angriffen auf umliegende Dörfer drei Infanteriekompanien (rund 300 Soldaten), 15 Panzer und neun Schützenpanzer verloren haben. Die Angaben sind schwer zu verifizieren, da die russische Armee ihre Verluste nicht öffentlich macht.
Und doch scheint die russische Taktik, über die Dörfer zu kommen, zumindest in Teilen erfolgreich zu sein: Awdijiwka droht mehr denn je, von den russischen Angreifern eingekreist zu werden. Vor allem die Eroberung der Dörfer Krasnohoriwka im Norden und Wodyane im Süden hat die Verteidiger weiter in Bedrängnis gebracht.
Sollte den Russen tatsächlich ein Kessel um die Stadt gelingen, wären die ukrainischen Verbände vom Nachschub abgeschnitten. Doch dazu müsste die russische Armee noch weitere Dörfer im Umland erobern, was ihr offenbar schon schwer genug fällt. Dazu kommt, dass den Ukrainern zwischendurch offenbar auch kleinere Befreiungsschläge gelingen, wie der Kriegsblogger «War_Mapper» berichtet:
Detailkarte 🗺️ der ungefähren Lage rund um die Stadt #Avdiivka in der Ukraine 🇺🇦
— @BrennpunktUA 🇩🇪🇺🇦 (@BrennpunktUA) March 27, 2023
Stand 27.03.23 00:00 Uhr
AFU 🇺🇦 haben erfolgreich einen Gegenangriff durchgeführt und die Schützengräben südlich der Stadt zurückerobert, die zuvor von RF🇷🇺eingenommen wurden.
Via @War_Mapper pic.twitter.com/Dv2iPDWXqp
Insgesamt 22 Mal griffen die Russen die Stadt allein am vergangenen Donnerstag an, zitiert das ukrainische Portal «Prawda» einen ukrainischen Militärsprecher. Eine Woche zuvor seien es rund 95 Angriffe pro Tag gewesen, meist mit russischer Artillerie oder Panzern. Die abnehmende Angriffsrate sei den massiven russischen Verlusten an Personal und Ausrüstung geschuldet. «Der Feind hat seine Hauptstreitkräfte bereits erschöpft», so der Sprecher.
Doch trotz der Verluste konzentrieren die russischen Angreifer ihre Kräfte weiter auf die Stadt. Der ukrainische Generalstab meldete am Montagfrüh rund ein Dutzend russischer Offensivoperationen auf die Stadt – ein Hinweis darauf, dass Kremlchef Putin weiter darauf setze, den Konflikt militärisch zu lösen, so die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW). Der ukrainische Geheimdienst meldet zudem, dass bald auch die berüchtigte Söldnertruppe Wagner die Angriffe auf Awdijiwka verstärken soll, womöglich, um einen militärischen Durchbruch zu erzwingen.
Ob die Wagner-Söldner einen Unterschied machen können, erscheint allerdings als zweifelhaft. Die Privatmiliz hat, trotz militärischer Teilerfolge etwa bei Soledar, bisher keine durchschlagenden Erfolge vorzuweisen. Zudem gehen dem Chef der Truppe, Jewgeni Prigoschin, langsam die Rekruten aus. Am Sonntag ging der Beschuss von Awdijiwka weiter. Diesmal liess die russische Armee die Stadt aus der Luft angreifen, dabei sollen auch Gleitbomben verwendet worden sein. Für die rund 2'000 verbliebenen Zivilisten wird die Lage immer gefährlicher.
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Putin wird wahrscheinlich vorher an alterschwäche sterben, anstelle er jemals die gesamte Ukraine bekommt.
Menschen müssen um ihr Leben zu retten vor den russischen Granaten fliehen und alles zurücklassen was sie sich Aufgebaut haben.