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Was, wenn die Ukraine gar nicht gewinnen soll?

A mourner pays her final respects for Ukrainian writer Victoria Amelina during a memorial service for Amelina in Kyiv, Ukraine, Tuesday, July 4, 2023. The award-winning writer was killed in June by a  ...
Eine Frau beugt sich über den Sarg eines Gefallenen.Bild: keystone

Was, wenn die Ukraine gar nicht gewinnen soll?

Die Offensive hakt, die notwendigen Waffen bleiben aus. Verschiedene Experten sorgen sich, dass der Ukraine gerade die Unterstützung wegbrechen könnte.
06.07.2023, 13:2806.07.2023, 13:28
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Ein Artikel von
t-online

Deutlicher konnte Walerij Saluschnyj nicht mehr werden: Es «kotzt mich an», sagte der Oberkommandant der ukrainischen Streitkräfte zuletzt der «Washington Post». Der Grund für seinen Unmut: Immer wieder werde die Armee dafür kritisiert, dass die ukrainische Offensive nicht schnellere Erfolge verbuchen kann.

«Ohne eine vollständige Versorgung sind diese Pläne überhaupt nicht realisierbar», beschwerte sich der General. Was auf dem Wunschzettel seiner Truppen steht, ist kein Geheimnis: Seit Monaten fordert die Ukraine vor allem die Unterstützung mit amerikanischen F-16-Kampfjets sowie mit weiterer Munition.

Tatsächlich lässt die erste Lieferung der Kampfflugzeuge weiter auf sich warten – und manche Experten machen sich Sorgen, dass dahinter eine grössere Diskussion steckt: Der Politikwissenschaftler der Bundeswehr-Universität in München, Carlo Masala, twitterte kürzlich, er habe das «Bauchgefühl», dass die USA bei der Unterstützung der Ukraine auf die Bremse treten könnten. Doch ist diese Vermutung mehr als nur ein Gefühl?

Dass hinter der ausbleibenden Kampfjet-Unterstützung der USA möglicherweise mehr steckt, legt ein jüngst veröffentlichter Bericht des britischen «Daily Telegraph» nahe: Demnach sei der britische Verteidigungsminister Ben Wallace bei US-Präsident Joe Biden in Ungnade gefallen, nachdem Grossbritannien ohne seine Zustimmung mit der Ausbildung von Ukrainern an den Kampfflugzeugen begonnen habe.

Laut dem Bericht hatte die Entscheidung für Wallace weitreichende Konsequenzen: Biden soll danach entschieden haben, er unterstütze den Briten nicht mehr darin, Nachfolger von Jens Stoltenberg als Nato-Generalsekretär zu werden. Stattdessen sei der US-Präsident danach auf die deutsche Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, umgeschwenkt. Mehr dazu lesen Sie hier.

Militärkenner Masala mutmasste zuletzt, dass die USA möglicherweise befürchten, dass weitere Waffenlieferungen den russischen Staat ins Wanken bringen könnten. Skepsis herrscht im Weissen Haus weiter auch bei den Lieferung von Langstreckenraketen, die bisher nur aus Grossbritannien an die Ukraine geschickt wurden. Auch die Lieferung von Abrams-Kampfpanzern hatte Biden zu Beginn des Jahres zwar angekündigt, allerdings sollen die Fahrzeuge erst im kommenden Herbst in der Ukraine ankommen.

«Jeder, dessen Meinung ich respektiere, ist der Meinung, dass die USA nicht wollen, dass die Ukraine den Krieg gewinnt. Das ist eine beunruhigende Schlussfolgerung, aber schwer zu vermeiden» twitterte kürzlich auch der portugiesische Politikwissenschaftler und ehemalige Staatssekretär Bruno Maçães. Einige der Menschen, mit denen er spreche, würden ihm auch von streng geheimen Verhandlungen erzählen, in denen die USA und Russland bereits ein Friedensabkommen aushandeln würden.

Auf der anderen Seite gibt es auch andere Gründe, warum die Ukraine bisher nicht mit den Kampfjets ausgerüstet wurden: Die aktuelle Ausbildung in Dänemark werden sechs bis acht Monate dauern, teilte zuletzt der dortige Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen mit. Gleichzeitig sei geplant, dass die dänische Luftwaffe die Flugzeuge zwei Jahre früher ausmustern werde, wodurch die Jets möglicherweise schneller in der Ukraine ankommen könnten.

Tatsächlich vertritt auch die Nato den Standpunkt, dass die Jet-Lieferung während der aktuellen Offensive noch kein Thema ist. Das sagte zuletzt der Leiter des Militärausschusses der Nato, Rob Bauer, dem britischen Radiosender «LBC». Erklärt wird dadurch allerdings nicht, warum generell die Lieferung westlicher Kampfjets erst in den letzten Monaten Fahrt aufnahm. Denn die Ukraine hatte schon lange sich eine entsprechende Lieferung gewünscht, etwa durch den Aussenminister Dmytro Kuleba bei seinem Deutschlandbesuch im Mai 2022.

Die Bundesregierung hält sich bei dem Thema ebenfalls weiter zurück. Begründet wird dies dadurch, dass die Bundeswehr keine F-16-Jets besitzt. Stattdessen sei aber im Gespräch, deutsche Eurofighter an Saudi-Arabien und 6 A400M-Flieger die Vereinigten Arabischen Emirate zu liefern, kritisierte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter am Dienstag. «Ich halte das für grundlegend falsch, andere Grüne ebenfalls. Denn wir können nicht der von Russland überfallenen Ukraine immer noch bestimmte Waffen verweigern und gleichzeitig modernste Waffen an Diktaturen und Autokratien geben», sagte Hofreiter dem «Redaktionsnetzwerk Deutschland». (t-online)

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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168 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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_andreas
06.07.2023 14:57registriert April 2020
Dass die Ukrainer in der Offensive nicht vorankommt liegt hauptsächlich daran dass die Russen alles massiv vermint haben. Ohne Gerätschaften im Überfluss kommt man da halt auch nur langsam vorann denn die Ukrainer wollen ihre Soldaten auch nicht eifacht verheizen wie es die Russen machen.
Uropa muss jetzt endlich den Finger zu A*** rausnehmen und liefern. Auch die Schweiz sollte das tun. Was meinen die Politiker was Passiert wenn die Ukraine den Krieg verliert? Russland erhält dann so noch mehr macht und druckmittel u.a. auch wegen Lebensmittelproduktion.
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Grobianismus
06.07.2023 13:43registriert Februar 2022
Da hat der Herr Hofreiter schon recht; welchen Sinn hat die Lieferung von in der Ukraine benötigten Kampfjets nach Saudi-Arabien?

Ich nehme an, es geht, wie immer bei solchen Fragen, nur ums Geschäft.
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Ilovepies
06.07.2023 14:59registriert Februar 2015
Hier mein Senf dazu:
Die USA hat kein natürliches Interesse, dass Russland verliert. Die dadurch entstehende Eskalation ist zu gefährlich. Die USA hat aber durchaus ein Interesse daran Russland in einem Krieg zu behalten und dadurch strukturell zu schwächen. Von daher ist es völlig klar, Ukraine unterstützen und als Prellbock verwenden, aber nicht komplett ausrüsten um Russland anzugreifen (dazu gehört aus Sicht Russland auch die Krim). Von daher bittere Realität: Krieg? Ja. Sieg? Nein. In die Röhre gucken die Ukrainer.
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