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Sahra Wagenknecht lügt vor laufender Kamera – diese Expertin kontert

Maybrit Illner am 11. Juli 2024.
In der ZDF-Sendung am Donnerstagabend ging es hitzig zu und her. screenshot: youtube.com

Sahra Wagenknecht lügt vor laufender Kamera – diese Expertin kontert perfekt

«Wir geben 90 Milliarden für Waffen aus», behauptet die Populistin in der deutschen TV-Talkrunde «Maybrit Illner» – und muss dafür und für weitere Falschaussagen mächtig einstecken.
12.07.2024, 19:0413.07.2024, 14:43
Nina Jerzy / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Verteidigung ist nicht gleich Rüstung – über diesen Unterschied ist Sahra Wagenknecht bei «Maybrit Illner» gestolpert. Die BSW-Vorsitzende warnte am Donnerstagabend vor einer vermeintlich ausufernden Aufrüstung.

Der deutsche «Rüstungshaushalt» habe vor zehn Jahren noch bei gut 30 Milliarden Euro gelegen. «Jetzt ist er inzwischen bei 90 Milliarden, also eine gewaltige Aufrüstung», kritisierte sie. Dann gingen die Wogen hoch.

Die Gäste

  • Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen), Parteivorsitzender
  • Sahra Wagenknecht (Bündnis Sahra Wagenknecht), Parteivorsitzende
  • Claudia Major, Verteidigungsexpertin
  • Ben Hodges, US-Generalleutnant a.D.
  • Claus Kleber, Journalist

Wagenknecht korrigierte sich umgehend, was aber kaum etwas am Ergebnis änderte. Sie habe nicht den Verteidigungshaushalt gemeint, sondern die Ausgaben für Rüstung nach den NATO-Kriterien, inklusive Waffenlieferungen an die Ukraine und das Sondervermögen.

«Also wir geben 90 Milliarden für Waffen aus. So kann man es korrekt formulieren», sagte Wagenknecht. «Das stimmt ja auch nicht», widersprach die deutsche Verteidigungsexpertin Claudia Major.

«Das ist faktisch falsch!»

«Ich glaube, dass ich ein anderes Verhältnis zu Fakten habe als Sie», sagte die Leiterin der Forschungsgruppe «Sicherheitspolitik» der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die unter anderem den deutschen Bundestag und die Bundesregierung berät.

Major stellte richtig: Der deutsche Verteidigungsetat von aktuell rund 71 Milliarden Euro umfasse nicht nur Rüstung, sondern viele weitere Ausgaben für die Bundeswehr. «Das heisst: Wenn man sagt ‹71 [Milliarden Euro] für Rüstung›, ist das faktisch falsch», betonte die Wissenschaftlerin.

Der Faktencheck

Grösste Ausgaben der Bundeswehr für Personal

Aber wie viel entfällt wirklich auf Rüstung? Kurzer Faktencheck zur besseren Einordnung: Der deutsche Verteidigungsetat 2024 beläuft sich auf 51,8 Milliarden Euro. Hinzu kommen 19,2 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Die NATO schätzt die deutschen Verteidigungsausgaben in diesem Jahr auf 90,6 Milliarden Euro. Dadurch wurde das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht.

28,7 Prozent der deutschen Verteidigungsausgaben entfallen den Angaben zufolge 2024 auf die Kategorie «Major equipment, including related R&D». Dazu zählen Kampfflugzeuge, Panzer, Raketensysteme, Schiffe und so weiter, aber auch Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

Mehr noch als für diese Rüstung gibt Deutschland laut NATO bei der Verteidigung für Personalkosten aus (29,6 Prozent). Den grössten Batzen macht laut dem Bericht mit 38,5 Prozent der Posten «Operations & maintenance and other expenditures» aus. Dazu gehören Munition und Sprengkörper, aber auch Wartung, Mieten und Betriebsausgaben. Hinzu kamen 3,2 Prozent für Infrastruktur.

