In der Nacht auf heute flogen ukrainische Drohnen den bisher umfangreichsten Einsatz auf militärische Ziele in Russland. Auf dem Flughafen Pskow wurden je nach Quellen zwei bis sechs Ilyushin 76 Transportflugzeuge und ein Bomber des Typs Tupolew Tu-22 zerstört oder beschädigt.
Die bei russischen Verlusten zu Untertreibungen neigende staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete vier beschädigte IL-76.
Videos von Überwachungskameras zeigen, dass fast gleichzeitig bei Briansk eine Fertigungsstätte des Mikroelektronikhersteller Kremniy EL getroffen wurde. Kremniy stellt unter anderem Teile für die Flugabwehr-Einheit Pantsir und das Raketensystem Iskander her. Wie stark die Fabrik beschädigt wurde, ist unklar. Auch in Kaluga, Moskau, Orjol und Rjasan sollen laut dem britischen Guardian ukrainische Drohnen militärische Ziele getroffen haben. Indirekt bestätigt werden diese Angaben von einem Kreml-Sprecher, der meldete, die russische Flugabwehr habe an sechs verschiedenen Orten feindliche Drohnen eliminiert.
Unklar ist, woher diese starteten. Der Flughafen Pskow befindet sich in direkter Fluglinie 700 Kilometer von der Ukraine entfernt. Ohne westliche Hilfe sei es der Ukraine nicht möglich, Drohnenattacken über eine derart grosse Distanz zu fliegen, behauptete eine Sprecherin des russischen Aussenministeriums ohne Berücksichtigung der Möglichkeit, dass die Drohnen auch auf russischem Gebiet hätten starten können. Offizielle Stellungnahmen zur Operationsführung solcher Einsätze gibt es von ukrainischer Seite nie.
Im Januar meldete der staatliche Rüstungskonzern Ukroboronprom aber, er sei in der Lage, Drohnen mit einer Reichweite von 1000 Kilometern zu produzieren. Um an das Einsatzziel in Pskow zu gelangen, hätten solche Drohnen aber 500 Kilometer über belarussisches Gebiet fliegen müssen. Deshalb wird davon ausgegangen, dass die Drohnen von russischem Boden aus aufstiegen.
Ebenfalls heiss diskutiert wird die Möglichkeit, dass bei den Attacken Billig-Drohnen aus Australien zum Einsatz kamen. Bekannt und bestätigt ist: Der Rüstungskonzern SYPAQ lieferte der Ukraine hunderte Fluggeräte des Typs «Corvo PPDS UAV». PPDS steht für «Precision Payload Delivery System», zu Deutsch: Präzisions-Nutzlasttransportsystem.
Fälschlicherweise oft als «Karton-Drohnen» beschrieben, können diese rudimentär aussehenden Flugobjekte aus Hartschaumplatten bis zu 6 Kilogramm Ladung über eine Entfernung von 80 Kilometern transportieren. Mit nur 3 Kilogramm Ladung sind gar 200 Kilometer möglich. Sie erreichen dabei eine Geschwindigkeit von 60 km/h und sind aufgrund ihrer Bauweise von Radarsystemen nur schwer zu erfassen. Rumpf und Flügel werden von einfachen Gummibändern zusammengehalten. Ihre Destination fliegen sie nach einer Eingabe über ein Smartphone oder Tablet selbstständig per GPS an.
Offiziell bestätigte die Ukraine den erfolgreichen Einsatz der «Kartondrohnen» nie. Zum ersten Mal erwähnt wurden sie laut «Aerotime Hub» vom russischen Militärblogger «Fighterbomber» am 27. August 2023. An diesem Tag vermeldete die «Kiew Post» die Zerstörung von vier Suchois Su-30, einer MiG-29, zweier Raketenwerfer eines Pantsir-Flugabwehrsystems und des Radars eines S-300-Flugabwehrsystems auf dem Flughafen Kursk durch einen Schwarm von 12 Drohnen. Dieser Flughafen befindet sich rund 90 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
Russische Quellen widersprechen dieser Darstellung. Sämtliche Drohnen über Kursk seien von der Flugabwehr unschädlich gemacht worden.
Seither haben die «Welt» und die «Kiew Post» den Mythos der Kartondrohnen weiter hochleben lassen. Zu verlockend ist die Idee, dass Kriegsgerät im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar im Stil von MacGyver mit DIY–Technik zerstört wurde. Harte Beweise, das gibt auch die «Kiew Post» zu, gibt es indes noch keine.