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Wie die russische Armee Schwachstellen der Ukrainer ausnützt

Wie die russische Armee Schwachstellen der Ukrainer ausnützt

Bislang galten Putins Truppen in der Ukraine als wenig flexibel. Eine neue Studie zeichnet jedoch ein anderes Bild. Demnach hat die russische Armee dazugelernt.
28.05.2023, 14:1328.05.2023, 15:51
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Ein Artikel von
t-online

In den Berichten über den Verlauf des Ukrainekrieges ergab sich in westlichen Medien nicht selten ein ziemlich einseitiges Bild: Auf der einen Seite die ukrainische Armee, die mit einer gewieften Taktik, viel kreativem Geschick und heldenhaftem Mut ihr Land verteidigt. Auf der anderen Seite die russischen Streitkräfte, die beim erstbesten Gegenangriff ängstlich auseinanderstieben und die Flucht ergreifen, deren Militärgerät marode ist und die von organisierter Kriegsführung keine Ahnung haben.

FILE - A Ukrainian soldier carries cartridges in war-hit Bakhmut, Donetsk region, Ukraine, Sunday, April 23, 2023. Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy said Sunday, May 21, 2023 that Russian forces ...
Ein ukrainischer Soldat während des Kampfeinsatzes in der Stadt Bachmut (Archivbild)Bild: keystone

Dass diese Wahrnehmung einer gefährlichen Schwarz-Weiss-Malerei unterliegt, zeigt nun eine Studie des Royal United Services Institute for Defence and Security (Rusi), einer in London ansässigen, sicherheitspolitischen Denkfabrik. Demnach haben die russischen Invasoren in den nunmehr fünfzehn Kriegsmonaten in vielen Bereichen dazugelernt.

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Einer dieser Bereiche betrifft die elektronische Kriegsführung. «Das russische Militär macht immer stärkeren Gebrauch von Störsendern, um die Kommunikation von Fluggeräten auf dem Schlachtfeld zu unterbinden», schreiben die Autoren der Studie. Gemeint ist damit vor allem die elektronische Bekämpfung von Drohnen, die hauptsächlich zur Feindaufklärung eingesetzt werden. «Das führt zu einer Verlustrate von ungefähr 10'000 ukrainischen Drohnen pro Monat.» Also mehr als 300 Drohnen pro Tag.

Mit dem elektronischen Kampfsystem Pole-21 stört Russland die ukrainische Luftaufklärung (Archivbild).
Mit dem elektronischen Kampfsystem Pole-21 stört Russland die ukrainische Luftaufklärung (Archivbild).Bild: imago-images.de/Yegor Aleyev

Erbeutete Funkgeräte als ein bedeutendes Puzzlestück

Insbesondere das russische Shipovnik-Aero-System hat sich dabei für die Invasoren als nützlich erwiesen. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Jammer, der die Verbindung der Drohnen zu ihrem Piloten am Boden mittels elektromagnetischer Wellen unterbricht. Die Drohne lässt sich dann nicht mehr steuern und stürzt vom Himmel.

Ebenfalls bedienen sich die russischen Truppen des 14Ts227 Tobol. Ursprünglich war dieser Jammer dafür vorgesehen, russische Satelliten vor feindlichen elektronischen Attacken im Weltall zu schützen. Nun könnte es laut eines Berichts der «Washington Post» allerdings gelungen sein, mittels des riesigen Störsenders die Starlink-Verbindungen zu unterbrechen, über die die ukrainischen Truppen in den Kriegsgebieten kommunizieren.

Besorgniserregend aus ukrainischer Sicht dürfte auch eine weitere Erkenntnis der Militärexperten sein. Demnach schaffen es Putins Soldaten auch immer wieder, sich in die Funkgeräte der Ukrainer zu hacken. Diese nutzen vornehmlich Motorola-Funkgeräte mit einer 256-Bit-Verschlüsselung.

Russia: Rehearsal for Victory Day parade in Rostov-on-Don, Russia RUSSIA, ROSTOV-ON-DON - MAY 2, 2023: Krasukha electronic warfare systems take part in a rehearsal for a Victory Day military parade to ...
Auch das mobile Krasukha-4-System dient Putins Truppen im Ukrainekrieg (Archivbild). Bild: www.imago-images.de

Da die Russen jedoch Funkgeräte erbeuten und die ukrainischen Einheiten offenbar nicht häufig genug ihre Verschlüsselungs-Codes wechseln, vermag Putins Armee, die gegnerische Kommunikation in Echtzeit abzuhören. So liessen sich ukrainische Angriffspläne schon vor Ausführung abhören. Die Russen könnten sich dann in Ruhe darauf vorbereiten, schreiben die Rusi-Autoren.

In einem Punkt hat sich nichts verbessert

Der Militärexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) sieht darin «eine ernsthafte Gefahr», wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. «Die Rekonstruktion der Gefechtsverläufe zeigt, dass die Russen über einige Operationen der ukrainischen Einheiten gut informiert waren.» Für die ukrainische Armee bedeutet das hohe Verluste.

Aber nicht nur was die elektronische Kriegsführung betrifft, haben die russischen Angreifer im Laufe des Krieges offenbar dazugelernt. Auch was die Aufstellung der Infanterie, das Vorgehen der Panzerbrigaden und die allgemeine Taktik bei der Verteidigung eigener Stellungen angeht, treffen die Ukrainer nun auf einen sehr viel besser vorbereiteten Gegner.

Lediglich in einem Punkt hat sich laut Rusi wenig verbessert: die mangelhafte Einstellung breiter russischer Truppenteile. «Die offensichtlichste Schwäche der russischen Infanterieeinheiten ist ihre geringe Motivation.» (t-online, cc)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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chrimark
28.05.2023 15:00registriert November 2016
Naja, es wäre auch gar naiv zu glauben, dass die Russen nicht versuchen sich auf die Taktiken der Ukraine einzustellen. Letztlich ist es ein Katz und Maus Spiel.
Mögen die Ukrainer schneller neue Ideen entwickeln als die Orks Antworten darauf finden.
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Vitai Lampada
28.05.2023 15:31registriert Dezember 2022
Der Verlust von 200000 Soldaten und Söldner ist doch schon eher ein hohes Lehrgeld für die selbsternannte "Beste Armee" Eurasiens.
Die Fortschritte der Ukrainer sind da wesentlich beeindrukender.
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Faffipause
28.05.2023 15:47registriert Januar 2021
Die Motivation. Ganz ehrlich, wer hätte Bock einen Nachbarstaat anzugreifen, nur weils einer befiehlt. Also auf fremden Boden zu kämpfen, ohne vorher angegriffen worden zu sein?! Egal wie es um die Pflicht oder allf. Strafe steht.
Da gibts rin paar kriegsgeile Type, denen erstmal der Schuss in der Hose abgeht, dass sie ballern dürfen. Aber die grosse Mehrheit hat keinen Bock.
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