Dann geht's zur Sache

Als Wagenknecht später bei «Maybrit Illner» erneut hohe Ausgaben für Verteidigung monierte, wurde es endgültig laut. «Wie oft wollen Sie denn 90 sagen? Bis Sie es selber glauben?», sagte Grünen-Chef Omid Nouripour und widersprach dem Einwand der BSW-Vorsitzenden: «Nein, das sind keine offiziellen Zahlen.»

«Die Zahlen stimmen nicht», bekräftigte auch Major. Sie warf Wagenknecht vor, mit Fakten «sehr kreativ» umzugehen. Major sprach von einem «Propagandaproblem» mit falschen Behauptungen, die sich häufig auf russische Quellen stützten und meinte damit auch das Kiewer Kinderkrankenhaus.

Wagenknecht stellt Angriff auf Kinderspital infrage

«Das Problem ist, dass damit die öffentliche Debatte vergiftet wird, weil nämlich immer weniger klar wird, was eigentlich stimmt», warf die Sicherheitsexpertin Wagenknecht vor. Mit Aussagen zu den Verteidigungsausgaben oder zum Einschlag eines Marschflugkörpers in dem Kinderkrankenhaus delegitimiere Wagenknecht die Ukraine. Es sei Fakt, dass die Klinik von einer russischen Rakete getroffen wurde.

Wagenknecht hatte zuvor gesagt: «Ich finde nicht sehr plausibel, zur Eröffnung des NATO-Gipfels ausgerechnet ein Kinderkrankenhaus anzugreifen.» Die Frage sei, ob die Rakete auf die Klinik abgefeuert worden sei oder aber von ukrainischer Luftabwehr abgeschossen und dann auf das Krankenhaus gestürzt sei.

An anderer Stelle hatte die BSW-Chefin gesagt, viele Zivilisten in der Ukraine würden durch Trümmerteile abgeschossener russischer Raketen getötet. Aber glaube sie denn, dass es besser sei, wenn eine Rakete im Ziel explodiere?, fragte der ZDF-Journalist Claus Kleber.

Auf Marschflugkörper der USA setzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun auch auf heimischem Boden. Er begrüsste die ab 2026 geplante Stationierung von Marschflugkörpern vom Typ «Tomahawk», die während des Nato-Gipfels in Washington, D. C. verkündet worden war. Deutschland müsse «einen eigenen Schutz haben mit Abschreckung», sagte Scholz angesichts der russischen Aufrüstung.

Auch aus Reihen der SPD hatte es daraufhin Warnungen vor einem Wettrüsten mit Russland gegeben. Ex-US-General Ben Hodges sagte hingegen bei «Illner», mit der «Tomahawk»-Verlegung werde endlich eine eklatante Sicherheitslücke an der NATO-Flanke geschlossen.

Deutschland hätte dies bereits vor sieben Jahren tun sollen, sagte der aus Washington zugeschaltete Ex-Oberkommandeur der US-Landstreitkräfte in Europa und verwies auf die Stationierung russischer Langstreckenraketen in Kaliningrad. «Auf diese Bedrohung muss die NATO reagieren», sagte auch Major. «Momentan ist da eine riesengrosse Schutzlücke.»

Quellen

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188 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hans Jürg
12.07.2024 19:26registriert Januar 2015
Ja, die Alt-Stalinistin halt wieder. Sie kann gar nicht anders, als sich ihre eigene Realität zu erfinden. Dass ihr trotz offensichtlich ständigem Lügen trotzdem viele Leute glauben, ist traurig. Offenbar ist es wohl einfacher, solchen Leuten zu folgen als das eigene Gehirn zu benutzen.
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El_Chorche
12.07.2024 19:25registriert März 2021
"Auch aus Reihen der SPD hatte es daraufhin Warnungen vor einem Wettrüsten mit Russland gegeben. "

Das Russland damit bereits begonnen hat, ist der SPD aber schon klar, oder?
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Hector B.
12.07.2024 21:45registriert Februar 2022
Mittlerweile gibt es in Deutschland einen neuen Begriff im Strassenverkehr: "Wagenknechten". Links blinken, rechts abbiegen.
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