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Russen klauen Granaten und Sturmgewehre von der Front

Russen klauen Granaten und Sturmgewehre von der Front – mit tödlichen Folgen

Russische Soldaten schmuggeln Waffen aus dem Kriegsgebiet. Was sie damit anstellen, hat tödliche Konsequenzen.
15.09.2025, 22:1815.09.2025, 22:18
Ivan Ruslyannikov / ch media
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Seit dem Überfall auf die Ukraine vor dreieinhalb Jahren steigt die Zahl der Strafverfahren gegen russische Soldaten dramatisch an. Der Vorwurf lautet häufig: illegaler Waffenhandel.

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Ein russischer Soldat mit seinem Kalaschnikow-Sturmgewehr im Fronteinsatz in der Ukraine. (Symbolbild)Bild: keystone

2021 wurden 41 Verfahren gegen Soldaten wegen Verkauf, Lagerung, Lieferung oder Diebstahl von Waffen und Munition registriert. Zwei Jahre später stieg diese Zahl auf 137, seither liegt sie auf dem gleichen Niveau. Dies geht aus Daten hervor, die auf den Websites russischer Gerichte veröffentlicht worden sind.

Meistens verstecken Soldaten die vom Verteidigungsministerium ausgegebenen Waffen und bringen sie während ihres Urlaubs oder nach einer Behandlung im Spital nach Russland. So stahlen etwa die ehemaligen Soldaten der 71. Motorisierten Schützendivision Sergej Gorjatschewski und Jewgeni Kuliew drei AK-74M-Sturmgewehre, 1080 panzerbrechende Patronen und mehrere Granaten.

All dies wollten sie für umgerechnet 140 Franken an Dorfbewohner in der Region Kursk verkaufen. Allerdings wurden die Waffendealer von Bekannten bei der Polizei angezeigt, die die Soldaten festnahm. Einer von ihnen wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, der andere zu drei Jahren.

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Das Dorf Sudscha in der Region Kursk.Bild: keystone

Am häufigsten von Soldaten gestohlen werden Pistolen vom Typ Makarow. Einige nehmen sie mit, um sie als Kriegstrophäe aufzubewahren. Andere verhökern sie auf dem Schwarzmarkt. So wird eine Makarow-Pistole mit Schalldämpfer auf dem Schwarzmarkt für 3200 Franken verkauft, wobei die Bezahlung auch in Kryptowährungen erfolgen kann.

Absonderliche Fälle aufgeflogen

Der Preis für eine alte sowjetische Kalaschnikow liegt im Durchschnitt zwischen 3000 und 3500 Franken. Aber es gibt auch exotische Angebote: So staubte beispielsweise der aus der Region Moskau mobilisierte Michail Kusmitschow ein ausgemustertes AS-Wal-Sturmgewehr mit eingebautem Schalldämpfer ab, das einst speziell für die sowjetischen Geheimdienste entwickelt worden war.

Er plante, diese Waffe zusammen mit Patronen für 7500 Franken an ein ehemaliges Mitglied der Wagner-Söldnertruppe zu verkaufen. Tatsächlich handelte es sich beim Käufer jedoch um einen verdeckten Ermittler des FSB. Kusmitschow wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Erfahrenere russische Offiziere nutzen die ihnen ausgehändigten Waffen, um ein noch grösseres Geschäft zu machen. Im August dieses Jahres wurde die Ermittlung gegen Offiziere der 83. Garde-Luftlandebrigade abgeschlossen, denen Betrug mit staatlichen Zahlungen vorgeworfen wird. Nach Angaben der Ermittler schossen die Soldaten aufeinander, um Verwundeten-Entschädigungen in Höhe von 3 Millionen Rubel (28'000 Franken) zu erhalten. Dabei vermieden sie sorgfältigst, lebenswichtige Organe zu treffen.

Auf diese Weise wurden mehr als drei Dutzend Soldaten der Brigade für Verletzungen, die sie angeblich im Kampf erlitten hatten, mit mehr als 200 Millionen Rubel (rund 1,9 Millionen Schweizer Franken) entschädigt. Bei ihrem Vorgesetzten, Oberstleutnant Konstantin Frolow, wurden Verstecke gefunden, in denen er drei erbeutete Pistolen, ein Sturmgewehr, Magazine mit Patronen, mehrere Minen und Granaten aufbewahrte.

In der Raucherpause explodiert eine Granate

Allerdings geraten Soldaten, die Waffen als Trophäen mit nach Hause nehmen, oft in kriminelle Situationen, da sie den Drang verspüren, die gestohlenen Pistolen oder Granaten in der Praxis einzusetzen. So wurde beispielsweise in Wladikawkas Nikolai Kostin, Träger zahlreicher Kriegs-Medaillen, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er eine Makarow-Pistole gestohlen hatte, mit der er seiner Frau drohte, sie zu erschiessen. Die Frau zeigte ihren Ehemann bei der Polizei an.

Im Mai dieses Jahres wollte ein Soldat aus Moskau einem Freund eine Granate zeigen, die er von der Front mitgebracht hatte. Nach dem Festmahl gingen die Männer ins Treppenhaus, um zu rauchen, die Granate explodierte und beide kamen ums Leben.

Besonders auffällig ist der Anstieg von Straftaten mit Schusswaffen in den russischen Grenzregionen. Nach Angaben des russischen Innenministeriums sind die an die Ukraine angrenzenden Regionen Belgorod, Brjansk und Kursk besonders betroffen, wo sich Ausbildungslager für russische Soldaten befinden.

Insgesamt wurden seit Beginn des Überfalls auf die Ukraine mindestens 2605 ehemalige und aktive Kriegsteilnehmer wegen solcher Straftaten angeklagt, schreibt die Zeitung «Nowaja Gaseta». Experten gehen von einer viel höheren Dunkelziffer aus. In der Region Belgorod stieg die Zahl der Fälle im Zusammenhang mit illegalem Waffenhandel um 73,9 Prozent. Wahrscheinlich versuchen russische Soldaten, gestohlene Waffen via dieser Region aus dem Land zu schmuggeln.

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Die beliebtesten Kommentare
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RuediRupf
15.09.2025 23:07registriert November 2023
Der Solfat auf dem ersten Bild trägt eine Schrotflinte und ganz bestimmt kein Sturmgewehr. Musste wohl schnell gehen bei der Auswahl eines Symbolbildes, und stellt den Sinn von Symbolbildern einmal mehr in Frage...
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Upsidupsiwiederda
15.09.2025 23:13registriert März 2020
okay, wer die Waffe verkaufen will kommt 7 Jahre in den Bau, wer damit seiner Frau droht sie zu erschiessen kommt mit einer Bewährungsstrafe davon.
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Cpt. Jeppesen
15.09.2025 22:56registriert Juni 2018
Und die Typen, die wegen Waffenhandels eingesperrt wurden, sind inzwischen garantiert wieder an Front.
Das mit "Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient" wird in Russland etwas anders interpretiert.
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